AK-Bildungsexpertin Ilikim Erdost sieht noch zu wenige etablierte Möglichkeiten für ein hybrides Studium.

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Drei Semester: Das sind ein halbes Bachelorstudium und drei Viertel eines Masterstudiums. So lange waren die meisten Studierenden nicht an der Uni. Im aktuellen Wintersemester hat sich das für einige geändert: Die meisten Hochschulen starteten mehrheitlich mit Präsenzkursen ins neue Studienjahr.

Erleichterung ging durch die Studierendenschaft: Endlich wieder vor Ort studieren, gemeinsam in der Mensa zu Mittag essen oder mit der Studienkollegin im Lesesaal lernen. Wenngleich das Studieren noch lange nicht so wie vor der Pandemie ist. Und obwohl die Unis trotz des aktuellen Infektionsgeschehens beteuern, im aktuellen Modus bis zum Semesterende weiterzumachen.

Doch wie finden das die Studierenden eigentlich? Und wie geht es ihnen nach dem durchgehenden Distanzmodus? Das wollte die Arbeiterkammer Wien (AK) wissen. In ihrem Auftrag befragte das Ifes-Institut – in Kooperation mit der Österreichischen HochschülerInnenschaft – in der ersten Uniwoche des Wintersemesters 991 Studierende. Die Erhebung liegt dem STANDARD vor. Eine der Antworten: Rund zwei Drittel der Studierenden sind mit dem derzeitigen Präsenzausmaß zufrieden. 45 Prozent hätten aber gern mehr Unterricht vor Ort – vor allem jene, die an einer Uni sind (siehe Grafik unten).

Onlinekurse

Das Onlineangebot ist für jeden Zweiten hinreichend. "Die unterschiedlichen Wege, die Hochschulen einschlagen, stoßen auf unterschiedlichen Widerhall", sagt Ilkim Erdost, Leiterin der Bildungsabteilung bei der AK Wien. Die eine Gruppe fühle sich isoliert, die andere könne mit der Flexibilität der Onlinekurse Uni und Job besser vereinen. Insgesamt gebe es laut Erdost "noch viel zu wenige Möglichkeiten, hybrid zu studieren".

Haben sich die Studienbedingungen also verbessert oder verschlechtert seit der Pandemie? Für rund ein Viertel der Studierenden ist es besser geworden, rund ein Drittel beurteilt die Bedingungen im Vergleich zur Zeit davor als schlechter. Letzteres Ergebnis trifft laut der Ifes-Umfrage in überdurchschnittlichem Maß die Unis. Jene, die im vierten Semester oder weiter sind, bemerkten da im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit eine Verschlechterung. Die Gründe dafür seien vielfältig: schlechte Organisation und Information, Überforderung der Lehrenden, Verschiebungen von Tests oder fehlende eigene Motivation.

Finanzielle Sorgen

Bildungsexpertin Erdost bereitet vor allem die finanzielle Situation der Studierenden Sorgen: "Zwischen 2015 und 2019 hat sich das Einkommen der Studierenden nur um 1,1 Prozent verbessert. Gleichzeitig sind ihre Kosten um rund drei Prozent gestiegen. In der Pandemie hat sich die Lage weiter verschlechtert."

Immerhin arbeiten rund 60 Prozent der Studierenden neben dem Studium – viele von ihnen haben wegen Corona den Job verloren oder waren in Kurzarbeit. In Summe waren 35 Prozent der Befragten wegen Corona von negativen Berufs- bzw. Einkommensfolgen betroffen.

Laut eigenen Angaben hat ein Fünftel der Studierenden Schwierigkeiten mit laufenden Ausgaben. Weitere 35 Prozent bezeichnen ihre finanzielle Lage als "mittel", für knapp gleich viele ist die Lage "eher gut". Doch die Geldsorgen resultieren nicht nur aus dem Jobverlust, sondern auch aus Einkommensverlust der Eltern, zeigt die Befragung.

Geldspritze von Eltern

Ein Viertel der Studierenden sagt, dass sich die finanzielle Lage der Eltern Corona-bedingt verschlechtert habe. Für sie erschwerte sich laut der Umfrage die Lebenslage in überdurchschnittlichem Maß. Bei der Mehrheit hat sich an der elterlichen Geldspritze aber wenig geändert. Ein Viertel hat bereits zuvor keine Hilfe bekommen – das trifft gerade auf jene zu, die als Erste in der Familie studieren. Erdost plädiert daher – eine alte AK-Forderung – für einen "massiven Ausbau der Stipendien, gerade für jene, die sich kein Vollzeitstudium leisten können".

Die Österreichische Hochschüler_innenschaft (ÖH) sieht in den Zahlen zur sozialen Lage der Studierenden ihre Befürchtungen bestätigt. ÖH-Chefin Sara Velić sagt zum STANDARD: "Es zeigt sich, dass die Studierenden von der Regierung einfach ignoriert wurden. Wir brauchen dringend ein sicheres, soziales Auffangnetz durch Erhöhung und Ausbau der Studienbeihilfe." Dass in der Studie insgesamt 75 Prozent sagten, dass die Studierenden von der Politik im Stich gelassen würden, wertet Velić als "Armutszeugnis für die Regierung". (Selina Thaler, 18.11.2021)