Lothar Wieler vom RKI hielt bereits vor knapp einer Woche eine rot gefärbte Deutschland-Karte in die Kamera. Angesichts der stark steigenden Zahlen platzte ihm nun der Kragen.

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In Deutschland werden die Corona-Maßnahmen künftig am Hospitalisierungsindex ausgerichtet. Je stärker die Kliniken belastet sind, desto schärfer werden die Regeln. Darauf haben sich Kanzlerin Angela Merkel und die Chefs der 16 Bundesländer am Donnerstag geeinigt. Sie trafen sich wieder einmal in diesem Format, weil auch in Deutschland die Zahl der Corona-Neuinfektionen stark ansteigt und viele Spitäler schon an ihrer Belastungsgrenze sind.

"Wir sind in einer sehr ernsten Situation. Es ist wirklich absolut Zeit zum Handeln", sagte Merkel, bevor sie folgende Regelungen verkündete: Bei einem Hospitalisierungswert von 3 wird in dem entsprechenden Bundesland 2G eingeführt. Dann dürfen nur noch Genesene und Getestete in Lokale, Kinos, Museen, Theater etc.

Drei neue Stufen

Für die Hospitalisierungsrate erfasst das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldete Krankenhausaufnahmen von Corona-Patienten pro 100.000 Einwohner in einem Sieben-Tage-Zeitraum. Derzeit liegt die Rate im Schnitt bei 5,3. Darunter liegen nur Hamburg, Niedersachsen, das Saarland, Schleswig-Holstein und Bremen. Der bisherige Höchstwert lag mit 15,5 um Weihnachten 2020.

Steigt der Wert auf 6, dann kommt 2G-Plus (Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene) eingeführt. Ab der Zahl 9 können die Bundesländer auch Kontaktbeschränkungen erlassen oder Veranstaltungen verbieten. Zudem wollen Merkel und die Länder Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeheimen zur Corona-Impfung verpflichten.

Am Vormittag, vor den Beratungen im Kanzleramt, ist im Bundestag das erste Gesetzesvorhaben der Ampelkoalitionäre beschlossen worden. Das neue Infektionsschutzgesetz bringt den Deutschen 3G am Arbeitsplatz und in Bussen sowie Bahnen. Man muss entweder geimpft, genesen oder getestet sein.

Zudem will die Ampel verpflichtende Tests in Alten- und Pflegeheimen und Pflicht zum Homeoffice. Mit dem neuen Gesetz endet aber auch die "epidemische Notlage nationaler Tragweite". Diese war die Grundlage für viele bisherige Bund-Länder-Verordnungen, weshalb die Union scharfe Kritik übt.

Die SPD hingegen erklärt, die Länder hätten selbst ausreichend Instrumente. Und dass es keinen Lockdown mehr geben solle.

65.000 Neuinfektionen

Auch in Deutschland ist die Zahl der Neuinfektionen stark angestiegen. Am Donnerstag meldete das RKI erstmals 65.000 Neuinfektionen an einem Tag – vor einer Woche waren es 50.000. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 336,9.

Angesichts der Entwicklung sagte der sonst zurückhaltende RKI-Chef Wieler: " Wir werden wirklich ein sehr schlimmes Weihnachtsfest haben, wenn wir jetzt nicht gegensteuern. Die Prognosen sind superdüster. Sie sind richtig düster."

Wieler geht davon aus, dass die Dunkelziffer bei den täglichen Neuinfektionen "mindestens noch einmal doppelt oder dreifach" so hoch ist. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rechnet, dass es derzeit tatsächlich rund 100.000 Neuinfektionen pro Tag gebe.(Birgit Baumann, 18.11.2021)