Das Naherholungsgebiet Donauinsel spielt im Prozess gegen einen 40-Jährigen, der fünf Monate lang seine Ex-Freundin gestalkt haben soll, eine wichtige Rolle.

Foto: Heribert Corn

Wien – "Ich bekenne mich schuldig. Ich habe es aus Liebe zu meiner Tochter gemacht. Und ich wollte die Beziehung retten", erklärt Angeklagter Osman Y. Richterin Julia Matiasch zum Vorwurf der Staatsanwältin, er habe Frau M. zwischen Mai und Ende September beharrlich verfolgt und einmal den Hausfrieden gebrochen, indem er ihre Wohnungstür aufbrach.

"Es war immer eine On-off-Beziehung", beschreibt der 40-jährige Österreicher das Verhältnis zur zehn Jahre jüngeren Ex-Partnerin. Eine Beziehung, die bereits im Vorjahr ein Fall für das Strafgericht wurde: Y. holte sich im August seine dritte Vorstrafe, da er M. ins Gesicht gebissen und sie zu Boden geschleudert hatte. Eine Stalkingverurteilung aus dem Jahr 2019 betrifft eine andere Frau, erstmals wurde der durchaus gutaussehende Angeklagte im Jahr 2016 wegen Nötigung zu einer teilbedingten Haft verurteilt.

"Ich habe halt gekämpft"

Frau M. ließ sich von dem Gesichtsbiss offenbar nicht irritieren, die gemeinsame Tochter der beiden ist nun ein Jahr alt. "Ich hab halt gekämpft, wie immer, um die Beziehung", verrät der Angeklagte. Nachdem M. seine Handynummer blockiert hatte, "habe ich sie ein paar Mal zufällig auf der Straße getroffen", behauptet er. Nur um später zuzugeben, dass er in einem anderen Bezirk als die 30-Jährige wohnt und 20 Minuten Anfahrtszeit benötigt.

Von einem ist er aber überzeugt: "Meiner Meinung nach waren wir zusammen." Im Sommer habe es gemeinsame Ausflüge auf die Donauinsel gegeben, im Herbst besuchte man sogar eine Paartherapie. "Wir waren auf einem guten Weg. Dann haben wir uns im September im Stadtpark getroffen und sie hat Schluss gemacht."

Rund ein Monat davor soll der Hausfriedensbruch begangen worden sein. "Es war wieder alles so in Schwebe, dann war ich betrunken. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern", entschuldigt Y. sich. "Sie sind betrunken – wie kommen Sie auf die Idee, zur Wohnung der Ex zu gehen? Das ist ja jetzt nicht die beste Idee?", wirft Richterin Matiasch ein. Der Angeklagte beharrt auf seinen Erinnerungslücken. Er habe die Tür aufgedrückt, als der Vater von M. dazugekommen sei habe er den geschimpft, weiß er noch.

"Es war alles in Liebe"

M. habe danach einen Sicherheitsbalken an ihrer Tür angebracht. "Sie wollte 900 Euro von mir, dann würde sie sich der Aussage entschlagen", behauptet der Arbeitslose. "Das ist Erpressung!", empört er sich. Am Ende seiner Einvernahme fasst er seine Verantwortung nochmals zusammen: "Ich war emotional im Stress, hatte aber keine böse Absicht. Es war alles in Liebe."

Als Zeugin M. den Saal betritt, fragt die Richterin sie, ob sie lieber in Abwesenheit des Angeklagten befragt werden möchte. "Ich weiß es nicht", sagt sie leise, Matiasch nimmt ihr die Entscheidung ab und schickt Y. ins Nebenzimmer. Dann erkundigt sie sich nach dem Wohlergehen der Zeugin, die merkbar psychisch belastet ist – auf die Frage nach ihrem Geburtsdatum sagt sie zehn, 15 Sekunden zunächst gar nichts, dann verrät sie es unter Tränen.

Auch sie bestätigt, es habe sich um eine On-off-Beziehung gehandelt. Auch im angeklagten Tatzeitraum sei das Verhältnis "wieder beziehungsartig" geworden, gibt sie zu, die gemeinsamen Besuche der Donauinsel seien vereinbart gewesen. "Er reagiert unterschiedlich. Manchmal macht er mir Versprechungen, manchmal beschimpft er mich", sagt sie über den Angeklagten. "Es geht nur ganz oder gar nicht bei ihm. Er sagte, wenn er sich anmelden muss, will er das Kind gar nicht mehr sehen", antwortet sie auf die Frage, ob es eine gerichtliche Besuchsregelung gäbe.

Intervention gegen einstweilige Verfügung

Zur Überraschung der Richterin erklärt die Zeugin, dass sie beim Bezirksgericht bereits eine einstweilige Verfügung gegen Y. erwirkt hatte. "Aber ich habe dann den Richter angerufen und gebeten, sie nicht in Kraft treten zu lassen", erklärt M., schließlich stand die Paartherapie bevor. Beim angeklagten Hausfriedensbruch sei ihre Wohnungstür nicht beschädigt worden, verrät die Zeugin noch, woraufhin Matiasch bekannt gibt, dass sie dieses Delikt als strafrechtlich nicht erfüllt ansehe.

"Für ihn waren wir in einer Beziehung", ist Zeugin M. am Ende überzeugt. Und sie hat noch eine Bitte: "Es ist bei mir nicht das Interesse da, dass er ins Gefängnis kommt. Mir geht es darum, Ruhe zu haben", erklärt die Frau. Außerdem erkundigt sie sich, ob Matiasch die einstweilige Verfügung wieder in Kraft setzen können – kann sie nicht, sie verweist an das Bezirksgericht und empfiehlt den Besuch einer Opferschutzeinrichtung, die dabei beraten könne.

"Was sagen Sie jetzt dazu? Frau M. geht es ja offensichtlich nicht gut!", fragt die Richterin den Angeklagten, nachdem er wieder im Verhandlungssaal Platz genommen hat. "Es tut mir leid", äußert sich der Angesprochene. "Vielleicht sollten Sie akzeptieren, dass die Beziehung zu Ende ist. Und eine neue Beziehung als Eltern beginnen", rät ihm Matiasch.

Rechtskräftiger Freispruch

Dann spricht sie ihn allerdings rechtskräftig frei. "Frau M. hat Ihnen zwischendurch immer den Eindruck vermittelt, dass etwas möglich sei", begründet sie ihre Entscheidung. Aus ihrer Sicht sei das kein Stalking, auch der Hausfriedensbruch sei mangels Sachbeschädigung freizusprechen. "Ich würde Ihnen nahelegen, dass Sie Frau M. künftig in Ruhe lassen!", merkt sie dennoch an. "Denn wenn sie eine eine einstweilige Verfügung erwirkt und Sie sich nicht daran halten, sitzen Sie wieder hier. Und dann werden Sie verurteilt", mahnt Matiasch. (Michael Möseneder, 19.11.2021)