Eine Aufnahme von der Demonstration am Samstag in Wien.

Foto: Christian Fischer

Am Samstag rief die FPÖ in Kooperation mit mehreren "Bürgerbewegungen" aus der Querdenker-Szene zu einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen. Auch die Partei MFG beteiligte sich am Protest in Wien. 40.000 Personen folgten dem Aufruf und zogen bis in die Abendstunden in mehreren Märschen durch die Innenstadt. Wie schon bei vergangenen Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen kam es auch dieses Mal laut Polizei zu mehreren mutmaßlichen Verstößen gegen das Verbotsgesetz.

Derartige Demonstrationen sind für die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien mitunter ein Grund, um wegen antisemitischer Vorfälle Sicherheitswarnungen an ihre Mitglieder zu verschicken. Das geschah auch vor diesem Wochenende. Die Demos stellten eine "erneute Herausforderung" für die jüdische Gemeinde dar, sagt Oskar Deutsch in einem Statement an den STANDARD. Eine Herausforderung, die aber sehr gut gemeistert worden sei. "Ich danke den Sicherheitsleuten der IKG, der Polizei und dem Bundesheer für den gut organisierten Schutz der Synagogen. Wer am Shabbat eine Synagoge besuchen wollte, konnte dies auch tun", sagt Deutsch.

Zunahme antisemitischer Vorfälle

Leider sei es aber auch gestern zu einer antisemitischen Beschimpfung auf offener Straße gekommen. Seit Pandemie-Beginn verzeichnete die Antisemitismus-Meldestelle eine deutliche Zunahme derartiger Vorfälle. "Juden und Jüdinnen müssen leider besonders wachsam sein, aber gleichzeitig wissen wir uns an der Seite der demokratischen Mehrheit und lassen uns nicht einschüchtern", stellt Deutsch klar.

Die Demonstrationen an sich bezeichnet der IKG-Präsident als realitätsfremd: "Sie wurden von Menschen mit teils antisemitischen Wahnvorstellungen und deklarierten Neonazis organisiert und angeführt." Er gehe zwar davon aus, dass nicht alle Teilnehmenden rechtsextrem seien, aber sie seien "Mitläufer im wahrsten Sinne des Wortes". Extremismus sei dann am gefährlichsten, wenn er auf viele solcher Mitläufer treffe.

"Gemeingefährlich"

Zudem werde in den Spitälern derzeit in ganz Österreich um das Leben von Patienten und Patientinnen gekämpft: "Schutzmaßnahmen dienen doch einzig allein dem Schutz der Gesundheit." Ohne Kontaktreduktion und Masken könne die Gesundheitsversorgung nicht garantiert werden. "Und dann fordern ein paar tausend Leute auf den Straßen Wiens de facto, dass die Gesundheitsversorgung zusammenbrechen soll und dass man erkrankte oder verunfallten Menschen nicht mehr in der Weise helfen können soll, wie wir es in Österreich gewohnt sind und wie es alle schätzen? Das ist menschenverachtend und gemeingefährlich", sagt Deutsch.

Neben den jüdischen Einrichtungen erhöhten die Sicherheitsbehörden in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien auch den Schutz vor gefährdeter Infrastruktur wie Impfboxen und dem Austria Center, bei dem der Großteil der Impfungen durchgeführt wird. Journalistinnen und Journalisten berichteten aufgrund der aggressiven Stimmung von den Versammlungen mitunter ohne Logo des Medienunternehmens. (Vanessa Gaigg, 21.22.2021)