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Natalie und Mordi Oknin sind nach mehr als einer Woche Haft in der Türkei wieder daheim in Israel.

Foto: AP/Ariel Schalit

"Uns ist ein Chanukkawunder geschehen", rief Natalie Oknin nach acht Tagen und acht Nächten in einer Gefängniszelle in der Türkei. Genau zehn Tage vor dem jüdischen Chanukkafest durften die 44-Jährige und ihr Mann Mordi wieder israelischen Boden betreten. Die Oknins, zwei Busfahrer aus Modiin, waren aus ihrem Kurzurlaub in Istanbul nicht nach Israel zurückgekehrt.

Da sie von einem Sendeturm aus den Dolmabahçe-Palast fotografierten und das Foto in sozialen Medien teilten, nahmen türkische Sicherheitskräfte das Paar und seinen türkischen Reiseleiter fest. In dem Palast residiert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, es herrscht ein strenges Fotografierverbot, das in diesem Fall auch exekutiert wurde.

Tagelang hatten sich hochrangige israelische Vertreter vergeblich bemüht, Ankara zur Freilassung der Oknins zu bewegen. Noch am vergangenen Dienstag hatte der türkische Innenminister Süleyman Soylu die Vorwürfe gegen die beiden Israelis bekräftigt: Das Paar sei jedenfalls nicht unschuldig, sagte er.

Sie hätten den Palast nicht einfach nur fotografiert, sondern das Gebäude auf dem Foto auch "markiert", sagte Soylu laut einem Bericht der Zeitung "Cumhuriyet". "Man kann dazu auch politische und wirtschaftliche Spionage sagen", so der Minister. "Ein Gericht wird darüber entscheiden."

Anruf vom Außenminister

Bis Mittwochnachmittag war völlig unklar, wie lang das Paar in Haft bleiben würde. Israel schickte neben diplomatischen Vertretern auch den Auslandsgeheimdienst Mossad ins Rennen. Über Nachrichten wurde teils die Zensur verhängt, um die heiklen Verhandlungen nicht zu gefährden. Am späten Mittwochnachmittag gelang schließlich der Durchbruch. Die Familienangehörigen der Gefangenen ereilte ein Anruf von Außenminister Yair Lapid: Das Paar werde noch am selben Tag aus dem Gefängnis entlassen und von Vertretern des israelischen Außenministeriums in Empfang genommen.

Da diese Zusage Ankaras auf äußerst wackeligen Beinen stehe und jeder Medienbericht die Aktion gefährden könnte, beharrte man auf absolutem Stillschweigen. Was dann auch geschah: Die erfolgreiche Rückkehr des Paars wurde erst publik, als Natalie und Mordi Oknin bereits in Tel Aviv gelandet waren. Sie waren in den frühen Morgenstunden des Donnerstags mit einem Regierungsjet eingeflogen worden.

In Israel wird beteuert, es habe "keinen Deal" mit der Türkei gegeben, reine Überzeugungskraft habe das Einlenken Ankaras bewirkt. Dass eine dritte Partei mediiert haben könnte, wird ebenfalls dementiert. Immerhin machte die Affäre aber möglich, was noch vor wenigen Tagen in weiter Ferne schien: Ein Telefonat des israelischen Staatspräsidenten Yitzchak Herzog mit Erdoğan kam Donnerstagmittag zustande.

Lange Funkstille

Das letzte Mal, dass ein hochrangiger Staatsvertreter Israels mit Erdoğan kommunizierte, ist acht Jahre her. Ankara und Jerusalem befinden sich in einer diplomatischen Krise, deren Beilegung aus israelischer Sicht unter anderem wegen der Hamas-Unterstützung Ankaras nicht gerade zu den obersten Prioritäten gezählt hatte.

In dem Telefongespräch betonte Erdoğan laut Angaben der israelischen Präsidentschaftskanzlei, wie bedeutsam intakte türkisch-israelische Beziehungen für die Stabilität im Nahen Osten seien. Herzog lobte den "positiven Geist" des Telefonats und dankte Erdoğan "für seinen persönlichen Einsatz für die Rückkehr des Paars nach Israel".

Absolutes Stillschweigen gefordert

Bahnt sich nun ein Tauwetter in den türkisch-israelischen Beziehungen an? In Israel warnen Stimmen des Sicherheitsapparats davor: Ankara solle nicht auch noch dafür belohnt werden, israelische Zivilisten als Geiseln für politische Forderungen zu verwenden. Die Tatsache, dass der israelische Außenminister persönlich mit den Familienangehörigen der Oknins sprach und sie um absolutes Stillschweigen ersuchte, ist ein Indiz dafür, wie heikel die Causa eingeschätzt wurde.

Auf Twitter sorgte die Angelegenheit für Häme. "Wer von uns hat denn noch nie zwei unschuldige Touristen gekidnappt, um die Beziehung ein wenig aufzupeppen", ätzte die israelische Journalistin Einav Galili. Die beiden Präsidenten vereinbarten laut eigenen Aussagen, weiter in Kontakt bleiben zu wollen. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 18.11.2021)