Austrian-Audio-Geschäftsführer Martin Seidl am Firmenstandort in Wien-Liesing.

Foto: STANDARD/Robert Newald

Der runde Geburtstag markierte zugleich das Ende. 70 Jahre nach ihrer Gründung musste die Audiofirma AKG am 30. Juni 2017 in Wien schließen. Zeit zum Trübsalblasen blieb jedoch nicht. Bereits einen Tag später sperrte der langjährige AKG-Manager Martin Seidl zusammen mit 22 der gerade gekündigten Mitarbeiter eine neue Firma auf – nur 400 Meter vom alten Standort in Liesing entfernt. Erklärtes Ziel: hochwertige Kopfhörer und Mikrofone in Österreich zu produzieren. Austrian Audio war geboren.

Vier Jahre und eine Pandemie später hat sich das Unternehmen international bereits einen Namen gemacht. Das Produktportfolio ist auf fünf Kopfhörer und fünf Mikrofone angewachsen. Letztere wurden etwa bei der Übertragung der Grammys, einer Herbert-Grönemeyer-Tour sowie dem Neujahrskonzert eingesetzt. Die Mitarbeiterzahl ist auf 54 gestiegen, das wenig schmucke Waschbetongebäude aus den 70er-Jahren platzt folglich aus allen Nähten.

Wien statt Asien

Am Firmensitz wird emsig entwickelt und getestet, aber auch zusammengebaut und gelötet, wie ein Lokalaugenschein zeigt. "80 Prozent unserer Produkte werden in Wien hergestellt. Wir peilen an, etwa 15.000 High-End-Kopfhörer im Jahr zu fertigen", erklärt Seidl im STANDARD-Interview. Die Kernprodukte nicht in Asien produzieren zu lassen habe sich als richtig erwiesen.

"Wohin diese globale Abhängigkeit führt, hat man in der Pandemie gesehen", sagt Seidl. "Wenn man das Beste aus einem Produkt herausholen will, müssen die Wege zwischen Entwicklung und Produktion zudem kurz sein. Das teure und langwierige Hin- und Herschicken nach Asien ist dann keine Option."

Neben hochwertigen Kopfhörern stellt Austrian Audio auch Mikrofone her.
Foto: Robert Newald

Punkten will Austrian Audio mit der mechanoakustischen Expertise, für die AKG jahrzehntelang bekannt war. Daneben ist heute aber auch enormes digitales Know-how gefragt, sei es für Drahtloslösungen wie Bluetooth, dreidimensionales Audio oder die Klangoptimierung und Geräuschunterdrückung in Kopfhörern.

Denn wie in der Fotografie, wo Smartphones mit ihren intelligenten Software-Algorithmen teuren Spiegelreflexkameras bereits erstaunlich nahekommen, greifen Technologiekonzerne wie Apple, Google oder Samsung auch beim Thema Audio an.

Physik bleibt Physik

"Es stimmt natürlich, dass die digitale Verarbeitung des Signals eine immer wichtigere Rolle spielt. Gleichzeitig nützt mir die beste Elektronik und der tollste Chip nichts, wenn die Akustik bzw. die Physik nicht passt", gibt Seidl zu bedenken. Austrian Audio sei in beiden Bereichen stark, wie Patente für das Gehäuse der eigenen Mikrofonkapsel, aber auch für eine Noise-Cancelling-Lösung im Kopfhörer zeigten.

Dass mit Apple ein absolutes Schwergewicht in den Markt eingestiegen ist und mit den Airpods Max sogar einen High-End-Consumer-Kopfhörer entwickelt hat, begrüßt der Austrian-Audio-Geschäftsführer: "Auch die kleineren Airpods sind im Vergleich zu anderen Stöpseln mechanisch aufwendig gemacht. Wenn eine große Firma wie Apple das Bewusstsein für einen besseren Klang schärft und so die verschandelten Ohren der frühen MP3-Generation trainiert, ist das nur gut."

In Wien-Liesing werden die hochwertigen Kopfhörer zusammengebaut und gelötet.
Foto: Robert Newald

Gleichzeitig habe Apple erst damit begonnen, sich das akustische Wissen anzueignen – teilweise auch durch den Zukauf kleinerer Firmen. Bei Austrian Audio sei es hingegen genau umgekehrt. "Wir sind quasi ein Start-up, das mit 350 Jahren an kombinierter Erfahrung gestartet ist", sagt Seidl mit Verweis auf die Expertise der ehemaligen AKG-Mitarbeiter.

Nicht nur für Profimusiker

Das positive Feedback, das Austrian Audio für die ersten beiden Kopfhörer Hi-X55 und Hi-X50 bekam, hat die Firma darin bestärkt, nicht nur im Profibereich reüssieren zu wollen. Eigentlich eher für Tontechniker, Produzenten und Musiker gedacht, wurden die Kopfhörer auch in der audiophilen Consumer-Ecke als Entdeckung gefeiert. Mit kleineren, günstigeren Modellen wie dem Bluetooth-fähigen Hi-X25BT und dem Hi-X15 soll dieser Markt gezielt angesprochen werden. Weitere Modelle sind bereits geplant.

Alle Komponenten werden genau geprüft.
Robert Newald

Nach vielen Jahren, in denen der Musikgenuss von schlechter MP3-Qualität und winzigen Kopfhörerstöpseln geprägt war, ortet Seidl eine Renaissance des guten Klangs: "Nicht jeder lässt sich die bei Handys beigelegten Drei-Dollar-Kopfhörer mehr gefallen", sagt er. Streamingplattformen wie Tidal, die auf gute Audioqualität setzen, aber auch der anhaltende Trend zu Vinyl würden zeigen, dass das Interesse an guter Audioqualität definitiv vorhanden sei: "Viele Leute haben einfach genug von dem Ramsch, mit dem man jahrelang Musik hörte."

Blick in die Audio-Zukunft

Schnelle Internetverbindungen sowie 5G würden erstmals ansprechende Datenraten für gute digitale Musikqualität garantieren. Für die Zukunft erwartet der Austrian-Audio-Geschäftsführer zudem Entwicklungen beim Thema virtueller Raumklang. Darunter versteht man eine dreidimensionale Wiedergabe, die neben dem klassischen Stereoeffekt mit links und rechts auch Reflexionen von oben, unten und Wänden des Aufnahmeorts – sei es nun die Staatsoper oder eine Freiluftbühne – wiedergibt.

Filigrane Handarbeit ist bei der Produktion gefragt.
Robert Newald

Von den Fortschritten bei der mechanischen Akustik und intelligenten Signalverarbeitung profitieren könnten künftig auch Personen mit leichten Hörbeeinträchtigungen. Denn so, wie bestimmte Frequenzen gezielt eingesetzt werden, um die Geräuschunterdrückung in Kopfhörern zu erzielen, könnte man damit auch Defizite beim Hörvermögen ausgleichen.

"Menschen, die in einem bestimmten Frequenzbereich schlecht hören, drehen den Ton gesamt lauter, was wiederum das gesamte Gehör schädigen kann. Mit künstlicher Intelligenz kann man gezielt einzelne Bereiche ausgleichen – auch mit einem Lifestyleprodukt wie einem Kopfhörer", ist Seidl überzeugt.

In einer Liga mit Bose, Sony und Apple

Bis es so weit ist, will das junge österreichische Unternehmen in gesundem Maß weiterwachsen und vier bis fünf neue Produkte pro Jahr auf den Markt bringen. "Im Profibereich wollen wir in den nächsten drei bis fünf Jahren unter den Top Five sein", sagt Seidl zum STANDARD. Auf die Frage, ob man mit namhaften Stückzahlen auch mit Bose, Sony oder Apple im Consumer-Bereich konkurrieren werde, antwortet er: "Wir werden es definitiv versuchen." (Martin Stepanek, 23.11.2021)