Schwall und Sunk sind Ursache für ein Massensterben von Jungfischen. Nicht nur im Tiroler Inn.

Foto: Christoph Walder

Innsbruck – Je nach Strombedarf variiert die Wassermenge, die Kraftwerke aus Stauseen oder Speichern ablassen. Das führt zum sogenannten Schwall und Sunk im Flussverlauf hinter diesen Kraftwerken. Das heißt, der Wasserpegel im Fluss steigt oder sinkt rapide. Wie eine neue Dokumentation aus Tirol – DER STANDARD berichtete – aufzeigt, sorgen diese teils enormen Pegelveränderungen, die über einen Meter betragen können, für ein Fischsterben großen Ausmaßes im Tiroler Inn. Denn Jungfische ziehen sich während hoher Pegelstände an die ruhigeren Uferbereiche zurück. Sinkt der Pegel wieder, sind sie oft in kleinen Gumpen, die sich bilden, gefangen und verenden dort.

"Das schnelle drastische Steigen und Sinken des Wasserspiegels in den Flüssen verursacht den Tod von bis zu 200 Millionen Jungfischen und Fischlarven pro Jahr in Österreich", sagt Bettina Urbanek, Gewässerschutzexpertin beim WWF. Die Naturschutzorganisation präsentierte gemeinsam mit Ökobüro und dem Fischereiverband Tirol eine neue Rechtsstudie zur Schwall-Sunk-Belastung durch Wasserkraftwerke. Darin kommt man zu dem Schluss, diese stelle einen Verstoß gegen das Tierschutzrecht dar, weil auch Jungfische den Schutz auf ihr Leben genießen.

Fischer um Fischbestand besorgt

Der Kraftwerksbetrieb stelle keinen triftigen Grund dar, der dieses Massensterben rechtfertige, sagen die Umweltschützer. Seitens des Tiroler Fischereiverbandes verweist Zacharias Schähle auf den Ernst der Lage: "Schon jetzt beträgt der Fischbestand im Inn über weite Abschnitte nur mehr 20 Prozent des Sollzustandes."

Seitens der Tiroler Wasserkraft AG (Tiwag) sei man sich der Problematik bewusst, wie Vorstandsdirektor Johann Herdina erklärt: "Uns ist klar, dass es ein Thema ist, und wir negieren das auch nicht." Herdina verweist auf die Maßnahmen, die man bei drei aktuellen Kraftwerksprojekten setze, indem Ausgleichsbecken geschaffen werden, die die Pegeländerungen abmildern sollen. Insgesamt investiere die Tiwag mehr als 180 Millionen Euro in den kommenden Jahren für diese Maßnahmen und Revitalisierungsprojekte. Und Herdina merkt an, man würde nicht so viel Geld in die Hand nehmen, wenn dies nicht auch Nutzen bringen würde.

Stütze der Energieversorgung

Zudem verweist man seitens der E-Wirtschaft darauf, dass die Speicherkraftwerke unabdingbar für die Stromversorgung seien, weil sie Schwankungen im Stromnetz ausgleichen, was andere Energiequellen, wie Windkraft oder Solaranlagen, noch nicht leisten könnten.

Für die Umweltschützer ist das dennoch nicht ausreichend, wie es dazu seitens des WWF heißt. Wenn der Schwall verringert wird, löse das nämlich nicht das Problem. Zugleich würde man für das Ausgleichskraftwerk "viel Wasser aus dem Fluss ausleiten, was zu weiteren Belastungen führt". Mit echten Sanierungen, wie sie von der EU-Wasserrechtslinie bis spätestens 2027 vorgeschrieben werden, habe das nichts zu tun. Daher fordern WWF und Fischereiverband ein "Jungfischfenster", also eine neunwöchige Schonzeit im Mai und Juni, in der keine Schwall- und Sunk-Belastung passieren soll, damit sich die Jungtiere entwickeln können. (Steffen Arora, 18.11.2021)