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77 Prozent der Unternehmen klagen über Probleme bei der Suche nach Fachkräften.

Foto: Getty Images / Tom Werner

Bis vor kurzem suchte Berndt Querfeld noch Mitarbeiter für seine Restaurants und Kaffeehäuser. Seitdem Mitte November der bundesweite Lockdown für Ungeimpfte ausgerufen wurde, wartet der Wiener Gastronom mit Neueinstellungen lieber ab. "Wer weiß, was in den nächsten Wochen noch alles auf uns zukommt."

Querfelds größte Sorge gilt jedoch nicht den Ausgangssperren und drohenden Geschäftseinbußen. Es ist der Arbeitsmarkt, der ihm und seiner Branche Kopfzerbrechen bereitet. Scharenweise zugelaufen sind Gastronomen Fachkräfte zwar noch nie. Zu rau sind die Arbeitsbedingungen vielerorts, zu niedrig ist das Salär.

Seit Beginn der Pandemie haben den Wirten jedoch mehr Österreicher den Rücken gekehrt. Sei es, weil ihre Einkommen aus Kurzarbeit für den Lebensunterhalt nicht mehr reichten. Sei es, weil sich Jobs auftaten, die krisensicherer und besser bezahlt sind oder ein familienfreundlicheres Arbeitsumfeld bieten.

Querfeld erzählt von Mitarbeitern, die in den Autohandel oder in die Immobilienwirtschaft wechselten. "Corona wirbelt den gesamten Arbeitsmarkt im Tourismus wie in der Gastronomie durcheinander", resümiert er. "Und das lässt sich durch keine staatliche Hilfe ausgleichen."

Kein Kind der Krise

Der Mangel an Fachkräften ist freilich kein Kind der Krise. Personalengpässe begleiten Österreichs Wirtschaft seit Jahren. Ob in Industrie und Handwerk, Logistik, Handel und Dienstleistung, ob in der Pflege oder in der IT: Es gibt kaum Branchen, die bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern nicht an ihre Grenzen stoßen.

77 Prozent der Führungskräfte in Unternehmen beklagten in einer Umfrage des Beraters EY Ende 2020 Probleme bei der Rekrutierung geeigneten Personals. 67 Prozent stellten Leute ein, die sie vor einem Jahrzehnt noch abgelehnt hätten. Zwei Drittel der Befragten mühten sich vor allem mit der Besetzung von Vollzeitstellen ab. Den Schlüssel, um dem Manko entgegenzuwirken, machte das Gros der Unternehmer in fairer Bezahlung und mehr Work-Life-Balance aus.

Corona hat die Lage verschärft. Die Wirtschaft sprang vielerorts rascher an als erwartet. Der Arbeitsmarkt hinkt dem Aufschwung hinterher. Allein Ende Oktober wies das Arbeitsmarktservice hierzulande mehr als 112.000 offene Stellen aus. Der VP-Wirtschaftsbund bezog relevante Onlinejobportale mit ein und zählte mehr als das Doppelte. Damit gebe es faktisch so viele Arbeitslose wie freie Stellen.

Frauen, Lehrlinge, Ältere

Die Ursachen dafür sind so vielfältig wie tief verwurzelt. Immer weniger Betriebe sind etwa bereit oder sehen sich dazu in der Lage, Lehrlinge auszubilden. Die Lehre hadert nach wie vor mit ihrem schlechten Image.

Fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung versperren Frauen vor allem im ländlichen Raum den Weg hin zu Vollzeitstellen. Stellt sich Nachwuchs ein, treten auch hochqualifizierte Frauen den Rückzug in die Familie an. Von Vereinbarkeit mit dem Familienleben sind viele Jobs meilenweit entfernt.

Der Pool älterer Arbeitnehmer bleibt trotz höherer Lebenserwartung unausgeschöpft. Jener der Arbeitskräfte aus den umliegenden Ostländern wiederum versiegt mit wachsendem Wohlstand in Herkunftsländern.

Experten sind sich einig: Höherer Druck auf Arbeitslose allein wird nicht mehr Menschen in Beschäftigung bringen. Dafür gehört an wesentlich mehr Stellschrauben gedreht. (Verena Kainrath, Magazin "Portfolio", 2.12.2021)