Der französische Dirigent Raphaël Pichon.

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Wien – "Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?" Diese rhetorischen Fragen, die Apostel Paulus in seinem ersten Korintherbrief stellt, vertonte Brahms in seinem Deutschen Requiem vor allem im Sinne des Spendens von Trost. "Ich habe meine Trauermusik vollendet als Seligpreisung der Leidtragenden", so der damals 33-jährige Komponist, dessen Werk Raphaël Pichon und sein Ensemble Pygmalion im Konzerthaus überwältigend darboten.

Wenn der vorbildlich artikulierende Chor nach der melancholischen Einleitung der Bratschen, Celli und Kontrabässe mit seinem samtig-dunklen Klang ganz leise die ersten Worte des Requiems haucht ("Selig sind"), ist das von immenser Wirkung. Wunderbar die makellos geführten Stimmen von Chor und Orchester, bei denen selbst die mächtigen Tutti-Passagen ("Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit") nie grob oder "fett" erscheinen. Delikat dazu auch das Gefühl des Ensembles für die Expressivität wie auch für das Innige des Meisterwerks.

Mahnende Worte

Dabei verzichtete Pichon auf jegliche Originalklangentschlackung. Er sorgte im Großen Saal trotz romantischer Klangschönheit, Dichte und Intensität für einen ausgewogenen, differenzierten Ton. Berührend schön sang zudem Sopranistin Nikola Hillebrand im fünften Satz "Ihr habt nun Traurigkeit", während Bariton André Schuen stets den richtigen Tonfall zwischen Intimität und den mahnenden Worten des Psalmisten fand.

Es war das ganze ein Fest für Herz und Ohr, das mit Chormusik von Felix Mendelssohn Bartholdy, Brahms selbst und Heinrich Schütz’ A-cappella-Stück Selig sind dieToten eröffnet wurde. Brahms war übrigens nicht nur ein großer Verehrer des Komponisten. Schütz wählte für seinen sechsstimmigen Chor eine Passage aus der Offenbarung des Johannes, die auch Brahms im letzten Satz des Deutschen Requiems selbst höchst eindringlich vertonte. (mda, 19.11.2021)