In Wien ist die Impfung der 5 bis 11-Jährigen bereits möglich. Tirol will jetzt nachziehen.

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Die Kinderimpfung beschäftigt aktuell viele Eltern. Von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA ist sie noch nicht zugelassen, diese Bestätigung soll laut Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am 24. November kommen. Das Nationale Impfgremium wird dann wohl nachziehen. Einen schnelleren Weg ist Wien gegangen, in der Bundeshauptstadt werden die Fünf- bis Elfjährigen bereits seit Montag geimpft – nach besonders genauer Aufklärung. Diesem Beispiel will Tirol jetzt folgen.

Doch Eltern haben viele Fragen rund um die Kinderimpfung. Welche Dosis wird verabreicht? Wie steht es um Impfreaktionen? Und wann kommt die Impfung für die ganz Kleinen? DER STANDARD hat mit dem Kinderarzt Volker Strenger von der Klinischen Abteilung für pädiatrische Pulmonologie und Allergologie an der Medizinischen Universität Graz gesprochen.

Frage: Wie genau funktioniert die Kinderimpfung?

Antwort: Die Fünf- bis Elfjährigen bekommen zwei Impfungen mit dem gleichen Impfstoff von Biontech/Pfizer wie die Erwachsenen, allerdings in einer anderen Konzentration, um eine niedrigere Dosis leichter verabreichen zu können. Diese beträgt ein Drittel der Erwachsenendosis. "Die Dosis hängt nicht mit dem Gewicht zusammen, sondern mit dem Alter. Man testet in den Zulassungsstudien aus, welche Dosis die beste Anregung des Immunsystems mit den wenigsten Nebenwirkungen hat, und nähert sich so der idealen Menge an", erklärt Strenger. Wäre die Dosis höher, müsste man wohl auch mit mehr Impfreaktionen rechnen. Ein Drittstich ist derzeit noch kein Thema, das wird erst beurteilt, wenn man dazu ausreichend Daten gesammelt hat.

Sorgen machen muss man sich nicht. Tatsächlich sind die Covid-Impfungen viel besser untersucht als viele andere, da in so kurzer Zeit so viele Dosen unter genauer Beobachtung verimpft wurden, betont Strenger – auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird.

Frage: Wie sind die Impfreaktionen bei den Kindern?

Antwort: Die sind vergleichbar mit jenen von Erwachsenen. Was die Gefahr der seltenen Nebenwirkung Myokarditis anbelangt, liegen noch nicht ausreichend Daten vor. Tatsächlich ist eine Herzmuskelentzündung eine sehr seltene Nebenwirkung, die vor allem Jugendliche und junge Erwachsene betrifft und die durch eine Corona-Erkrankung deutlich häufiger ausgelöst wird als durch eine Impfung, wie Studien zeigen, etwa diese und diese, die im New England Journal of Medicine publiziert wurden. Um das Risiko für die Fünf- bis Elfjährigen abschätzen zu können, müssen erst große Gruppen dieser Altersklasse geimpft werden, so selten tritt diese Nebenwirkung auf. Pädiater Strenger ist aber zuversichtlich, weil in dieser Altersgruppe eine Myokarditis generell nicht so verbreitet ist wie bei Jugendlichen.

Frage: Soll man sein Kind impfen lassen?

Antwort: Es stimmt, dass man die Bedrohung von Kindern durch die Krankheit nicht mit jener von Erwachsenen vergleichen kann, viele merken Corona gar nicht. Aber man kann es eben nicht im Vorhinein sagen, betont Strenger: "Es gibt zwei Hauptgründe, um zu impfen: die überschießende Immunantwort, die einige wenige Kinder Wochen nach der Infektion haben und die auch mit einem Risiko für Myokarditis einhergeht; und es gibt Kinder, die längere Zeit an einer Infektion laborieren, Long-Covid-ähnliche Symptome haben, etwa Husten, Müdigkeit oder mangelnde Belastbarkeit, und das noch Wochen oder sogar Monate nach der Infektion." Diese Komplikationen scheinen bei Kindern häufiger zu sein als schwere Akutverläufe.

Strenger betont auch, dass man die Corona-Impfung in Relation zu anderen Immunisierungen setzen muss: "Man impft auch gegen Virusdurchfall, und an dieser Krankheit sterben im Normalfall keine Kinder. Man impft ja nicht nur gegen todbringende Krankheiten, sondern auch gegen jene, die sehr unangenehme Folgen haben können." Der Kinderarzt weist auch auf die psychische Gesundheit hin: "Ich würde Kinder nicht impfen, um die Erwachsenen zu schützen, das müssen die schon selbst tun. Aber man kann dadurch erreichen, dass es weniger Cluster in Schulen und weniger Klassenquarantänen gibt. Und das ist sehr wünschenswert." Sowohl das Bildungsministerium als auch die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde wollen Schulschließungen verhindern, da diese eher Schaden bringen als Nutzen.

Frage: Ist es sinnvoll, dass Wien und demnächst Tirol bei der Impfung der Fünf- bis Elfjährigen vorpreschen?

Antwort: Strenger betont, dass es sehr wünschenswert ist, dass für Kinder eine gut geprüfte und sichere Impfung zur Verfügung steht: "Das sieht die FDA in den USA so, und warum sollte es für europäische Kinder anders sein? Man hätte natürlich auch die wenigen Wochen abwarten können, bis die EMA grünes Licht gibt, aber es ist in Ordnung, dass man es für jene Eltern zur Verfügung stellt, die das für ihre Kinder wollen." Mittlerweile hat man viele Erfahrungen bei den ab Zwölfjährigen gesammelt und kennt die Daten und Erfahrungen aus den USA, die vorhandenen Daten sind also sehr gut geprüft. Strenger selbst würde aber mit seiner Empfehlung abwarten, bis die Impfung auch von der EMA empfohlen ist. Das habe auch den Vorteil, dass noch mehr Daten vorhanden seien – aber auch den Nachteil, dass die Kinder bis dahin nicht geimpft sind.

Frage: Wie sieht es mit der Impfung für die unter Fünfjährigen aus?

Antwort: Da muss man die Daten erst abwarten, jetzt ist es noch zu früh für eine Aussage dazu. Strenger erklärt, dass man sich da herunterhanteln muss. Man sieht jetzt die Erfahrungen der älteren Kinder, parallel laufen die Studien für jüngere Gruppen ab sechs Monaten bis zu vier Jahren. Man muss diese Entscheidung auch nicht jetzt treffen, es gibt dazu permanent neue Erkenntnisse, die es abzuwarten gilt. (Pia Kruckenhauser, 18.11.2021)