Ganz Österreich geht ab Montag in den vierten Lockdown.

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Ab Montag wird es für alle in ganz Österreich einen Lockdown geben. Darauf haben sich Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und die Landeshauptleute bei einem Treffen am Tiroler Achensee geeinigt. Am Vormittag wurden die Maßnahmen bei einer Pressekonferenz von Schallenberg und Mückstein gemeinsam mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) verkündet. Schon am Nachmittag kursierte ein Entwurf zu jener Verordnung, die all das regelt.

Regierung räumt Fehler ein

Kanzler Schallenberg räumte jedenfalls zunächst Versäumnisse der Regierung in der Pandemiebekämpfung ein: "Trotz monatelanger Überzeugungsarbeit ist es uns nicht gelungen, genug Menschen zu überzeugen, sich impfen zu lassen." Man sehe nun keine andere Möglichkeit mehr zum Brechen der vierten Corona-Welle als den harten Lockdown. Dieser sei nötig "zum Schutz von uns allen". Der Kanzler rückte damit von seiner wochenlang ventilierten Position ab, wonach es sicherlich keinen Lockdown für Geimpfte mehr geben werde.

Gesundheitsminister Mückstein zeigte sich froh, dass nach langem Ringen nun doch eine "gemeinsame Entscheidung" gefasst werden konnte. Er bat um Entschuldigung dafür, dass die Regierung zuletzt nicht an einem Strang gezogen hatte. Nun aber müsse man die vierte Welle entschlossen brechen.

Lockdown für alle 20 Tage lang

Ab Montag soll daher ein genereller Lockdown für alle gelten, also ganztägige Ausgangsbeschränkungen für Geimpfte und Ungeimpfte. Er soll 20 Tage dauern. Verordnet kann er allerdings – im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats – zunächst nur für zehn Tage werden. Danach soll er nach einer Evaluierung um weitere zehn Tage verlängert werden. Spätestens am Sonntag, dem 12. Dezember soll der generelle Lockdown enden, Platter sprach sogar von einem "fixen Ablaufdatum", was in Pandemiezeiten wieder einmal durchaus gewagt wirkt. In Oberösterreich soll der Lockdown jedenfalls bis 17. Dezember dauern.

Der Lockdown soll im Wesentlichen wieder so gestaltet sein wie jener im Spätherbst 2020, inklusive geschlossener Gastronomie, Freizeit- oder Kultureinrichtungen und körpernahen Dienstleistern und den bekannten Ausnahmeregeln zum Verlassen der eigenen Wohnung. Ausnahmegründe sind laut dem Verordnungsentwurf, der dem STANDARD vorliegt, die Abwendung von Gefahr, das Decken von Grundbedürfnissen, der Kontakt mit einzelnen engsten Angehörigen oder Bezugspersonen, Arbeit, Spazieren und Behördenwege. Auch wenn die Gastro zu ist, wird, wie früher, die Abholung von Speisen und Getränken erlaubt sein. Eine Abstandspflicht, wie es sie in den ersten Monaten der Pandemie gab, ist dieses Mal allerdings nicht vorgesehen.

Danach soll es auf unbestimmte Zeit eine Rückkehr zum "Lockdown für Ungeimpfte" (korrekter wäre "Unimmunisierte", weil auch Genesene ausgenommen sind) geben. Auch die 2G-Regel für die Gastronomie, Kultur etc. wird "länger bleiben", wie Mückstein in Aussicht stellte.

Aufruf, Kinder zu Hause zu betreuen, "wenn möglich"

Die Kindergärten und Schulen werden nicht geschlossen. Schulen werden weiterhin Präsenzunterricht anbieten "für alle, die es benötigen". Auf allen Schulstufen wird eine Maskenpflicht gelten, auch im Klassenraum. Es besteht keine Präsenzpflicht, vielmehr ruft die Regierung dazu auf, die Schülerinnen und Schüler "wenn möglich", zu Hause zu betreuen. Wie der Unterricht für jene funktionieren wird, die zu Hause bleiben, scheint aber noch unklar. Mehr dazu hier

Die Hochschulen entscheiden selbst über ihre Covid-Maßnahmen, viele haben aber bereits eine Umstellung auf weitgehenden Digitalbetrieb ab kommender Woche angekündigt.

Im Arbeitsleben soll Homeoffice forciert werden, allerdings wie in bisherigen Lockdowns nur per "Empfehlung". Eine FFP2-Masken-Pflicht soll für alle (nichtprivaten) geschlossenen Räume gelten, auch am Arbeitsplatz. Dort sind aber auch wieder andere Schutzvorkehrungen zulässig, wie etwa Plexiglaswände, sagte Schallenberg. 3G am Arbeitsplatz bleibt ohnedies.

Impfpflicht ab Februar 2022

Der aktuelle Lockdown helfe aber nur gegen die vierte Welle, sagte Mückstein. Um das Auf und Ab von Welle zu Lockdown endlich zu unterbinden, sei eine deutlich höhere Impfquote unabdingbar. Um die zu erreichen, will die Regierung entgegen vielfacher Ankündigungen der Vergangenheit nun doch ein generelle Covid-Impfpflicht ausarbeiten. Es habe sich leider gezeigt, dass es ohne Impfpflicht nicht gehe, sagte der Bundeskanzler.

Ein entsprechendes Gesetz soll spätestens Anfang Februar in Kraft treten, davor soll es zu den Details ein zivilgesellschaftlich breit angelegtes Begutachtungsverfahren geben. Für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen sollen, werde es etwa Ausnahmen geben. Auch steht noch nicht fest, ab welchem Alter die Impfpflicht greifen soll. Geregelt werden soll die Impfpflicht, wie ehedem die bis 1981 gültige Impfpflicht gegen Pocken, über das Verwaltungsstrafrecht. Bei Verstößen würde somit eine Geldstrafe blühen. Laut dem Entwurf zur Impfpflicht für Gesundheitsberufe, die ja schon früher kommt, gehen die Strafen bis zu 3.600 Euro bzw. bis zu vier Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Booster-Impfung ab viertem Monat

Bereits geimpfte Personen sollen sich rasch ihre Auffrischungsimpfung holen. Bei mRNA-Impfstoffen (Pfizer/Biontech, Moderna) soll der dritte Stich auch bundesweit nun schon nach vier Monaten möglich sein. Eine explizite Empfehlung zur Auffrischung nach vier Monaten gibt es bei den Vektorimpfstoffen, also Astra Zeneca sowie bei Johnson & Johnson. Um den Weg zum dritten Stich zu beschleunigen, wird außerdem die Gültigkeitsdauer des zweiten Stiches im Grünen Pass verkürzt. Konkret soll mit Wirkung ab Februar 2022 die Frist von neun auf sieben Monate nach dem Zweitstich reduziert werden.

Wie reagiert die Opposition?

Aus der Opposition kommt zu den verkündeten Maßnahmen teils scharfe Kritik. Die FPÖ spricht etwa von einer "Falschheit", nachdem ein Lockdown noch kürzlich ausgeschlossen wurde, Parteichef Herbert Kickl (FPÖ) spricht gar von einer Diktatur.

Von SPÖ-Obfrau Pamela Rendi-Wagner heißt es: "Der vierte Lockdown hätte verhindert werden können. Die Regierung hat die Warnungen der Experten zu lange nicht ernstgenommen." Die Impfpflicht nannte sie abermals ein "heikles Thema", entscheidend sei aber, dass eine Situation wie derzeit damit künftig jedenfalls verhindert werde. Zudem drängte Rendi-Wagner auch darauf, die dritte Teilimpfung sofort aktiv zu forcieren.

Für die Neos ist der erneute komplette Lockdown in Österreich das Ergebnis eines Totalversagens der Bundesregierung. Der pinke Abgeordnete Gerald Loacker kritisiert die Schließung des erweiterten Handels, die bisherige 2G-Regel und FFP2-Maskenpflicht hätte ausgereicht – das Problem sei die Nachtgastronomie, da würden die meisten Ansteckungen passieren.

Die Opposition kann den Lockdown allerdings nicht verhindern, da die Regierung im Parlament die Mehrheit hat. Auch im Bundesrat – der ein etwaiges Impfpflichtgesetz verzögern könnte – hat die Opposition seit der Oberösterreichwahl keine Mehrheit mehr.

Zahlreiche Experten und Experinnen befürworteten die neuen Maßnahmen. Dieser Doppelpack sei "ein echter und richtiger Befreiungsschlag raus aus dieser Pandemie", twitterte etwa Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Freitag. Auch der Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärmedizinischen Universität Wien sagte, dass die angekündigte Impfpflicht "aus virologischer Sicht absolut zu begrüßen ist". Der Epidemiologe Gerald Gartlehner ist davon überzeugt, dass mit dem harten Lockdown ab Montag die vierte Welle gebrochen werden kann. (Theo Anders, Gabriele Scherndl, 19.11.2021)