Trinken, auch für den guten Zweck: Wer mit einem Bier beisammensitzt, sollte auch an jene denken, die benachteiligt sind, finden die Berliner Quartiermeister.

Foto: Quartiermeister / Max Kißler

Mehr Bier trinken kann mehr helfen. Was aus medizinischer Sicht fragwürdig klingt, ergibt in Berlin durchaus Sinn. Dort freuen sich kleine Ökogärten oder Initiativen, die Geflüchtete betreuen, über jeden Schluck aus der Pulle.

Denn sie, wie viele andere Projekte, profitieren von Berlins sozialem Bier. Quartiermeister heißt es, und es unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht sonderlich von anderen Bieren. Die Flaschen sind braun, natürlich findet man diverse Sorten, etwa Helles oder Radler.

Und doch gibt es einen Unterschied zu anderen deutschen Biermarken. "Wer Quartiermeister trinkt, sorgt nicht bloß für Profit für wenige, davon profitieren alle – die Akteure in der Wertschöpfungskette und die Gesellschaft", sagt Geschäftsführer David Griedelbach, der sein Studium berufsbegleitend bei der Deutschen Bank absolvierte, dann aber, wie er selbst sagt, "auf die gute Seite der Macht" wechselte.

Auch in Österreich

Zu Beginn, im Jahr 2010, trieb die "Quartiermeister" eine Frage um: Wie kann man Spenden so organisieren, dass es mehr sind als einfach nur Geld geben? "Es sollte mit einem Konsumgut verbunden sein, das Menschen zusammenbringt", sagt Griedelbach. Da war Bier naheliegend.

Elf Jahre später ist das Gebräu in Berlin an 750 Orten erhältlich – in Bars und Kneipen, aber auch in "Spätis", Bioläden oder großen Handelsketten. Auch außerhalb der Hauptstadt findet man es, wenn auch nicht so häufig.

In Wien hielt das Bier 2020 Einzug, es ist dort in zehn Lokalen zu bekommen, außerdem beim Juice-Brothers-Abholmarkt im achten Bezirk. "Das ist natürlich noch ausbaufähig", sagt der für Österreich zuständige Walter Gössinger, der sich aber freut, "dass wir schon 2000 Euro an Spenden zusammengetrunken haben".

Im Frühjahr entscheidet sich, wer das Geld bekommt. Grundsätzlich gilt: Pro Liter verkauftes Bier gehen zehn Cent an soziale Projekte in der Nachbarschaft. "Wir wirtschaften nicht, um reich zu werden, sondern um unsere Nachbarschaft zu bereichern", lautet das Motto. 180 Initiativen in Deutschland bekamen bisher insgesamt 200.000 Euro.

Profit wird nicht verteufelt

Prost also völlig ohne Profit? "Natürlich wollen auch wir von unserem Bier gut leben", sagt Geschäftsführer Griedelbach, "aber es geht bei uns nicht darum, dass sich Unternehmer eine noch größere Yacht kaufen können."

Er findet es "obszön", wenn Eigentümer oder Shareholder "auf Kosten von Gesellschaft oder Natur" Profite in Milliardenhöhe herausschlagen. Nachsatz: "Wir verteufeln nicht Profit an sich. Aber kein Mensch muss mehrfacher Millionär sein."

Darum achten die Quartiermeister auch auf Zutaten aus Deutschland und arbeiten mit zwei unabhängigen Privatbrauereien zusammen. So will man die mittelständische Bierbranche stärken. Für Bayern und Baden-Württemberg wird in Forsting bei München produziert, für den Rest der Republik im sächsischen Wittichenau.

Oft werden die Biermacher darauf angesprochen, dass die Verbindung von Alkohol und Sozialem nicht unproblematisch sei. Man räumt auf der Website ein, dass diese "Verbindung nicht ganz widerspruchsfrei ist". Doch Griedelbach meint: "Wir wollen nicht zum Trinken verführen, sondern eine gute Alternative zu anderen Bieren bieten und das mit sozialem Mehrwert verknüpfen – zum Wohle aller eben."

Gleiches Bier für alle

Schahin Zamankhan vom Moa-Café & Bar in Berlin-Moabit gehört zu jenen, die Quartiermeister im Sortiment haben. "Wir haben lange nach einem besonderen Bier gesucht, schließlich hat uns das gesellschaftliche Engagement überzeugt", sagt er. Gut findet er zudem, dass mit dem Geld gerade regionale Projekte gefördert werden, also auch der "Kiez", wie das Grätzel in Berlin heißt, profitiert.

Von dort kommt auch seine Stammkundschaft. Doch nicht nur sie will das Sozialbier: "Touristen legen ebenfalls Wert auf ein lokales Berliner Bier", erklärt Zamankhan.

Allerdings räumen selbst die Quartiermeister ein, dass bei weitem nicht jedem Konsumenten klar ist, dass es sich um ein Getränk mit Weltanschauung handelt. Manchen gefallen auch einfach nur die Etiketten auf den Flaschen.

Auf diesen findet sich ein in der Bierbranche einzigartiges Gendersternchen. Diese "Quartiermeister*in" sorgt oft für Debatten, was Griedelbach begrüßt: "Bier gilt als eine der letzten Männerdomänen. Dieses Zeichen – gleiches Bier für alle – haben wir ganz bewusst gesetzt." (Birgit Baumann aus Berlin, Magazin "Portfolio", 2.12.2021)