Vize-Polizeipräsident von Wien, Franz Eigner und Innenminister Karl Nehammer bei der Pressekonferenz am Sonntag im Festsaal des Innenministeriums.

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Nach einer Woche, die "für Polizistinnen und Polizisten eine der forderndsten und extremsten war", wie Innenminister Karl Nehammer betonte, trat der Minister am Sonntagvormittag mit dem Wiener Vize-Polizeipräsidenten Franz Eigner vor die Medien.

Großeinsatz und Morddrohungen im Vorfeld

Im Vorfeld der Demo am Samstag, die für 1400 Beamte in Wien wohl zum anstrengendsten Einsatz der Woche wurde, gab es auch – wie berichtet – Morddrohungen gegen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Bundeskanzler Alexander Schallenberg.

Die Demo selbst zeigte ein Bild, das man schon aus den vergangenen Monaten kenne, so der Innenminister: Einerseits "besorgte Bürgerinnen und Bürger", die die Corona-Maßnahmen ablehnen, andererseits "rechtsextreme Gruppen, altbekannte Neonazis und auch wieder gewaltbereite Hooligans".

Dass die Demonstration trotzdem relativ friedlich abgelaufen sei, sei der Polizei zu verdanken, so der Innenminister. Sie habe mit "Verhältnismäßigkeit und Umsichtigkeit" agiert, obwohl sie eine "deutlich aufgeheiztere Stimmung wahrgenommen" habe.

Auch diesmal wurde aufgrund von den Holocaust verharmlosenden Vergleichen Demonstranten angezeigt, so Nehammer weiter. So werden etwa Demoteilnehmer, die sich in Anspielung auf verfolgte Jüdinnen und Juden einen gelben Stern anhefteten, oder jene Person, die Kanzler Schallenberg mit dem KZ-Arzt und Massenmörder Mengele verglich, strafrechtlich verfolgt.

"Fassungslose Mehrheit"

Nehammer bedauerte, dass die "große Mehrheit der Bevölkerung fassungslos" sein muss, weil sie sich an die Maßnahmen halte, während hier "Tausende marschieren, ohne auf sich und andere aufzupassen". Doch das Versammlungsrecht gelte so lange, solange "keine Gefährdung für Teilnehmer" bestehe. Natürlich sei das "gerade für Geimpfte eine unglaubliche Zumutung". Die neuen Maßnahmen und der Lockdown seien schließlich nur notwendig, weil sich viele nicht impfen ließen.

Nehammer dankte auch dem Gesundheitspersonal im ganzen Land und dem Bundesheer, dass die Polizei immer wieder an den Grenzen unterstützen müsse.

Vize-Polizeichef Eigner reagierte auf die von vielen Seiten geäußerte Kritik daran, dass solche Demos in der aktuellen Situation erlaubt seien und betonte: "Es gibt hier nichts zu erlauben." Man könne Demonstrationen nur bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit untersagen. Von den 25 für Sonntag angemeldeten Demos seien fünf nicht zugelassen worden. Allerdings nicht aus "inhaltlichen Gründen", wie Eigner auf Nachfrage des STANDARD meinte, sondern weil sie sich mit den Schutzzonen anderer Demos überschnitten hätten.

Eigner zeigte sich zufrieden mit der Strategie der "drei D, Deeskalation, Durchgreifen, wo es nötig ist und Dialog mit den Demoteilnehmern".

Den Dialog habe man auch im Vorfeld mit jenen gesucht, die die Versammlungen angemeldet hatten.

Man versuchte auch auf die Maskenpflicht hinzuweisen und strafte Verweigerungen ab, der Großteil der Teilnehmenden hätten aber keine getragen.

"Stimmung am Kippen"

Die Stimmung sei immer wieder "relativ knapp am am Kippen gewesen".

So wurde etwa versucht, einem Polizisten eine zunächst unbekannte Flüssigkeit ins Gesicht zu schütten, einem anderen wurde fast die Dienstwaffe entrissen und – was besonders katastrophal hätte enden können: Ein Demoteilnehmer versuchte ein Piloten, der einen der Polizeihubschrauber flog, mit einem Laser der Klasse drei zu blenden. "Der Hubschrauber könnte durch so etwas relativ schnell abstürzten", so Eigner –und zwar in die Menschenmenge hinein.

Die Bilanz des Samstages: 400 Anzeigen, davon 36 Anzeigen nach dem Strafrecht, davon 12 nach dem NS-Verbotsgesetz, zudem gab es sechs Festnahmen und zwei leicht verletzte Polizisten. Dass es nicht mehr Anzeigen gab, führt Eigner auf die Deeskalations-Strategie zurück.

Vom STANDARD nach einem Vorfall am späten Nachmittag auf der Höhe Stiftgasse gefragt, zeigte sich Eigner noch nicht informiert. Dabei sollen dort Polizeibeamte beherzt eingegriffen haben, als ein Filmemacherteam im Alter von 35 bis 55, teilweise seit rund 20 Jahren Mitglieder des European Documentary Networks, von mehreren Demo-Teilnehmern angegriffen wurde. Ein Mitglied des Filmteams soll schwer verletzt worden sein. Ohne das Eingreifen der Polizei, hätte es zu schlimmeren Verletzungen kommen können, so ein Filmemacher zum STANDARD, denn von den umstehenden hätte niemand geholfen. Dabei war man schon dabei gewesen, die Kameras zusammen zu packen, als der Angriff geschah. Ein Mann aus dem Filmteam musste im Spital behandelt werden, ist aber mittlerweile entlassen worden. Eigner werde sich über den Vorfall informieren, hieß es. Am Nachmittag hatten Beamte dann Kontakt mit den Betroffenen aufgenommen.

Teilnahme von Soldaten wird untersucht

An der Demo haben rund 40.000 Menschen teilgenommen, aufgrund von Luftaufnahmen könne man das ziemlich genau sagen, so Eigner.

Ob tatsächlich auch Teile des Bundesheeres, die zuvor zur Demo aufriefen – Der STANDARD berichtete – unter den Demonstranten waren, werde noch überprüft, so Eigner. Es gab jedenfalls Teilnehmer, die sich als Soldaten ausgaben.

Auch die Träger eines vermeintlichen Polizei-Transparentes werden noch überprüft. Österreichische Polizisten seien sie jedenfalls nicht, aber vielleicht deutsche.

Hoher Kontrolldruck

Der "Kontrolldruck" werde in den kommenden Wochen hoch sein, versprach Nehammer abschließend, schließlich soll der Lockdown, der jetzt so vielen zugemutet werde, auch effizient sein.

In ganz Österreich kam es allein in der vergangenen Woche zu 150.000 Kontrollen, mit "intensiven Begegnungen mit Menschen, die in Österreich leben", wie es Nehammer beschrieb. Dabei sei den Beamtinnen und Beamten einerseits "große Unterstützung und viel Zuspruch" von Teilen der Bevölkerung entgegengebracht worden, bei anderen, nämlich Maßnahmen- und Impfgegnern habe sich die Stimmung "deutlich radikalisiert". In Linz wurde ein Polizeiauto mit Benzin überschüttet und angezündet, die beiden geständigen jungen Männer, die gefasst wurden konnten, sollen sogar zugegeben haben, dass sie vorhatten, auch die Polizisten, die sie zuvor kontrolliert hatten, anzuzünden. Um sie werde sich der Rechtsstaat kümmern, so Nehammer. (Colette M. Schmidt, 21.11.2021)