"Einige Wissenschafter gehen davon aus, dass bis 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren schwimmen könnte."

Foto: AFP / Juni Kriswanto

Egal ob Papier, Plastik, Metall oder Glas – jeder Mensch schmeißt täglich etwas weg, womit die Müllberge stetig wachsen. 300 Millionen Tonnen Plastik wurden weltweit im Jahr 2019 weggeschmissen, 50 Millionen Tonnen Elektronikabfälle und 33 Prozent aller Lebensmittel landeten im Müll, wie das World Resources Institute erhoben hat.

Einige Wissenschafter gehen sogar davon aus, dass bis zum Jahr 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren schwimmen könnte. Eine wahrlich schreckliche Vorstellung.

Jedes Jahr entstehen laut einer Erhebung der Weltbank 2,01 Milliarden Tonnen an kommunalem Müll. Die Pro-Kopf-Menge an erzeugtem Abfall beläuft sich damit auf 270 Kilogramm Müll pro Jahr. Mit der steigenden Müllmenge hat sich aber auch die Kreislaufwirtschaft besser etabliert – zumindest in den entwickelten Ländern wird Recycling ein immer wichtigerer Faktor.

Strengere Regierungsvorschriften – etwa das Verbot von Plastiksackerln in einigen Ländern –, Initiativen zum Umweltschutz und eine steigende Sensibilität in weiten Teilen der Bevölkerung haben dazu beigetragen, das Thema Müll, dessen Verwertung/Vermeidung, ins Zentrum zu rücken. Und dennoch ist Müll etwas, das laut Experten eher zu- als abnehmen wird.

Das liegt daran, dass wachsende Käuferschichten entstehen und Güter immer kurzlebiger werden. Die Weltbank geht von einer rund 70-prozentigen Zunahme des weltweiten Abfallaufkommens auf rund 3,4 Milliarden Tonnen aus.

Stetiges Wachstum

Auswirkungen hat das jedenfalls auf den globalen Markt für Abfallmanagement. Dieser soll – bei einer jährlichen Wachstumsrate von 5,1 Prozent – bis zum Jahr 2026 ein Volumen von 542,7 Milliarden Dollar erreichen. "Das Aufkommen neuer Industrien, die Globalisierung und der steigende Verbrauch der Bevölkerung gelten als die Haupttreiber für die Expansion des Recycling- und Abfallwirtschaftsmarktes", sagt Andrey Wolfsbein, Österreich-Sprecher der Investmentgesellschaft Freedom Finance.

Die Abfallindustrie zählt für den Experten daher zu einer sicheren Branche – auch für Anleger. "Abfall wird auch in Zukunft entstehen, das bedeutet für Investoren, dass die Nachfrage nach Abfall- und Recyclingsystemen weiter vorhanden sein wird", sagt Wolfsbein.

Wie sehr Unternehmen vom Müll profitieren, zeigt der US-Umwelt- und -Entsorgungsdienstleister Clean Harbors mit Sitz in Norwell, Massachusetts. 1980 gegründet, hat er zuletzt mit 14.400 Mitarbeitern einen Umsatz von 3,14 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet.

Für Anleger könnte dieses Unternehmen auch deswegen von Interesse sein, weil Clean Harbors mit Unternehmen aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeitet und damit breit aufgestellt ist. Für 1,25 Milliarden Dollar wurde kürzlich der Kauf von Hydo-Chem bekanntgegeben. Weitere Zukäufe sind in der Pipeline.

Fusion

Weil immer mehr Staaten weltweit ihre Müllentsorgung verbessern, dürfte die Branche wohl interessant bleiben. Das US-Unternehmen Waste Management etwa hat seinen Nettoertrag in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert. Im zweiten Quartal 2021 übertraf der Dienstleister mit einem Gewinn von 351 Millionen Dollar die Erwartungen der Analysten. Der Umsatz stieg um knapp 26 Prozent auf 4,48 Milliarden Dollar. Für das Gesamtjahr hat der Recyclingspezialist seine Prognose angehoben.

In Frankreich hat heuer Veolia Environment auf sich aufmerksam gemacht. Der Abfallentsorger hat große Teile seines Konkurrenten Suez übernommen. Veolia-Chef Antoine Frérot kündigte an, mit der Fusion "den Weltmarktführer der ökologischen Transformation zu schaffen".

Ein Blick auf die künftige Größe des Konzerns zeigt, dass Veolia zumindest der mit Abstand größte Entsorger der Welt sein wird. Durch die Integration der Suez-Aktivitäten soll der Jahresumsatz auf rund 37 Milliarden Euro steigen. In Deutschland wächst das Familienunternehmen Remondis stetig. Der Abfallspezialist ist in mehr als 30 Ländern aktiv (auch in Österreich) – allerdings nicht börsennotiert.

Gegentrend

Vom Müll profitieren kann aber auch, wer auf den Gegentrend setzt. Kunststoff ist hierfür ein gutes Beispiel. Er stellt aktuell rund zwölf Prozent des weltweiten Abfalls dar und zählt zu den wichtigsten Verursachern der Umweltverschmutzung – insbesondere in den Meeren.

Kompostierbare Biokunststoffe sind die Alternative zu petrochemischen Kunststoffen. Sie können verwendet werden, um ein breites Spektrum an Produkten herzustellen: von Strohhalmen, Bechern und Flaschen bis hin zu Einkaufstaschen, Spielwaren oder Folien für Windeln.

Der deutsche Chemiekonzern BASF hat mit Ecovio bereits einen vollständig kompostierbaren Kunststoff hergestellt. In Österreich hat der Stärkekonzern Agrana den Biokunststoff Agenacomp auf den Markt gebracht. Es gibt also gute Chancen, dass aus Müll ein sauberes Investment wird. (Bettina Pfluger, Magazin "Portfolio", 2.12.2021)