Ob man künftig noch shoppen gehen kann, soll am Freitag beschlossen werden.

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Braucht es einen Lockdown auch für Geimpfte und Genesene, um der aktuellen, vierten Coronavirus-Welle Einhalt zu gebieten? Die Standpunkte, die dazu in der Politik gerade aufeinanderprallen, könnten kaum unterschiedlicher sein – allerdings ändern sie sich auch stetig.

Beschlossene Sache ist der harte Lockdown seit Donnerstag jedenfalls in den zwei Hochinzidenz-Bundesländern Salzburg und Oberösterreich. Die beiden Länder weisen mittlerweile eine Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern von 1.740 sowie 1.591 aus. Über einen bundesweiten Lockdown für alle wird derzeit gestritten. Auf STANDARD-Anfrage hieß es am Donnerstagabend noch aus dem Kanzleramt, es werde keinen bundesweiten Lockdown geben. Neben den zwei Lockdown-Ländern haben Vorarlberg, Kärnten und Tirol die Tausendermarke bei der Inzidenz geknackt. Am Donnerstag wurde mit 15.145 Neuinfektionen ein Hoch erreicht.

Beratungen über Maßnahmen

Klar dürfte daher sein: Es wird in ganz Österreich härtere Maßnahmen im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie geben. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) ist dabei für scharfe Einschnitte: Am Sonntag sprach er sich für nächtliche Ausgangsbeschränkungen für alle aus. Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) erteilte der Maßnahme, die vor allem die Nachtgastronomie betrifft, eine Absage.

Über die steigenden Infektionszahlen berät der Bund am Freitag bei einem gemeinsamen Treffen mit den Landeshauptleuten. Zur Konferenz wurde Mückstein von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kurzfristig eingeladen. Mückstein baute dem Termin bereits vor: Am Mittwoch beriet er sich mit Expertinnen und Experten, bevor er am Donnerstag die Länder durchtelefonierte. Anschließend kam es zum Gipfel zwischen der Regierung und den Sozialpartnern.

Kontaktreduktion von 30 Prozent

Beim Treffen mit den Ländern wird der Minister weiter auf Maßnahmen zur Kontaktreduktion von 30 Prozent bei allen pochen – diese Zahl erachten auch Expertinnen und Experten als notwendig, um die Welle zu brechen. Diese könnte durch ein Bündel an Regeln erreicht werden: Homeoffice, die Ausdehnung der FFP2-Maskenpflicht, eine Vorverlegung der Sperrstunde in der Gastronomie oder Einschränkungen bei Veranstaltungen ohne Sitzplätze sollen diskutiert werden – Oberösterreich hatte bereits vergangene Woche alle Treffen mit mehr als 25 Personen abgesagt.

Obwohl Schallenberg zuletzt einen Lockdown für alle ausgeschlossen hatte, werden in den Ländern Stimmen für diesen laut: Neben den Landeschefs von Salzburg und Oberösterreich sagte etwa Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ): "Ein genereller, kurzer, aber harter Lockdown ist aufgrund der dramatisch steigenden Zahlen zu prüfen." Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) schloss im STANDARD-Interview den Bundes-Lockdown nicht aus. In Niederösterreich hatte man sich zuletzt oft an Wien orientiert.

Ludwig und Doskozil für Lockdown

Am Donnerstagabend hieß es dann in einem Statement des Stadt-Chefs: "Die Corona-Situation in Österreich ist dramatisch. Das Infektionsgeschehen im Land entwickelt sich stark steigend." Er wies darauf hin, dass Wien derzeit die niedrigste Inzidenz verzeichne. "Doch die Dynamik nimmt weiter an Fahrt auf und wir sind mit einem generellen Anstieg der Corona-Zahlen in ganz Österreich konfrontiert. Von dieser dynamischen Entwicklung kann sich kein Bundesland abkapseln", sagte Ludwig. Und: "In einer solchen Situation braucht es rasch bundeseinheitliche Regelungen – damit die Spitalsinfrastruktur in ganz Österreich bestmöglich geschützt wird und eine funktionierende Gesundheitsversorgung für alle im ganzen Land sichergestellt ist."

Die Regelungen "müssen ganz konsequent sein. Ziel muss sein, die Kontakte für einige Wochen massiv zu reduzieren, um damit die Infektionszahlen nachhaltig einzudämmen. Wir müssen jetzt alle gemeinsam mit Entschlossenheit handeln, denn es geht um Menschenleben", sagte Ludwig.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) ging ebenfalls davon aus, dass es nach dem Treffen am Freitag zu einen bundesweiten Lockdown kommt und appellierte an die Solidarität.

Oberösterreich ging voran

Die Kehrtwende in Sachen Lockdown kam in Oberösterreich recht überraschend. Am Beginn stand in der Sitzung des oberösterreichischen Landtags eine Anfrage der Neos an Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP). Dem Vorwurf, man habe im Sommer taktiert, folgte die Frage der Pinken, was man nun plane, um das Corona-Krisenmanagement anzutreiben. Stelzer verkündete daraufhin einen Lockdown in Oberösterreich und Salzburg ab Montag.

Am Nachmittag berief Stelzer das medizinische Expertenboard des Landes zum Krisengipfel ein. Im Anschluss wurden die Eckpunkte der mehrwöchigen "Auszeit" präsentiert: Gastro- und Hotelbereich werden geschlossen, Take-away-Angebote sind möglich. Im Handel sind bis auf Supermärkte, Apotheken und Tierfachgeschäfte alle Bereiche geschlossen. Für ein Modell, bei dem zumindest körpernahe Dienstleister aufsperren dürfen, fand sich aufgrund der hohen Infektionszahlen bei den Experten keine Mehrheit.

Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hatte sich am Dienstag noch gegen einen Lockdown für alle ausgesprochen, um ebendiesen am Donnerstag anzukündigen. Ob der hohen Auslastung der Spitäler gebe es keine Alternative mehr. "Wir haben uns sehr bemüht, diesen Schritt nicht zu gehen. Jetzt bleibt uns keine andere Wahl", sagte Haslauer. "Es ist ein strenger Lockdown, der über unser Ersuchen vom Bund – mit Zustimmung des Hauptausschusses verhängt werden soll", sagte er. Die Verordnung werde Grundlage sein für andere Länder, die allenfalls in einen Lockdown gehen müssen. Die Dauer sei noch nicht fix, Haslauer hofft, dass Salzburg bis Weihnachten aus dem Lockdown kommt. Weil Salzburg auch bei den Schulen eine extreme Entwicklung habe, blieben diese nur für jene Schülerinnen und Schüler offen, die einen Betreuungsbedarf hätten oder Lernschwächen haben.

Offene Schulen

Dem widersprach das Bildungsministerium: Die Schulen bleiben in Salzburg und Oberösterreich offen. Auch der Unterricht werde dort vor Ort stattfinden. Allerdings seien Schülerinnen und Schüler, die wegen der hohen Corona-Neuinfektionen die Schule nicht besuchen wollen, entschuldigt. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hatte sich zuvor für offene Schulen ausgesprochen. Aus epidemiologischer Sicht werde "nirgends so systematisch getestet" wie in den Bildungseinrichtungen, heißt es gegenüber dem STANDARD aus dem Ministerium. In Oberösterreich und Salzburg werden jedoch strengere Hygieneregeln kommen, etwa eine Maskenpflicht für alle Schulstufen. (Oona Kroisleitner, Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep, 18.11.2021)