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"Es geht nicht nur darum, Geld zu spenden." Katharina Turnauer

Foto: Getty Images / EyeEm / Giorgia Cottone

Tue Gutes und rede darüber. Das ist wohl der Grund, warum man von großen Spenden diverser berühmter Menschen permanent lesen kann. MacKenzie Scott, Ex-Frau von Amazon-Gründer Jeff Bezos, etwa spendet Milliarden ihres Vermögens. Sie will damit die Welt ein Stück besser machen, sagt sie. Doch gut gemeint ist beim Spenden oft das Gegenteil von gut gemacht.

Ein Beispiel dafür ist das Projekt, bei dem Hollywoodstars massenhaft Moskitonetze für Afrika gespendet haben. Das half der Bevölkerung zwar, sich vor Krankheiten zu schützen, die von den Mücken übertragen werden. Dabei übersehen wurde aber, dass mit den Großspenden der oft einzige Wirtschaftszweig eines Ortes zerstört wurde – den Netzknüpfern und jenen, die Löcher ausgebessert haben, wurde damit die wirtschaftliche Grundlage entzogen.

Ende der Hilfen gefordert

Vor einigen Jahren hat die Ökonomin Dambisa Moyo für Schlagzeilen gesorgt. Sie hat dazu aufgerufen, dass die westliche Welt ihre Entwicklungshilfe für Afrika doch bitte einstellen solle. Der Grund: In den vergangenen Jahrzehnten seien mehr als zwei Billionen Dollar von den reichen Ländern in die armen geflossen. Nirgendwo sei dadurch aber die Wirtschaft nachhaltig erblüht. Die armen Länder hätten sich abhängig gemacht von den Spenden – aber damit nichts Eigenes aufgebaut.

Zwischen Geben und wirklicher Unterstützung verläuft oft ein schmaler Grat. "Es geht vor allem darum, die betroffenen Menschen, deren Background und deren Kultur zu verstehen", sagt Katharina Turnauer, Stifterin der Katharina-Turnauer-Privatstiftung. "Die Würde des anderen wird beim Spenden oft zu wenig beachtet", sagt Turnauer, die seit 2009 die Stiftung managt.

"Der Mensch muss immer im Mittelpunkt stehen", sagt die Philantropin. Derzeit sind es 25 Projekte, die Turnauer unterstützt. Eines, das ihr besonders ans Herz gewachsen ist, nennt sich Supertramps. Dabei handelt es sich um Stadtrundgänge in Wien, die von Obdachlosen – tatsächlichen und ehemaligen – geleitet werden. Sie zeigen dabei ihre Stadt – also Plätze, an denen sie heimlich schlafen, sich im Winter warm halten oder wo Probleme lauern. Seit 2015 geben diese Guides Einblick in die Bundeshauptstadt, die man so sicher noch nicht wahrgenommen hat.

Wie neuer Antrieb hilft

"Wenn es gelingt, die Leute wieder ins Tun zu bringen, ist oft schon viel erreicht", sagt Turnauer. Das sei es, was Menschen mitunter neuen Antrieb gebe, ihnen wieder Möglichkeiten verschaffe. Dieser Weg könne unterstützt werden.

Ein anderes Projekt, von dem Turnauer leidenschaftlich erzählt, ist der Sozialsupermarkt Somaro. Dass es gelungen ist, dieses Konzept in Rumänien ins Leben zu rufen, erfüllt die Stifterin mit Stolz. Anfangs verlief diese Art des Supermarkts, in dem ausschließlich Waren, die von Partnern aus dem Handel und der Industrie gratis zur Verfügung gestellt werden, holprig. Mittlerweile ist das Konzept laut Turnauer zum Selbstläufer geworden.

Viele Menschen sind auf die Abgabe von Lebensmittel angewiesen. Einrichtungen wie der soziale Supermarkt Somaro bringen Hilfe auf den Weg.
Foto: imago images/biky

Lebensmittel, Kleidung und Produkte des täglichen Bedarfs, die etwa wegen leichten Verpackungsschäden, falscher Etikettierung oder weil sie kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen, am freien Markt nicht mehr verkaufbar sind, füllen die Regale im Somaro und werden dort zu symbolisch niedrigen Preisen an die ärmsten Familien verkauft.

Gescheitert in Albanien

In Albanien ist es hingegen nicht gelungen, dieses Supermarktkonzept ins Leben zu rufen. Gescheitert ist es dort an der Politik. Ein Bürgermeister einer Stadt, in der man so einen Supermarkt eröffnen wollte, drängte darauf, dass auf die geschenkten Lebensmittel noch einmal Steuern bezahlt werden. Dieser Konflikt konnte nicht überwunden werden. "Das hat mich sehr getroffen", sagt Turnauer. Denn in Albanien habe sie die ärgste Armut und Not bei Menschen gesehen.

Auch bei ihrer Tätigkeit sei jeder Tag mit neuen Lernerfahrungen verbunden, sagt Turnauer. Sie hat Familien in der Bronx begleitet und Mutter Teresa in Rom kennen- und ihre Art des Gebens verstehen gelernt. "Diese Arbeit spricht auch die eigene Verletzlichkeit an, das muss man erst auszuhalten lernen", sagt Turnauer. Und man müsse lernen, dass man nicht immer und überall helfen könne.

Es braucht klare Konzepte

Kritisch betrachtet Turnauer den neu aufstrebenden Bereich des Social Business. Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, wollen mit ihren Projekten und Ideen soziale und ökologische Probleme der Gesellschaft lösen. Sie klopfen oft bei gemeinnützigen Stiftungen an und hoffen, dass diese als Geldgeber und Förderer einsteigen.

Wer hier kein klares Geschäftsmodell vorlegen kann oder kein Konzept dafür hat, was genau wie verändert werden soll, hat bei Turnauer wenig Chancen. Ihre Stiftung vergibt an solche Unternehmen zwar Darlehen oder begleitet diese mit ihrer Expertise – aber eben nur, wenn die Konzepte klar sind und die Unternehmen auch die Chance haben, mit ihren Ideen ins Verdienen zu kommen.

Wirklich gut helfen könne man meist nur dort, wo man den kulturellen Background der Menschen verstehe: eine Lektion, die Turnauer in ihrer Arbeit gelernt und die ihr auch ihr Vater Max Turnauer mit auf den Weg gegeben hat. Er hat ihr geraten, mit ihrem Engagement in Europa zu bleiben. Damals habe sie sich eingeschränkt gefühlt ob dieses Ratschlags. Im Laufe der Zeit habe sie verstanden, was ihr Vater ihr damit sagen wollte.

Stiftungen oft beweglicher

Dass Stiftungen in Österreich per se nicht den besten Ruf haben, musste Turnauer im Zuge ihrer Tätigkeit ebenfalls lernen. "Für viele gelten Stifter nur als Steuerhinterzieher und Geldwäscher." Es fehle oft das Verständnis der Menschen, dass diese Stiftungen Positives erreichen wollen. "Es geht nicht nur darum, Geld zu spenden", sagt Turnauer, sondern darum, "Vermögen langfristig zu schützen, Ideen zu fördern und selbst mitzugestalten". Als gemeinnützige Stiftung wolle man keine Konkurrenz zu öffentlichen Stellen oder dem Staat sein.

Stiftungen seien laut Turnauer oft beweglicher und könnten mehr riskieren, weil sie das ja mit ihrem Privatgeld machen und nicht mit Steuergeld. Gelinge es, dass beide Stellen – also staatliche Einrichtungen und Stiftungen – kooperieren, entstünden oft sehr gute Projekte.

In Österreich habe die gemeinnützige Stiftung aber eben einen anderen Stellenwert als in anderen Ländern – vor allem, weil Österreich ein Sozialstaat ist. In den USA gebe es die Form des Sozialstaats nicht. Dort habe die gemeinnützige Stiftung daher auch einen anderen Stellenwert – es werde auch viel offener über Projekte und Förderer gesprochen.

Spendenabsetzbarkeit

Was Turnauer nach wie vor ärgert, ist die Regelung der Spendenabsetzbarkeit in Österreich. Diese ist nur für bestimmte Bereiche – etwa Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen – steuerlich abzugsfähig und für sogenannte mildtätige Zwecke – also etwa bei Vereinen, die Entwicklungs- und Katastrophenhilfe leisten. Für alle Spenden, die nicht in diese Kategorie fallen, müssen 25 Prozent Steuern auf die Unterstützungssumme bezahlt werden. Spenden für den Bereich Bildung seien etwa noch immer nicht steuerlich absetzbar. Dieser Umstand sporne Geldgeber nicht wirklich an, sich in bestimmten Bereichen zu engagieren.

Dass Spenden, etwa für den Bildungsbereich, steuerlich nicht absetzbar sind, ärgert die Geber.
Foto: imago / Thomas Imo / photothek.net

"Philanthropie ist weit mehr, als nur einen Scheck auszustellen und einen Steuerabzug geltend zu machen", sagt Lucy Bernholz, die am Zentrum für Philanthropie und Zivilgesellschaft der Universität Stanford forscht und das Digital Civil Society Lab leitet. Für Bernholz hat es auch einen gebenden und lenkenden Effekt, wenn wir in bestimmten Geschäften einkaufen – wo etwa Waren aus der Nachbarschaft oder solche, die fair gehandelt werden, angeboten werden oder wenn wir mit unserer Zeit oder unseren Talenten Lerngruppen im Ort unterstützen.

"Geben ist auch eine Form der Teilhabe", sagt Bernholz, die anlässlich der Jahrestagung des European Foundation Centre Ende Oktober in Wien war. Ohne die lokale Expertise könne auch viel Geld selten Gutes bewirken. Ja, auch Geldspenden gehören zur Philanthropie – aber Bernholz denkt hier noch weiter. In welche Sektoren Pensionsfonds investieren, ist für die Wissenschafterin auch ein wichtiger Aspekt. In diesem Bereich könne viel bewegt werden, weil Großinvestoren Mitspracherecht haben und mit dem Investment lenkend eingreifen können.

Daten als neue Form

In unseren digitalen Daten sieht Bernholz eine neue Form der Philanthropie. Wer etwa beim Wandern ein Tier sieht, kann dieses Erlebnis mit einer Organisation teilen. Die User bekommen Infos über das Tier, die so gesammelten Daten geben der Organisation wiederum Auskunft über die Biodiversität in bestimmten Regionen. Diese Daten können für die Erforschung des Klimawandels herangezogen werden.

Selbiges sei auch für die medizinische Forschung möglich. Hier gelte es aber, den Datenschutz zu gewährleisten, weil personenbezogene Daten weitergegeben werden. "Die Regeln für diese Art der Datenbereitstellung müssen die Teilnehmenden selber schreiben", empfiehlt Bernholz.

Derzeit sei es so, dass die großen Konzerne unsere Daten verwalten und daran verdienen. Diese hätten aber schon oft gezeigt, dass sie nicht vertrauenswürdig seien. Es gehe für Bernholz auch darum, dass Leute wieder selber entscheiden, wo sie sich engagieren, und dafür auch bereit sind, Daten zu teilen. (Bettina Pfluger, Magazin Portfolio, 2.12.2021)