Immer mehr Länder haben einen größer werdenden ökologischen Fußabdruck. Soziale Verbesserungen gehen damit oft nicht einher.

Foto: APA/Greenpeace/Nathalie Behring

Mehr Wachstum, mehr Wohlstand. In einem Land, das gut wirtschaftet, geht es der Bevölkerung langfristig automatisch besser. Diese Formel wurde lange als gegeben angesehen, und bis zu einem gewissen Grad ist das auch richtig. Allerdings geht Wachstum aktuell mit einem steigenden Ressourcenverbrauch einher – und dieser führt nicht zwangsläufig zu sozialen Verbesserungen. Das zeigt eine Studie, die Donnerstag im Fachmagazin "Nature Sustainability" veröffentlicht wurde.

Das Forschungsteam untersuchte 140 Länder zwischen 1992 und 2015. In diesem Zeitraum ist die Anzahl der Länder, deren Ressourcenverbrauch ihre natürlichen Grenzen sprengt, gestiegen. Gleichzeitig gab es nur wenige soziale Verbesserungen. Ein größerer ökologischer Fußabdruck bringt zwar unter anderem eine höhere Lebenserwartung oder erleichtert den Zugang zu Bildung, Ungleichheiten können damit allerdings kaum aufgelöst werden. Im Gegenteil: Die soziale Unterstützung und die Vermögensgerechtigkeit waren in vielen Ländern rückläufig.

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten die historische Dynamik von elf sozialen und sechs biophysikalischen Indikatoren anhand des "doughnut-förmigen" Modells, auch bekannt unter dem Begriff "Donut-Ökonomie". Diese wirtschaftswissenschaftliche Theorie geht auf Kate Raworth zurück und beschäftigt sich mit sozialen und planetaren Grenzen. Man geht davon aus, dass innerhalb dieser Grenzen ein Handlungsraum entsteht, der ein sicheres und gerechtes Zusammenleben ermöglicht.

Globaler Ressourcenverbrauch anhand der untersuchten Indikatoren in Relation zu den sozialen und ökologischen Grenzen 2015.
Foto: Andrew Fanning et al./Nature Sustainability

Überschreitung planetarer Grenzen

Die aktuelle Studie zeigt, dass kein Land die Grundbedürfnisse seiner Bewohnerinnen und Bewohner befriedigen und gleichzeitig den Ressourcenverbrauch auf einem Niveau halten kann, das annähernd nachhaltig ist.

1992 lagen die CO2-Emissionen von 68 Prozent der untersuchten Länder innerhalb der ökologischen Grenzen. 2015 waren es nur noch 15 Prozent. Einen halbwegs annehmbar großen ökologischen Fußabdruck seiner Bewohnerinnen und Bewohner verzeichneten 1992 51 Prozent der Staaten, im Jahr 2015 waren es nur noch 34 Prozent. Beim Rohstoffbedarf sieht es ähnlich aus. Blieben in den 1990ern noch 61 Prozent im ökologischen Rahmen, waren es im Vergleichszeitraum nur noch 47 Prozent.

Wie stark die planetaren Grenzen von den einzelnen Ländern überschritten werden, zeigt auch der jährliche Erdüberlastungstag ("Earth Overshoot Day"). 2021 fiel er weltweit auf den 29. Juli. In Österreich war es der 7. April. An diesem Datum waren alle zur Verfügung stehenden Ressourcen, die innerhalb eines Jahres regeneriert werden können, bereits aufgebraucht. Für den aktuellen Ressourcenverbrauch würde man demnach weltweit 1,75 Erden brauchen. In Österreich wären es etwa 3,5.

Über die Verhältnisse

Auch die aktuelle Studie zeigt, dass Österreich neben Deutschland oder den Niederlanden zu jenen Ländern zählt, die sehr weit über ihre Verhältnisse leben. In allen sechs biophysikalischen Indikatoren werden die Grenzen überschritten. Gleichzeitig schneidet man bei den sozialen Indikatoren gut ab. "Insgesamt tendieren Länder eher dazu, zuerst ihre ökologischen Grenzen zu überschreiten, bevor sie Ziele im sozialen Bereich erreichen", schreiben die Forschenden. Besonders Australien, Kanada und die USA sprengen ihre Grenzen deutlich.

Für die Zukunft zeichnen die Forschenden ein pessimistisches Bild. Der Trend deute darauf hin, dass sich die ökologische Krise weiter verschärfen wird, während es nicht gelinge, soziale Defizite zu beseitigen. Um die Gesundheit der Menschen und des Planeten zu schützen, seien tiefgreifende Veränderungen notwendig. (Verena Mischitz, 19.11.2021)