Klotzen, nicht kleckern, lautet die Devise in vielen Wohnungen.

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Im Wohnzimmer kringelt sich eine Efeutute, daneben wachsen Kakteen nebst Aloe vera in bunten Töpfen. Geigenfeige, Bogenhanf, Monstera und geschätzte 100 weitere Pflanzen haben auf den paar Quadratmetern Platz gefunden. Möbel? Fast schon Nebensache. Klotzen, nicht kleckern ist das Gebot der Stunde. Das Ziel: ein "Urban Jungle" wie auf Instagram bei den sogenannten Plantfluencerinnen und Plantfluencern. Den Trend gab es schon vor Corona. Die Pandemie hat ihn befeuert.

Den Run auf die Pflanzen bemerkt Robert Zeillinger mit seinem Shop Exotic Plants in Blumau-Neurißhof schon seit 2019. Begehrt sind bei ihm Hoyas-Arten, also Wachsblumen mit bunten Blüten und starkem Duft. Aber auch andere "Großmutterpflanzen", wie Zeillinger sie nennt, etwa die Monstera. Allerdings schaut diese heute anders aus als bei Oma: Es gibt Varianten mit gelben, orangen, roten oder auch gemusterten Blättern, bei denen durch einen genetischen Defekt oder als Folge einer Virusinfektion das Chlorophyll fehlt.

Tausend Euro

Der Hype hat zu einer regelrechten Goldgräberstimmung geführt. Online werden auch einmal tausend Euro für kleine unbewurzelte Stammstücke vermeintlicher Raritäten verlangt. Zeillinger vergleicht das mit dem Tulpen-Hype im 17. Jahrhundert: Damals wurden Tulpenzwiebeln für viel Gold gehandelt, bis der Hype zusammenbrach.

David Prehsler vom Botanischen Garten der Universität Wien findet gut, dass sich Menschen der Botanik widmen. "Aber oft geht es nicht mehr um die Beschäftigung mit der Pflanze und die Freude daran", sagt er. "Es geht um Kohle, Prestige und Angeberei." Vermeintliche Raritäten würden in Massen produziert, irgendwann seien genug Setzlinge im Umlauf. Und wenn mehr Angebot als Nachfrage vorhanden ist, funktioniert die Botanik wie der Wohnungsmarkt: Die Blase platzt.

Warum ist ausgerechnet die Monstera hip geworden? "Die ist einfach toll", sagt Prehsler – und sie passt auf jede Retro-Kommode. Aber sie hat auch die richtige Wachstumsgeschwindigkeit, weil sie nicht zu schnell, aber auch nicht so langsam wächst, dass man seinen grünen Daumen hinterfragen muss. Robust ist sie obendrein. Und wenn man klassisch mit grünen Blättern vorliebnimmt, kriegt man sie als Setzling im Freundeskreis.

Achtung, Schimmel

Mit anderem Grünzeug haben botanisch Ungeübte weniger Freude: "Riesenblättrige Anthurien kommen aus klatschnassen Regenwäldern", sagt Prehsler. In trockener Heizungsluft kräuseln sich die Blätter. Frustrationspotenzial haben auch Begonien. Noch etwas wird oft vernachlässigt: Pflanzen erhöhen die Luftfeuchtigkeit gewaltig. "Der Altbau verzeiht das", sagt der Bausachverständige Remeco Rainer Reichel. "Aber im Neubau sollte man mehr lüften." Sonst bildet sich in der Blumenerde Schimmel – und auch in einem Eck der Wohnung.

Um das zu vermeiden, sollte die Blumenerde überprüft werden. Bei einem modrigen Geruch ist sie eventuell von Schimmelpilzen befallen, sagt Manuela Lanzinger von der Umweltberatung. "Es wird immer zu viel oder zu wenig gegossen, das ist ein großes Problem der Zimmerpflanzenpflege."

Noch ein Problem: Sind die Pflanzen geschwächt, kommen Schädlinge. Spinnmilben und Trauermücken (siehe Kolumne links) sind der Albtraum jedes Urban Gardeners. Prehsler versteht das: "Aber es wäre schön, wenn das Interesse an Pflanzen mit einer gewissen Relaxtheit mit der Natur einhergeht." Wer will, dass die Pflanze gesund bleibt, sollte sich schon vor dem Kauf Gedanken zu den Lichtverhältnissen in der Wohnung machen.

Spannend wird nun, welche Pflanze als Nächstes zum Must-have auserkoren wird. Vielleicht, mutmaßt Zeillinger, sind es Bromelien, Begonien oder Sansevierien. Letztendlich sollte das Ziel immer sein, eine Pflanze zu finden, die einen interessiert, auch wenn der Hype vorüber ist. Das kann auch der gute alte Gummibaum sein. (Franziska Zoidl, 28.11.2021)