Seitdem der Lockdown für Ungeimpfte in Kraft ist, muss man gegenüber den Behörden "glaubhaft" machen können, geimpft oder genesen zu sein.

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Die Kontrollen finden meist in der Nähe von Geschäften statt, die, solange der Lockdown nur für Ungeimpfte gilt, für ebendiese tabu sind.

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In Innsbruck wird etwa auf dem Christkindlmarkt vorm Goldenen Dachl kontrolliert.

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Wien/Innsbruck – Als die Frau mit Einkaufssackerl den Shop auf der Mariahilfer Straße verlässt, war sie wohl nicht darauf gefasst, von einem Polizisten in Empfang genommen zu werden. "Dürfte ich um ihren 2G-Nachweis bitten?", fragt Inspektor Dominik B., als die Dame auf die Straße tritt. "Sorry", presst die Frau erschrocken hervor, sie verstehe nicht so gut Deutsch. Als der Beamte den Begriff "Green Pass" erwähnt, ist der Frau zwar alles klar – dabei hat sie ihn aber nicht. Lediglich ihre E-Card kann sie anbieten. Sie versichert aber "glaubhaft", wie B. später erläutert, dass der Impfpass zu Hause liege. Die Frau kommt mit einer Verwarnung davon.

Dass er eines Tages vor einem Geschäft in einer Wiener Einkaufsstraße stehen und Leute nach ihren Impfpässen fragen wird, hat sich Inspektor B. während seiner Ausbildungszeit vermutlich nicht ausgemalt. Doch die Corona-Pandemie brachte für viele Berufsgruppen neue Arbeitsfelder und Belastungen – so auch für die Polizei. Und so kommt es, dass der Mann als Teil der Wiener Bereitschaftseinheit gemeinsam mit Kollegen die "Mahü" patrouilliert.

Gewusel auf der Mahü

Trotz des Teillockdowns ist an diesem frühen Nachmittag in der Vorwoche einiges los. Manch einer gibt an, schon zum Weihnachtsshopping unterwegs zu sein. Die Polizei sorgt mit ihren Kontrollen jedenfalls für Aufsehen, immer wieder wechselt der eine oder andere schnell die Straßenseite. Wenn man sich nicht allzu auffällig verhält, wird man im Lockdown für Ungeimpfte aber vermutlich auch nicht aufs Geratewohl kontrolliert. Spazieren gehen darf schließlich jeder. Shoppen jedoch nicht: Deshalb postieren sich die Polizisten heute auch primär vor Geschäftseingängen. "Wir kontrollieren dort, wo Leute zusammenkommen", fasst es Innenministeriums-Sprecher Paul Eidenberger zusammen. Das bedeutet vor allem: Gastronomie und Einkauf.

Die Regelungen, wer wann wo hinein oder gar raus darf, änderten sich zuletzt nahezu wöchentlich. Vor knapp zwei Wochen schrumpfte die 3G-Regel bundesweit auf 2G. Wenige Tage später wurden Ungeimpfte in den Lockdown geschickt. Sie durften die Wohnung nur noch dann verlassen, wenn die berühmten Ausnahmen vorliegen, die etwa auch psychische Erholung umfassen. Ab Montag wird die Polizei wohl bei Kontrollen hingegen wieder alle nach dem Grund fragen, wieso sie sich draußen aufhalten. Der Lockdown gilt dann wieder für alle.

Strafrahmen

Erlaubt ist weiterhin die Fahrt in die Arbeit, in die Schule oder an die Uni – jedenfalls solange diese überhaupt geöffnet sind. Aber eben nicht jede Art von Einkauf. Das ist nicht allen bewusst: Als eine junge Frau beim Verlassen eines Geschäfts von Bezirksinspektorin Marlene S. nach einem Nachweis gefragt wird, seufzt sie sichtlich genervt. Nein, sie habe keinen. An die Uni könne sie immerhin auch mit einem PCR-Test. "Sie dürfen aber nur in Lebensmittelgeschäfte gehen", erklärt ihr die Beamtin. Die Studentin kassiert eine Anzeige.

Der Strafrahmen bei Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkung reicht bis zu 1450 Euro. Fragen danach, wie sie den Lockdown empfinde, will die junge Frau nicht beantworten. Nicht jeder wird automatisch angezeigt, erläutert Polizistin S.: Die Dame habe sich uneinsichtig gezeigt, deswegen sei eine Abmahnung nicht infrage gekommen.

Diskussionen deeskalieren

Die Beamten wurden von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) dazu angehalten, der Maxime "Jeder Bürgerkontakt soll eine Covid-19-Kontrolle sein" zu folgen. In der Praxis werde das natürlich sinnvoll umgesetzt: Wenn ein Einsatz gefährlich sei, frage man nicht mittendrin nach einem Immunitätsnachweis, sagt Eidenberger.

Das gilt im Osten wie im Westen: "Bei Diskussionen immer deeskalieren", sagt der Innsbrucker Kollege, Stadtpolizeikommandant Romed Giner, bevor er mit seinem Team auf Streife geht. Es wird genickt, dann machen sich seine sechs Kolleginnen und Kollegen auf den Weg durch die Innsbrucker Maria-Theresien-Straße.

Ein paar Meter hinter der Truppe, die sich langsam durch die eher schlecht besuchte Fußgängerzone schiebt, hört man die Passantinnen und Passanten die Szenerie immer wieder kommentieren. Von "Die armen Polizisten müssen das jetzt ausbaden" bis hin zu "Wie im Polizeistaat" reicht das Getuschel. Pro Bezirk sind täglich zusätzlich zwei Streifen für die Kontrollen abgestellt.

Kontrollen und Kiachl

Vor dem Goldenen Dachl hatte in der Vorwoche bereits der Christkindlmarkt geöffnet. Konsumieren durfte hier nur, wer unter die 2G-Regelung fällt. Genau das prüften die Beamten vor den Glühweinstandln. Trotz Zimt- und Kiachl-Duft wollte dabei keine vorweihnachtliche Stimmung aufkommen. Corona ist das alles überschattende Thema. Dagegen kam auch die blondperückte Christkindl-Darstellerin nicht an, die tapfer Geschenke verteilt.

Am Eingang zu den Rathausgalerien nehmen die Beamten einen jungen Mann mit Skateboard ins Visier, der gerade aufgebracht telefonierte. Er unterbricht sein Telefonat und zeigt den Polizisten seinen Impfnachweis. Die Kontrollen findet er "scheiße", wie er ganz offen sagt. Zugleich habe er aber Verständnis dafür: "Sie haben mich in einem schlechten Moment erwischt. Ich hatte gerade etwas Stress mit meiner Freundin." Angesichts der Infektionslage seien die Maßnahmen leider notwendig, ist er überzeugt. Während der junge Mann sich wieder seiner Beziehung widmet, wendet sich eine Passantin an Kommandant Giner: "Sagen Sie, ist dieses Polizeiaufgebot wegen Corona?" Sie zeigt sich verwundert: "Ich hab den Eindruck, dass die Polizeipräsenz seit Monaten in der Innenstadt enorm ist."

Mehrfach Kontrollierte

Eine ältere Frau in der Bundeshauptstadt sieht das ähnlich. "Ich finde es gut, dass Sie kontrollieren", sagt sie zu einem Beamten, während sie in ihrer Tasche kramt, um den Impfpass rauszufischen. "Aber es ist schon häufig." Ob sie denn bisher schon einmal kontrolliert worden sei? "Ja, gerade erst!", meint sie.

Zwischen Montag und Donnerstag wurden bundesweit etwa 115.000 Kontrollen durchgeführt. Dabei wurden etwa 700 Anzeigen erstattet und Organmandate erlassen, wie das Innenministerium mitteilt.

Tricks der Schwurbler und Leugner

Bereits in den ersten paar Minuten der Schwerpunktkontrolle bekommt Inspektor B. drei verschiedene Varianten eines Impfzertifikats zu sehen. Mit "geschultem Auge" könne man Fälschungen meist recht gut erkennen, sagt er gelassen, während er die Augen zusammenzwickt und ein Zertifikat unter die Lupe nimmt. Man werde auch regelmäßig über die neuen Trends in der Corona-Leugner-Szene informiert.

Am beliebtesten sei derzeit das Aneignen eines zwar funktionierenden, aber fremden QR-Codes, sagt der Beamte, und händigt einem Mann wieder seinen Impfnachweis aus. Wenn die Kontrollierten den grünen Pass samt QR-Code zeigen, wird dieser direkt gescannt. Ältere haben allerdings oft den Impfpass oder einen ausgedruckten Nachweis, den sie von ihrem Hausarzt erhielten, dabei.

Auch am Wochenende wird der Beamte "aller Voraussicht nach" im Einsatz sein: bei der Großdemo gegen Corona-Maßnahmen. Denn das Recht auf Versammlung gilt auch für Ungeimpfte. Bei der Frage, mit welcher Gefahrenlage er konkret rechne, zögert der Polizist kurz. "Das Aggressionslevel ist zum Teil schon hoch", sagt er schließlich. Aber darauf stelle sich jeder im Vorfeld innerlich ein. (Steffen Arora, Vanessa Gaigg, 20.11.2021)