Abgaben müssten Anreize bieten, klimafreundlicher zu werden, sagt Thomas Haagensen. Eine Stornowelle befürchtet er wegen des Lockdowns nicht.

STANDARD: Im Sommer ist es für die Airlines wieder besser gelaufen. Wie sah es bei Easyjet aus?

Haagensen: Im Laufe des Sommers haben wir unser Flugangebot erheblich ausgeweitet, sodass wir die zweitgrößte Fluggesellschaft in Europa waren. Wir haben von Juli bis September 17,3 Mio. Sitzplätze angeboten, mit starker Nachfrage auf innereuropäischen und britischen Inlandsflügen. Schwierig war es vor allem in Großbritannien. Wir haben normalerweise 50 Prozent unserer Kapazität in England und 50 Prozent in Europa. Diesen Sommer hatten wir über 60 Prozent in Europa.

STANDARD: In welchem Ausmaß haben Sie das Angebot hochgefahren?

Haagensen: Wir haben unsere Kapazität über das letzte Jahr regelmäßig aufgestockt auf 58 Prozent der Kapazitäten des Geschäftsjahres 2019 im letzten Quartal. Von Oktober bis Dezember sollen es bis zu 70 Prozent werden.

Die britische Easyjet (nach Ryanair zweitgrößte Billigairline Europas) hat in Wien das Flugangebot während der Corona-Monate ziemlich eingedampft.
Foto: AFP/JUSTIN TALLIS

STANDARD: Welche Destinationen waren besonders gefragt?

Haagensen: Die Märkte sind unterschiedlich, aber insgesamt sind die Feriendestinationen schneller zurückgekommen. Besonders Griechenland, aber auch andere Klassiker wie Mallorca, Spanien und Italien wurden gut nachgefragt. In unseren Märkten, wo wir Basen haben, sowie in Italien, Frankreich oder Portugal war das Angebot von Juli bis September sogar höher als 2019.

STANDARD: Wie sieht es bei Geschäftsreisen aus?

Haagensen: Wir sind ziemlich zufrieden. Wir haben einen höheren Anteil an mittelständischen Betrieben. Die reisen mehr mit uns, und sie waren auch schneller wieder am Reisen. Bauindustrie und Produktion haben eigentlich auch nicht aufgehört zu fliegen. Wir hatten zuletzt für ein paar Monate fast den gleichen Anteil an Geschäftsreisenden wie vor der Krise. Da waren wir bei ungefähr 18 Prozent.

STANDARD: In Österreich hat sich die Infektionslage ziemlich zugespitzt. Wie läuft es hier?

Haagensen: Wir haben im Moment 17 Strecken nach Österreich. Die meisten in Skigebiete, zum Beispiel Salzburg und Innsbruck. Wir sehen, dass sich die Nachfrage nach Winterdestinationen besonders bei den Quellenmärkten und besonders in England verstärkt. Die Buchungen sind derzeit sehr positiv. Die Menschen konnten letztes Jahr außerhalb der Schweiz nicht Skiurlaub machen, und die vorige Saison war ziemlich kurz. Wir haben auch bei der Finanzkrise 2008 gesehen, dass die Skiferien wirklich wichtig sind.

STANDARD: Mit den Lockdowns wird wohl wieder storniert?

Haagensen: Wir wissen, dass sich Pläne in der aktuellen Zeit schnell ändern können. Unsere Kunden können im Rahmen der Flex-Garantie ihre Flüge selbst und ohne Gebühr bis zu zwei Stunden vor Abflug ändern. Kunden können auf alle Flüge umbuchen, die derzeit bis Ende September 2022 angeboten werden. Das gilt für Änderungen, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 vorgenommen werden.

Eine Easyjet-Maschine in Innsbruck. Ob aus dem Skiurlaub etwas wird, wird sich weisen.
Foto: imago/Arnulf Hettrich

STANDARD: Stichwort Änderungen: In vielen Bereichen ist mittlerweile 2G Voraussetzung. Sollte das nicht auch in den Flugzeugen gelten?

Haagensen: Wir sind ein Verkehrsmittel wie Bahnen und Busse. Die Airlines waren sehr schnell mit der Umsetzung der Vorschriften, und es hat sich auch gezeigt, dass das Risiko nicht höher ist als in anderen Verkehrsmitteln. Eher niedriger, weil wir die Luft so häufig reinigen.

STANDARD: Wäre eine Impfpflicht für die Crews nicht dennoch sinnvoll?

Haagensen: Wir passen uns an die lokalen Regelungen an. Wir haben Crews mit lokalen Arbeitsverträgen an unseren Standorten in Deutschland, Frankreich, Italien. Im Moment gibt es da keine Impfpflicht.

STANDARD: Österreich verfügt nun eine Impfpflicht, vielerorts gilt 2G, 3G, da und dort Maskenpflicht. Verwirrend für Konsumenten, oder?

Haagensen: Es wäre sehr viel besser, wenn es eine bessere Koordination in Europa gebe. Für uns ist am wichtigsten, dass die Regeln an die Situation gekoppelt sind und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Wir haben im Frühling hart daran gearbeitet, um zu demonstrieren, dass Reisen fast keinen Impact auf die Pandemie hat.

STANDARD: Unmittelbar mag das sein, aber wie sich die Menschen an den verschiedenen Destinationen verhalten, hat sehr wohl einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen.

Haagensen: Es gab zwei verschiedene Strategien – mit Zero Covid eine wie in Australien. Ein bisschen gab es auch in England diese Agenda. Das macht keinen Sinn. Man muss darauf achten, dass man so normal wie möglich leben kann, aber dabei keinen Kompromiss bei Sicherheit und Gesundheit macht und Krankenhäuser nicht überlastet.

STANDARD: Kompliziert ist auch das Thema Klimawandel. Die Flugbranche soll klimafreundlicher werden. Die EU möchte die Steuerbefreiung für Kerosin abschaffen. Easyjet hat als eine der wenigen Airlines nichts dagegen.

"Wir bezahlen das Gleiche wie eine Airline, die sehr alte Flugzeuge hat. Das macht keinen Sinn". Mit der Luftverkehrsabgabe ist Haagensen nicht glücklich.
Foto: Easyjet

Haagensen: Wir waren auch eine der ersten Airlines in Europa, die nicht gegen ETS (Zertifikate, Anm.) waren. Wir müssen klar sagen, dass unsere Industrie einen Einfluss auf den Klimawandel hat. Daran müssen wir als Industrie unbedingt arbeiten. Wir haben Kurzstrecken, das ist unser Hauptgeschäft, und dort gibt es wirklich sehr konkrete Pläne für emissionsfreie Technologien. Das gilt es zu beschleunigen. Bis dahin können nachhaltige Kraftstoffe eine Zwischenlösung sein.

STANDARD: Emissionsfreie Technologie wird bei großen Passagierflugzeugen aber noch dauern.

Haagensen: Daran arbeiten wir mit Airbus. Die haben Pläne für Flugzeuge, die mehr oder weniger wie unsere Modelle sind und mit Wasserstoff betrieben werden – 2035 soll das verfügbar sein. Wir setzen aber auch schon auf Übergangslösungen wie Offsetting und kompensieren im Namen unserer Kunden alle treibstoffverursachten CO2-Emissionen. Was Steuern betrifft, so sind wir nicht dagegen, wenn es einen Zusammenhang zwischen Steuer und den C02-Emissionen gibt.

STANDARD: Österreich hat die Flugticketabgabe zuletzt wieder erhöht. Das freut Sie weniger?

Haagensen: Das macht in dieser Form keinen Sinn. Die Abgabe muss mit den Emissionen korrelieren. Wir bezahlen in Österreich mit der Luftverkehrsabgabe das Gleiche wie eine Airline, die sehr alte Flugzeuge oder eine sehr geringe Auslastung hat, und das Gleiche wie Airlines, die überhaupt nicht kompensieren, während wir alles kompensieren.

STANDARD: Wie gefällt Ihnen die Idee eines Mindestticketpreises?

Haagensen: Wir haben das Fliegen in Europa demokratisiert. Das zurückzunehmen und zu sagen "Fliegen ist nur für die Reichen oder für Leute, die ein bisschen mehr Geld haben", ist nicht richtig.

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Wie wird Fliegen klimafreundlicher? Airlinechefs setzen in der Hauptsache auf neue Technologien.
Foto: Reuters/David Gray

STANDARD: Aber muss man um 9,90Euro nach Mallorca fliegen?

Haagensen: Was hat ein Mindestticketpreis für einen Effekt auf das Klima? Keinen.

STANDARD: Das wissen wir nicht. Vielleicht fliegen die Leute weniger?

Haagensen: Aber die, die fliegen, haben immer noch einen Impact auf den Klimawandel. Die, die nicht mehr fliegen, sind die, die es sich nicht mehr leisten können. Das ist nicht richtig.

STANDARD: EU-Klimakommissar Frans Timmermans hat sich überhaupt gegen kürzere Flüge unter 600Kilometern ausgesprochen.

Haagensen: Wenn es Investitionen in Schnellzüge gibt und dann Verbindungen unter drei Stunden, dann nehmen die Reisenden die Bahn. Aber für den Rest macht Fliegen noch viel Sinn. Es ist nicht entweder oder, es braucht beides.

(INTERVIEW: Regina Bruckner, 21.11.2021)