Zuschauerräume bleiben wieder einmal leer.

Foto: APA/dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Wien – Mit dem allgemeinen Lockdown in Österreich ist auch die Zeit der Öffnung für die Kulturinstitutionen vorerst wieder vorbei. Bis maximal 13. Dezember soll nach jetzigem Stand der Lockdown dauern. Theater, Konzerthäuser, aber auch Museen, für die es in den vergangenen Lockdowns Ausnahmeregelungen gegeben hatte, sind davon betroffen.

Die Situation für den Kunst- und Kulturbetrieb bezeichnete Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) in einer Pressekonferenz am Freitag als einen "erneuten Rückschlag, der sich nicht beschönigen lässt". Das Publikum habe die bisherigen Anti-Corona-Maßnahmen sehr gut mitgetragen, allerdings hätten die vergangenen Wochen aufgrund der erhöhten Fallzahlen auch Besucherrückgänge sowie wegen vermehrter Covid-19-Fälle in den Ensembles auch Probleme gebracht, den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Zwar verkündete Mayer eine Verlängerung sämtlicher bestehender Corona-Hilfen für die Kulturbranche: So wird der NPO-Fonds bis zum ersten Quartal 2022 verlängert und um 125 Millionen Euro aufgestockt, zudem wird die Überbrückungsfinanzierung für Künstler bei der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) analog zum Härtefallfonds bis mindestens Ende März weitergezogen und erfährt für die Lockdown-Monate eine Erhöhung (um 400 Euro auf 1.000 Euro monatlich). Insgesamt werden die Hilfen im Rahmen der Künstlersozialversicherung von 150 auf 175 Millionen Euro aufgestockt, der Covid-19-Fonds des KSVF (Künstlersozialversicherungsfonds) von 40 auf 50 Millionen Euro.

Weil nach dem Lockdown nicht gleich wieder Planungssicherheit gegeben sein werde, werden auch der Veranstalterschutzschirm sowie für die Filmbranche das Haftungsmodell verlängert. Konkret soll man für den Veranstalterschutzschirm nunmehr bis 30. Juni 2022 (für Veranstaltungen, die bis 30. Juni 2023 geplant werden) einreichen können. Gleiches gilt für den "Comeback-Zuschuss Film", der um ein halbes Jahr bis Jahresende 2022 (Antragstellung bis 30. Juni 2022) verlängert wird.

Hohe Frustration

Die ersten Reaktionen von Kulturseite auf den neuerlichen Lockdown sind aber dennoch skeptisch, zudem scheint die Frustration in Teilen der Branche mittlerweile hoch.

Besonders getroffen von den Schließungen ist erneut das laufende Musikfestival Wien Modern, das eigentlich bis 30. November hätte dauern sollen. "Die Kultur kassiert hier die Rechnung für andere", zeigte sich Intendant Bernhard Günther resigniert. Das Kulturpublikum habe in den vergangenen Wochen bewiesen, dass mit Vorsichtsmaßnahmen auch ein Alltagsleben möglich sei, ohne mit dem Risiko zu spielen: "Die Kultur hat die aktuelle Maßnahme nicht zu verantworten."

Für Wien Modern gelte es nun, für die kommende Woche unter Hochdruck umzuplanen. "Es ist wieder schnelle Präzisionsarbeit gefragt", so Günther. Bis Sonntag würden alle Vorhaben wie geplant umgesetzt, für die restlichen Projekte kläre man ab, ob einzelne auf die Zeit nach dem Lockdown verschoben werden könnten oder via Streaming doch realisiert werden könnten. Klar sei angesichts der Lage aber eines: "Die Frustration ist bei manchen im Kulturbereich schon sehr hoch."

Lockdown "bedauerlich"

Christian Dörfler, Kinovertreter in der Wirtschaftskammer, zeigte sich ebenfalls zerknirscht und bezeichnete den neuerlichen Lockdown als "bedauerlich". Dieser wäre im Gegensatz zu den vorangegangenen dank Impfung nicht notwendig gewesen: "Dieses Mal war es Missmanagement." Man hätte z. B. 2G viel früher einführen können. Die Kinos hätten in den vergangenen Monaten viel Geld, Zeit und Arbeit investiert, um die Menschen wieder zurück vor die Leinwand zu bringen – und das mit Erfolg. "Wir hatten bisher einen sehr guten Herbst." So habe sein Haus, das Wiener Haydn-Kino, den drittbesten Oktober aller Zeiten verzeichnet.

Aber auch das unmittelbare Comeback der Kinos nach dem Ende der Maßnahmen könnte sich einmal mehr als schwierig gestalten – nämlich dann, wenn nach dem Lockdown keine Filme zur Verfügung stehen, weil sich die Starts wegen etwaiger stattfindender Kulturschließungen in Deutschland oder anderen großen Märkten verzögern. Trotzdem ist Dörfler überzeugt: "Die Kinos werden auch dieses Mal wieder zurückkommen." Es sei halt bedauerlich, jetzt wieder von vorn anfangen zu müssen.

Unterstützungsleistungen entscheidend

"Noch ist der letzte Lockdown nicht verdaut, und schon kommt es zu einem nächsten, der per politischen Wunschvorstellungen nur 20 Tage dauern soll, aber genauso wie die vergangenen Lockdowns mit kompletten oder Teillockdowns sich über Monate ziehen kann", zeigte sich auch Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren skeptisch: "Man wird das Gefühl nicht los, es werden nicht die letzten 20 Tage sein."

Entscheidend seien nun wieder Unterstützungsleistungen für die Kunst- und Kulturschaffenden, die zuletzt teilweise ausgelaufen waren. "Niemand muss dazu neue Maßnahmen erfinden, es müssen nur parallel zum Lockdown die bereits erprobten Instrumente wieder aktiviert werden", so Ruiss.

"Wieder mal zurück an den Start"

Auch Thomas Gratzer, Direktor des Wiener Rabenhof-Theaters, zeigt sich "traurig und auch wütend (auf die Bundespolitik, den unsolidarischen Teil der Gesellschaft, und vor allem jene politischen Kräfte, die zynisch und rücksichtslos die Spaltung der Gesellschaft noch befeuern)". Der jetzige Lockdown wäre nicht nötig gewesen. Sein Haus habe sich zuletzt bezüglich des Publikumszuspruchs gut entwickelt. "Jetzt reißt alles wieder ab, und wir können wieder mal zurück an den Start. Aber nachdem wir wirklich ein sehr treues und auch äußerst verantwortungsbewusstes Publikum haben, schau ich mittel-/langfristig trotzdem optimistisch in die Zukunft."

Pragmatisch zeigte sich in einer Stellungnahme Bernhard Rinner, Geschäftsführer der Bühnen Graz, sei man doch seit März 2020 immer wieder mit Umplanungen konfrontiert: "Der Lockdown führt natürlich unmittelbar dazu, dass viele geprobte Theaterstücke unserem Publikum schlicht und einfach nicht präsentiert werden können und Termine – auch von Premieren – verschoben werden müssen." Aber immerhin bleibe nach aktuellem Stand der Probenbetrieb aufrecht. "Dies ist unbedingt notwendig, damit wir unmittelbar nach diesem verordneten Lockdown den Spielbetrieb in allen Häusern der Bühnen Graz wieder aufnehmen können."

Gesenkte Umsatzsteuer müsse bleiben

38 Veranstaltungen sind indes allein im Konzerthaus von einem Lockdown bis 13. Dezember betroffen, berichtet Intendant Matthias Naske. Darunter seien hochkarätigste Termine wie Konzerte der Wiener Philharmoniker und Symphoniker. Man müsse sich nun wieder an die Umplanung machen, wobei er bei manchen Veranstaltungen auf Streamingoptionen hoffe, obgleich manche auch schlicht abgesagt werden müssten, wie etwa ein geplantes Weihnachtsoratorium.

Es sei traurig, aber offensichtlich sei der neuerliche Lockdown notwendig. "Wenn er am 13. Dezember endet, dann können wir damit leben – glücklich sind wir natürlich alle nicht", so Naske. Finanziell sei für sein Haus und viele andere Kulturinstitutionen nun wichtig, dass die auf fünf Prozent gesenkte Umsatzsteuer über das Jahresende hinaus bis zumindest Saisonende fortgeführt werde. "Das hilft jenen Institutionen besonders, die sich über ihre Aktivitäten und nicht nur über die öffentliche Hand finanzieren", unterstrich der Konzerthaus-Chef. Auch die Frage der Kurzarbeit für direkt an der Bühnenproduktion beteiligte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müsse man im Haus nun erneut andenken.

Impfdurchbrüche im Josefstadt-Ensemble

Im Theater in der Josefstadt stellt man ab kommenden Montag nicht nur den Vorstellungs-, sondern auch den Probenbetrieb ein. Das verkündete Intendant Herbert Föttinger unmittelbar nach der Regierungs-Pressekonferenz seinem Ensemble. Für die zwei kommenden Premieren "Der ideale Mann" (25. 11.) und "Rechnitz" (4. 12.), die nun abgesagt werden müssen, werde es vorläufig keine neuen Termine geben, sagte Föttinger auf Anfrage. Der Josefstadt-Direktor will das weitere Geschehen abwarten und nicht mit dem heute bekanntgegebenen Lockdown-Ende nach 20 Tagen planen. "Ich gehe nicht davon aus, dass das nur 20 Tage sein wird, und glaube auch nicht, dass die Theater unter den Ersten sein werden, die aufsperren dürfen." Da werde das Augenmerk wohl eher auf dem Weihnachtsgeschäft des Handels liegen, meinte Föttinger. "Weil wir aber schon an der Belastbarkeitsgrenze waren, bin ich aber eigentlich froh, dass es zu dieser Lösung kommt, auch wenn sie spät kommt."

Zuletzt hatte das Theater in der Josefstadt mit einigen Impfdurchbrüchen im Ensemble zu kämpfen. Mit vier Fällen gebe es "einen 'Rechnitz'-Cluster". Alle Betroffenen wiesen aber dank der Impfungen keine schweren Verläufe auf und seien auf dem Wege der Besserung. Am 4. Dezember hätte man die bereits einmal verschobene Premiere spielen können, so der Theaterleiter, der die in Wien ab heute, Freitag, geltende 2Gplus-Regel nun an genau drei Abenden in den Spielstätten seines Hauses durchsetzen muss. "Ich nehme das zur Kenntnis." Bei der Wiener Regelung, wonach auch Genesene oder Geimpfte nur mit einem gültigen PCR-Test ins Theater dürfen, handle es sich jedoch eigentlich um einen "unzumutbaren Zustand für die Besucher". "Die große Enttäuschung ist, dass zwar behauptet wurde, dass die Impfung der Gamechanger sein werde, aber klar ist das noch nicht", so Föttinger, der zwar selbst bereits dreimal geimpft ist, dem aber eine überzeugendere Aufklärung der Impfskeptiker lieber als die nun angekündigte Impfpflicht gewesen wäre. "Alles, was mit Pflicht verbunden ist, macht mir ein bisschen Sorgen." Auch die Wortwahl von Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) bei der heutigen Pressekonferenz empfinde er als schwierig. Indem man den Ungeimpften die Schuld an der Situation gebe, spalte man die Gesellschaft.

Das Theater in der Josefstadt werde wieder Kurzarbeit anmelden und den Proben- und Werkstättenbetrieb einstellen. Man habe genügend Produktionen bereit, um den Spielbetrieb nach Lockdown-Ende rasch wieder aufnehmen zu können. Die finanziellen Außenstände durch frühere Lockdowns seien deutlich geringer als ursprünglich medial kolportiert. "Wir befinden uns dazu in absolut positiven Gesprächen mit der Staatssekretärin und der Kulturstadträtin. Ich kann nur allen sagen: Machen Sie sich keine Sorgen um die Josefstadt! Es wird alles gut." Vielleicht nicht gerade alles. Denn, so Herbert Föttinger abschließend: "Wir werden in große finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aber wie alle anderen Theater auch!"

Vorarlberger Institutionen preschen vor

In Vorarlberg warten mehrere Kulturveranstalter nicht, bis am Montag der neuerliche bundesweite Lockdown in Kraft tritt. Bereits am Donnerstag verschob das Bregenzer Theater Kosmos alle Vorstellungen, weil man eine Einladung zu Theaterabenden aufgrund der derzeitigen Infektionslage für nicht vertretbar hielt. Per sofort zugesperrt hat am Freitag der Dornbirner Spielboden, ebenfalls bereits geschlossen ist der Dornbirner Club "Conrad Sohm". "Wir hoffen, dass sich noch heuer die Situation beruhigt und stabilisiert und wieder eine Atmosphäre der Offenheit, Neugierde und Kontaktfreude möglich ist", so Hubert Dragaschnig und Augustin Jagg vom Theater Kosmos.

Vonseiten des Spielboden hieß es, man sehe keinen Grund, mit der Schließung bis Montag zu warten. Man suche für alle Veranstaltungen Ersatztermine. "Die aktuellen Infektionszahlen erfordern wieder einschneidende Maßnahmen. Deshalb ist das Conrad Sohm vorübergehend geschlossen", war auf der Homepage des Dornbirner Clubs zu lesen. Die seit Freitag in Vorarlberg geltende, verschärfte Maskenpflicht nannte der Club "Vabrik" in Röthis als Grund für seine Schließung.

Salzburg hofft auf späte Adventveranstaltungen

Der Lockdown ab kommendem Montag trifft im Bundesland Salzburg neben den klassischen Kulturbetrieben auch jene Einrichtungen, die nur im Advent Veranstaltungen durchführen. Deren bekanntester Vertreter ist das Salzburger Adventsingen, das bereits im Vorjahr einen Totalausfall zu verzeichnen hatte. Von einem "wirtschaftlichen Desaster" sprach Hans Köhl, Gesamtleiter des Salzburger Adventsingens im Großen Festspielhaus, das heuer 16 Vorstellungen mit insgesamt rund 35.000 Besuchern geplant hat. Für heuer waren die Vorbereitungen abgeschlossen: Heute, Freitag, findet bereits der Gesamtdurchlauf des Stückes statt. Das 1,5 Millionen Euro schwere Budget werde fast zur Gänze über den Kartenerlös aufgebracht, weil das Adventsingen bisher immer ohne öffentliche Gelder ausgekommen sei, sagte Köhl. Wie hoch die heuer schon angefallenen Kosten sind, konnte er noch nicht beziffern, weil noch keine Abrechnung erfolgt sei. Ganz abgeschrieben hat er 2021 aber noch nicht: "Noch besteht ein kleiner Funke Hoffnung, dass wir zumindest am 3. Advent-Wochenende spielen können." Betroffen ist auch das "Winterfest". Dieses Festival für zeitgenössische Zirkuskunst sollte heuer am 9. Dezember starten. Da dieses Festival bis 8. Jänner dauert, könnte zumindest ein Teil des Programms durchgeführt werden.

Das Salzburger Landestheater hat zunächst alle 21 Aufführungen bis einschließlich 5. Dezember abgesagt. Für das Rockhouse Salzburg kommt der Lockdown zu spät. "Hätte man früher reagiert, wäre er wohl kürzer ausgefallen", sagte Geschäftsführer Wolfgang Descho. Bis Weihnachten müssen laut Veranstaltungskalender rund zwei Dutzend Konzerte und Workshops abgesagt werden. "Und wir wissen nicht einmal, wie lange der Lockdown dauert." Die Planungen wären deutlich einfacher, wenn man mit einem konkreten Datum rechnen könne. "Falls die Infektionszahlen bis dahin nicht sinken, dann halt mit einer Verlängerung nur für Ungeimpfte." Fest stehe aber: "Für heuer ist das meiste vorbei." Für die weitere Zukunft sprach sich Descho klar gegen eine mögliche 2Gplus-Regelung für Veranstaltungen aus, also Eintritt für Geimpfte und Genesene nur in Kombination mit einem PCR-Test. "Dann bricht das Testsystem erneut zusammen. Mit Wohnzimmertests wäre das hingegen kein Problem. Es geht um Veranstaltungen, nicht um eine Krankenhausabteilung."

Für eine Impfpflicht

Die Leiter der großen Kulturinstitutionen in Oberösterreich stehen hinter dem neuerlichen Lockdown für alle ab kommenden Montag. Das erfordere die aktuelle Corona-Situation. Sie wussten schon seit Donnerstag vom Lockdown für ihr Bundesland. Der Intendant des Brucknerhauses Linz, Dietmar Kerschbaum, "begrüßt" den Lockdown, auch wenn es" natürlich schade ist", kein Publikum empfangen zu können, meinte er. Kerschbaum, der auch Künstlerischer Vorstandsdirektor der Linzer Veranstaltungsgesellschaft LIVA ist, zu der u. a. auch der Posthof und das Kinderkulturzentrum Kuddelmuddel gehören, erklärte in einer Aussendung zum Lockdown: "Wir – die Häuser der LIVA – tragen diesen Entschluss vollinhaltlich mit, denn die aktuelle Situation erfordert Solidarität und einen engen Schulterschluss." Auch die Chefin des Linzer Kunstmuseums Lentos, Hemma Schmutz, befürwortet den Lockdown. "Jede Person, die zu Schaden kommt, ist eine zu viel", wurde sie in der "Kronen Zeitung" am Freitag zitiert. Landestheater-Intendant Hermann Schneider stellte klar: "Die Zahlen sind so beängstigend, dass die Gesundheit natürlich jetzt Priorität hat. Wofür ich jedoch kein Verständnis mehr habe, sind Leute, die jetzt weiter undiszipliniert sind."

Die KUPF als Interessenvertretung von 183 gemeinnützigen Kulturinitiativen forderte umgehend Hilfe, denn ein Lockdown-Monat koste ein bis zwei Millionen Euro monatlich. Dass alle Förderinstrumente des Bundes "gleich bis Ende des ersten Quartals 2022 verlängert wurden", wertete KUPF-Geschäftsführer Thomas Diesenreiter als "kluge Entscheidung". Dafür dankte er der Regierung, "nur so kann schlimmerer Schaden von der ohnedies gebeutelten Kunst- und Kulturszene Österreichs abgewendet werden." Diesenreiter hofft, dass mit Einführung der Impfpflicht der jetzige Lockdown der "letzte nötige" gewesen sei. "Auch diese Entscheidung ist daher zu begrüßen."

Bundestheatern entgehen wohl vier Millionen Euro

Angesichts der aktuellen Entwicklung bei den Corona-Infektionen in der Gesellschaft und in der Mitarbeiterschaft zeigen sich auch die Bundestheater von der Notwendigkeit eines Lockdowns überzeugt. "Wir wollen spielen, aber wir müssen uns auch der Realität stellen", unterstrich Holding-Geschäftsführer Christian Kircher: "Am heutigen Tag ist uns die Schließung lieber, als jeden Abend zu zittern, ob die Vorstellung stattfinden kann."

Selbstredend sei der Schritt finanziell erneut eine Belastung für die Kulturinstitutionen, seien doch gerade die Bundestheater zuletzt wieder gut gebucht gewesen: "Wir haben teils volle Häuser gehabt." Für eine konkrete Bezifferung der durch den Lockdown entstehenden Verluste sei es aber derzeit noch zu früh, jedoch: "Bei 20 Tagen Schließzeit dürften uns rund vier Millionen Euro entgehen." Die Details der Rückabwicklung der für diesen Zeitraum verkauften Karten werde derzeit ausgearbeitet, wobei man grundsätzlich mit dem 13. Dezember wieder in den Vollverkauf für Veranstaltungen gehe, so Kircher. "Natürlich versuchen wir erneut, Kurzarbeit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzumelden." Dies sei die wichtigste Maßnahme, um die Verluste zu reduzieren. Und mittelfristig gelte: "Eine Verlängerung der reduzierten Umsatzsteuer wäre sehr wünschenswert."

Burgtheater-Chef Kušej will "Planungshorizont"

"Es ist äußerst ärgerlich, dass wir mit Ansage in eine Situation gerannt sind, die jetzt einen erneuten Lockdown notwendig macht. Der Aufbau eines Impfschutzes dauert Wochen", hieß es in einem Statement von Burgtheater-Direktor Martin Kušej. Die in früheren Lockdowns erlebte "Kurzfristigkeit von permanent neuen Maßnahmen und Verordnungen" könne man "nicht mehr leisten. Wir brauchen Entscheidungen mit ausreichendem Planungshorizont." Es sei wohl "sinnvoll, die 2G-Regel nach der Wiedereröffnung weiter fortzuführen, eine Koppelung mit einer FFP2-Maskenpflicht scheint mir dabei am besten umsetzbar. Zusätzliche PCR-Testnachweise sind für unser Publikum aufgrund der begrenzten Testkapazitäten hingegen eine ziemliche Hürde, das haben uns die ersten Erfahrungen diese Woche gezeigt", so Kušej.

Staatsoper wechselt wieder ins Fernsehen

Schnellst reagiert hat man indes in der Staatsoper, wo die vom Lockdown betroffene Premiere des "Don Giovanni" nun im Fernsehen zu sehen sein wird, wie Direktor Bogdan Rošcic ankündigte: "Der neue 'Don Giovanni' wird am Sonntag, 5. Dezember, im Hauptabendprogramm von ORF III live übertragen." Und für die Zeit nach dem Lockdown plane man Liveaufführungen des Mozart-Werkes: "Wir verlassen uns also auf die Aussage der Regierung, dass der Lockdown für Geimpfte und Genesene, aus denen schon seit 1. Oktober unser Publikum besteht, nach drei Wochen auf jeden Fall vorbei ist und wir wieder spielen können." Dass die Besetzung hierbei mitziehe, sei ein Glücksfall: "Aber es wird nicht leichter. Vor einem Jahr waren wir das eine große Theater weltweit, das immer weitergespielt und gearbeitet hat. Jetzt sind wir bald die einzigen, die es nicht dürfen."

"Jedenfalls ist die vierte Welle mit voller Wucht im Haus angekommen. Wir mussten noch keine Vorstellung absagen, aber zum Teil wissen wir erst wenige Minuten vor Beginn, ob es sich ausgeht", so Rošcic: "Von daher ist es richtig, einzugreifen. Falsch ist, dass es überhaupt so weit kommen durfte und dass damit die irrationale Minderheit der Impfverweigerer dem Rest des Landes diktiert, wie man zu leben hat."

Über den Opernball im kommenden Februar will Rošcic derzeit indes nicht spekulieren: "Ich glaube, man würde mich zurecht für verrückt erklären, wenn ich in einer Situation, in der das halbe medizinische Personal in den Burn-out geht, öffentlich über das Champagnisieren im Fasching nachdenke."

Musical und Museen planen voraus

Massiv betroffen vom Lockdown sind erneut auch die Vereinigten Bühnen Wien. "21.000 Tickets sind allein im Musicalbereich von der Lockdown-Phase betroffen", berichtet VBW-Geschäftsführer Franz Patay. Den Betroffenen würden nun wieder Ersatztermine, Gutscheine und in letzter Konsequenz auch Rückzahlungen angeboten. Die eigentlich für 3. Dezember im Raimund Theater angesetzte große Premiere der "Miss Saigon" verschiebe man nach jetzigem Stand auf den 19. Dezember, wobei man sich hier noch in Verhandlungen befinde.

Pragmatisch im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Lockdowns zum jetzigen Zeitpunkt zeigte sich auch Katrin Vohland, als Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums derzeit auch Vorsitzende der Bundesmuseenkonferenz. "Das ist ein Schritt, den wir nachvollziehen, können." Selbstredend hätte die Politik früher reagieren können und müssen, aber derzeit bleibe wohl keine andere Maßnahme. Man halte nun bis Sonntag offen und plane dann mit einer Wiedereröffnung ab 13. Dezember. Über die Kompensationsmaßnahmen vonseiten der Politik sei man in Gesprächen mit Kulturstaatssekretärin Mayer: "Ich habe den Eindruck, dass Frau Mayer um unsere Situation weiß und diese im Blick hat."

Programm im Internet

"Im Museumsbereich tragen wir die Schließungen geschlossen mit", sagte Bettina Leidl, Direktorin des Kunst Haus Wien und Präsidentin der Museumsvereinigung Icom. In früheren Lockdowns waren die Museen (zeitweise) von der Schließung ausgenommen, jetzt trifft es auch sie: "Nachdem auch der Handel schließen muss, war der Lockdown für Museen zu erwarten."

Mit einem Videostatement meldete sich Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder und spricht darin von einer "außerordentlich schwierigen Situation". Die aktuelle Modigliani-Schau habe man in dem Glauben eröffnet, die Pandemie sei vorbei, wie von der Politik im Sommer versichert. Mit keinem Rekord, aber dennoch 200.000 Besuchern hätte er also gerechnet und die ausgebliebenen internationalen Gäste seien durch "einen sehr intensiven österreichischen Besuch" tatsächlich "mehr als kompensiert" worden. Doch mit dem neuen Lockdown gehe sich kein Einspielen der Kosten mehr aus, stattdessen drohe bis Jahresende ein zusätzlicher Verlust von einer Million Euro zu den heuer schon aufgelaufenen sechs Millionen. Die bisherige Unterstützung des Bundes reiche da nicht mehr, er rechnet zu Jahresende deshalb mit einem Minus von etwa zweieinhalb Millionen Euro und hofft auf mehr Hilfen seitens der Politik. Fürs Publikum werde man im Internet Führungen und Diskussionen mit Künstlern anbieten. (APA, hil, 19.11.2021)