Kinder blicken auf die polnische Grenze.

Foto: AFP/MAXIM GUCHEK

Białystok/Grodno/Vilnius – Die EU hat Hilfslieferungen für die in Belarus festsitzenden Migranten angekündigt. In einem ersten Schritt sollen Nahrung, Decken und andere Güter im Wert von 700.000 Euro an die Grenze zu Polen gebracht werden, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch mit. "Wir sind bereit mehr zu tun", ergänzte sie. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel telefonierte das zweite Mal binnen drei Tagen mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko.

Nach Auskunft von Merkels Sprecher forderte sie Lukaschenko auf, die Hilfen der EU und der Vereinten Nationen zuzulassen. Es gehe für die betroffenen Menschen um humanitäre Versorgung und um Möglichkeiten, in die Heimatländer zurückzukehren.

Seehofer reist nach Warschau

Am Donnerstag sollen irakische Migranten in einem ersten Flug von Belarus in ihre Heimat gebracht werden, meldete die russische Nachrichtenagentur Ria unter Berufung auf den irakischen Botschafter in Moskau. Nach Angaben des deutschen Außenministeriums haben sich 170 Iraker an der belarussisch-polnischen Grenze für eine "zeitnahe Rückführung" gemeldet. Laut dem deutschen Innenministerium hat sich die Lage an der deutsch-polnischen Grenze entspannt. Die Zahl in Brandenburg ankommender Migranten sei in den vergangenen Tagen niedriger gewesen, sagte ein Ministeriumssprecher.

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer kündigte an, am Donnerstag nach Warschau zu reisen, um Gespräche mit der polnischen Regierung über die Belarus-Krise zu führen. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte mit, Merkel habe mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki telefoniert. Thema sei die Abstimmung über die Situation an der Grenze zwischen Belarus und der EU gewesen, Merkel habe die volle deutsche Solidarität mit Polen unterstrichen.

Angespannte Lage

In dem Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen warten nach wie vor Tausende Menschen vor allem aus dem Nahen Osten und Afrika bei frostigen Temperaturen darauf, nach Polen und damit in die EU gelangen. Polen hat nach offiziellen Angaben mittlerweile mehr als 20.000 Sicherheitskräfte im Grenzgebiet in der Region der Stadt Kuźnica stationiert, um illegale Einreisen zu verhindern. Die EU wirft Lukaschenko vor, als Vergeltung für Sanktionen gezielt Migranten einfliegen zu lassen, um sie dann weiter nach Polen einzuschleusen. Die belarussische Regierung weist dies zurück.

Polen zeigt sich weiter besorgt. Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak sagte im Radio, er rechne damit, dass die Spannungen an der Grenze Monate andauern werden. Am Dienstag war es zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen. Polnische Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer ein, Migranten warfen von belarussischem Gebiet aus mit Steinen.

Polen will Grenze abschirmen

Polens Parlament hat am Mittwoch indes einem Gesetz zum Schutz der Grenze zugestimmt, das eine zeitweise Einschränkung der Bewegungs- und Pressefreiheit in der Grenzregion möglich machen soll. Eine deutliche Mehrheit von Abgeordneten stimmte für die Novelle der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Nach der Abstimmung geht der Gesetzesentwurf nun noch in den Senat. Dieser kann Änderungsvorschläge machen. Vertreter der Opposition kritisierten, die Regierung wolle angesichts der Krise den Zugang von kritischen Journalisten dauerhaft blockieren.

Polen hatte Anfang September für einen Streifen von drei Kilometern entlang der Grenze zu Belarus den Ausnahmezustand verhängt. Ortsfremde, Journalisten und Hilfsorganisationen dürfen nicht in diese Zone. Der Ausnahmezustand läuft am 2. Dezember aus und kann laut Verfassung nicht mehr verlängert werden. Die Gesetzesnovelle sieht nun vor, dass künftig der Innenminister bei einer Gefahrenlage allen Ortsfremden den Zugang zu einem von ihm definierten Grenzgebiet verbieten kann. Über Ausnahmen – besonders für Journalisten – soll der örtliche Kommandant des Grenzschutzes entscheiden. (APA, dpa, red, 17.11.2021)