In den nächsten Wochen werden zahlreiche Einkaufsstraßen wieder leer bleiben.

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Die Frage ist so alt wie der erste Lockdown im März 2020, bekommt nun aber neuerlich Brisanz: Müssen Unternehmer, die ihr Geschäftslokal aufgrund von Betretungsverboten nicht mehr nutzen können, weiter ihre Miete bezahlen? In einer ersten Grundsatzentscheidung hat der Oberste Gerichtshof (OGH) nun klargestellt: Nein, müssen sie nicht. Der Entscheidung lag allerdings ein besonderer Sachverhalt zugrunde. Das betroffene Sonnenstudio musste seinen Betrieb im Lockdown komplett einstellen, konnte das Geschäftslokal also gar nicht mehr nutzen. Zumindest in diesen Fällen scheint die Rechtslage geklärt. Abgesehen davon bleiben aber viele Fragen offen.

Teilweise nutzbar?

Da wäre etwa das Problem des "Restnutzens". Viele Unternehmen konnten ihr Geschäftslokal weiterhin für bestimmte Zwecke nutzen, sei es als Büro für administrative Tätigkeiten oder als Küche für Essenslieferungen. Verbleibt nur das Inventar im Mietobjekt, liegt jedenfalls kein Restnutzen vor. Das hat der OGH in der aktuellen Entscheidung bestätigt. Abgesehen davon ist die Abgrenzung zwischen gänzlicher und teilweiser Unbrauchbarkeit aber schwierig. Im Fall der teilweisen Nutzbarkeit ist zumindest bei Mietverträgen eine Reduktion der Miete möglich.

"Die Gretchenfrage ist aber, wie man die Mietreduktion berechnet", sagt Rechtsanwalt Reinhard Pesek. Unter Juristen werden drei verschiedene Ansätze diskutiert. Eine Ansicht ist, dass man die Mietzinsminderung mit dem Ausmaß des Umsatzrückgangs bemessen sollte. Eine andere stellt auf die nutzbare Fläche des Lokals ab. Ist etwa nur noch die Küche benutzbar, der Speisesaal allerdings nicht, wäre nur noch die Miete für die Fläche der Küche zu bezahlen. "Der dritte Ansatz, den auch ich teile, ist, dass man schauen muss, wie viel man für das Objekt bezahlen müsste, wenn man von Anfang an ein Geschäftslokal gemietet hätte, in dem nur Take-away angeboten werden kann", sagt Pesek. Das müsse im konkreten Fall ein Sachverständiger beurteilen, allerdings könne das Gericht auch ohne Beiziehung eines Sachverständigen eine Ermessensentscheidung treffen.

Pachtvertrag oder Mietvertrag?

Gegenstand der aktuellen OGH-Entscheidung war ein Mietvertrag. Bei Pachtverträgen ist die Rechtslage allerdings differenzierter. Auch hier gilt: Ist das Bestandobjekt gänzlich unbrauchbar, muss der Pächter nicht bezahlen. In Fällen, in denen ein Restnutzen bleibt, wird aber unterschieden. Bei Pachtverträgen, die länger als ein Jahr dauern, ist eine Minderung der Pacht grundsätzlich ausgeschlossen. Für Pachtverträge ist die Frage, wann ein Restnutzen vorliegt, also umso bedeutender. "Hier wird der Pächter durch das Gesetz schlechter als der Mieter gestellt", sagt Pesek. Aktuell berät der Verfassungsgerichtshof darüber, ob diese Differenzierung überhaupt erlaubt ist.

Dazu kommt, dass die Unterscheidung zwischen Miete und Pacht in der Praxis schwierig ist. "Beim Mietvertrag mietet man einen Raum an, bei der Pacht ein darin betriebenes, lebendes Unternehmen", sagt Pesek. Das setze voraus, dass man vom Verpächter einen Betrieb übernimmt, in dem etwa ein Kundenstock oder ein Warenlager vorhanden sind. Oft wird in Pachtverträgen auch eine Betriebspflicht vorgesehen. Klassisches Beispiel dafür sind Geschäftslokale in Shoppingcentern.

Staatliche Beihilfen?

Der Oberste Gerichtshof neigt dazu, nur die Fragen zu beantworten, die er in einem konkreten Verfahren auch beantworten muss. Offen blieb in der aktuellen Entscheidung daher, welche Auswirkungen staatliche Beihilfen auf die Mietreduktion haben. Im Fall des Sonnenstudios ging es um den Zeitraum im April 2020. Die Verordnung für die Fixkostenzuschüsse ist aber erst im Mai in Kraft getreten und war deshalb aus Sicht des Obersten Gerichtshofs rechtlich nicht relevant.

Allerdings gibt es bereits Entscheidungen von Landesgerichten, die sich mit der Frage beschäftigt haben. Demnach sind sowohl der Fixkostenzuschuss als auch der Umsatzersatz für die Höhe der Mietzinsminderung irrelevant. Pesek teilt diese Auffassung: "Das sind zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse. Für die Mietzinsminderung kann es daher keine Relevanz haben, ob der Mieter für die Abfederung von wirtschaftlichen Folgen eine Unterstützungsleistung vom Staat bekommt." Mieter könnten nun aber ihrerseits dazu gezwungen sein, Fixkostenzuschüsse, die sie eigentlich nicht gebraucht hätten, zurückzuzahlen. Wie die staatliche Förderstelle Cofag damit umgehen wird, bleibt abzuwarten.

Geringerer Umsatz?

Am umstrittensten ist unter Juristinnen und Juristen aktuell die Frage, ob nur Betretungsverbote während der Lockdowns oder auch allgemeine Umsatzeinbußen durch die Corona-Krise einen Anspruch auf Minderung des Mietzinses begründen könnten. Kann sich ein Gewerbetreibender etwa darauf stützen, dass aufgrund von Reisewarnungen weniger Touristen in der Stadt sind? Aktuell sind mehrere Verfahren zu diesem Thema anhängig. (Jakob Pflügl, 22.11.2021)