Übereilte Genehmigungsverfahren wie beim Murkraftwerk Graz dienen dem öffentlichen Interesse nicht.

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Die Forderung nach immer schnelleren Behördenentscheidungen über große Umwelteingriffe begleitet seit Jahrzehnten die politische Debatte. Nach dem Erlass des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wurde zahlreiche Novellen zur Beschleunigung diskutiert und beschlossen, bis hin zum höchst umstrittenen "Standortentwicklungsgesetz", dessen Genehmigungsautomatismus durch Zeitablauf Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission einbrachte.

Die Schuldigen an den Verfahrensdauern waren schnell gefunden: lästige Nachbarinnen und Nachbarn, störende Umweltorganisationen und zu strenge Umweltschutznormen, sie alle sollen Standort, Wachstum und neuerdings den Klimaschutz behindern. Nun sind die Herausforderungen der Energiewende nicht klein zureden, doch ist es wirklich der Umweltschutz, der hier dem Umweltschutz selbst im Weg steht?

Die meisten Verfahren sind schnell

Ein Blick in die Zahlen über Österreichs allergrößte Umweltverfahren, die UVPs, zeigt: Die Verfahrensdauer ist kurz. Ab der Vollständigkeit der Unterlagen braucht es im Schnitt nur sieben Monate bis zur Genehmigung. Eine solche erhalten weit über 90 Prozent der Anträge, nur in drei Prozent aller UVP-Verfahren folgt eine Ablehnung. Ausreißerverfahren, die länger dauern gibt es jedoch. Beeindruckend ist etwa die Saga des Wasserkraftwerks Schwarze Sulm in der Steiermark, das seit 2005 um Bewilligung ansucht und auch 2021 noch verhandelt wird.

Solche Verfahrensdauern haben Gründe, die leicht zu benennen sind: schlechte rechtliche Rahmenbedingungen, Ressourcenmangel bei Behörden, fehlende Planung und unzureichende Öffentlichkeitsbeteiligung. Diese Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit in Umweltverfahren ist völker- und unionsrechtlich seit 1998 in der sogenannten Aarhus-Konvention klar geregelt, eine Vollumsetzung ins österreichische Recht ist bis heute ausständig. Fehlender politischer Wille und der Zwang des Unionsrechts führten zu einer unübersichtlichen Rechtslage. Die Aufhebung bereits Jahre alter Bescheide durch die Höchstgerichte war die logische Folge.

Das künstliche Aussperren der Öffentlichkeit durch österreichisches Recht rächt sich und zwingt zur Wiederholung von Verfahren wie etwa dem des Wasserkraftwerks Schwarze Sulm. Die Lösungen liegen dabei auf der Hand: Eine ordentliche Umsetzung der rechtlichen Vorgaben macht solche Genehmigungen wasserdicht, die ausreichende personelle Ausstattung der Behörden sorgt für rasche Verfahren.

Echte Verbesserung statt blinder Beschleunigung

Doch auch abseits dieser Probleme zeigen sich UVP-Verfahren mitunter als konfliktbehaftet. Streits zwischen Betroffenen und Projektwerbenden werden dann in Verhandlungen geführt, in denen es eigentlich um andere Themen gehen sollte. Ob es beispielsweise überhaupt ein Kraftwerk an diesem Ort braucht oder ein anderer dafür geeigneter wäre, ist nicht Gegenstand eines UVP-Verfahrens, kann dieses aber verzögern. Nachbarinnen und Nachbarn, die, ohne vorab jemals informiert worden zu sein, plötzlich vier Wochen Zeit haben für eine Stellungnahme zu Projekten mit mehreren hundert Seiten technischer Beschreibung, werden selten begeistert sein.

Genau hier sind Energie- und Raumplanung gefragt, Themen etwa im Rahmen einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) vorab zu klären, deren Diskussion dann im konkreten Genehmigungsverfahren wenig zielführend ist. Designierte Flussstrecken für Wasserkraft etwa bieten Planungssicherheit und echte Prüfungen von Alternativen für die Standortfrage. Werden diese frühzeitig, mit Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit und rechtsverbindlich durchgeführt, können wesentliche Konfliktlinien vermieden und die Verfahren tatsächlich wesentlich beschleunigt werden. Was jedoch diese Streits sicherlich nicht verhindert, sind die aus vergangenen UVP-Novellen stets bekannten "Beschleunigungsmaßnahmen" wie Fristkürzungen, Einschränkung von Umweltschutzorganisationen und unionsrechtswidrige Maßnahmen wie Genehmigungsautomatismen.

Naturschutz gegen Klimaschutz?

Es erscheint auf den ersten Blick paradox, wenn Bedenken des Naturschutzes einem Projekt entgegengehalten werden, das doch gerade auf Klimaschutz abzielt. Die Energiewende ist eine Notwendigkeit, die gerade von Umweltschutzorganisationen seit Jahrzehnten betont wird. Gleichzeitig ist Raum nicht unbegrenzt vorhanden, und eine Abwägung zwischen Energieausbeute und dem Eingriff in lokale Ökosysteme ist nötig, um sinnvolle Standorte für Energiewendeprojekte zu finden. Gerade im Flächenverbrauchsweltmeisterland Österreich ist daher die rechtsverbindliche Planung neuer Standorte unerlässlich.

Bereits jetzt stehen in unseren Flüssen etwa alle 900 Meter für Fische unpassierbare Querbauwerke. Das Überleben ganzer Arten und Ökosysteme hängt jedoch von durchgängigen Gewässern ab. Auch aufseiten der Windkraft müssen Standorte gut gewählt werden. Nicht überall gibt es genug Wind und geeignete Flächen. Hauptmigrationsrouten gefährdeter Vogelarten müssen dann mit den verbleibenden passenden Standorten abgewogen werden. Und letztlich ist es auch die ausreichende Finanzierung der Behörden und des Sachverständigenapparats, ohne die schnelle Verfahren unmöglich sind.

Gemeinsam an einem Strang ziehen

Klimaschutz ist kein leichtes Unterfangen, die nötigen Bemühungen ziehen sich durch alle Felder unseres Alltags, und einer der wesentlichsten Schritte dazu ist der Umstieg auf erneuerbare Energie. Dafür sind politische Weichenstellungen ebenso nötig wie der passende rechtliche Rahmen. Die vielzitierte Verfahrensbeschleunigung etwa für Klimaschutzprojekte ist möglich, wenn die richtigen juristischen Werkzeuge genutzt werden. Strategische Umweltprüfungen, die eine überregionale Energieraumplanung verbindlich festlegen, helfen dabei ebenso wie eine frühzeitige und effektive Beteiligung der Öffentlichkeit. (Gregor Schamschula, 19.11.2021)