Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko wähnt sich weiter fest im Sattel.

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Vor Tagen noch war es Polen, das am lautesten nach Sanktionen gegen Belarus rief. Alle EU-Staaten, die USA und am besten alle Staaten, die mit Belarus Handel treiben, sollten das Regime von Alexander Lukaschenko für dessen aggressive Migrationspolitik mit einem Import-Export-Stopp abstrafen. Doch inzwischen ist in Polens Hauptstadt Warschau kaum noch etwas davon zu hören.

Denn trotz Nachrichtensperre deckten unabhängige Medien in Polen auf, dass an den regulären Grenzübergängen zwischen Belarus und Polen jeden Tag mehrere Hundert Lkws in beide Richtungen abgefertigt werden. Der Handel zwischen beiden Ländern floriert wie eh und je.

Daran haben auch die bisherigen Sanktionen durch die Europäische Union nichts geändert. Nach der vom Lukaschenko-Regime klar gefälschten Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020 brachte die EU zwar vier sogenannte Sanktionspakete gegen Belarus auf den Weg. Allerdings waren diese so konstruiert, dass weder die Schlüsselindustrien von Belarus noch der belarussische Handel mit EU-Staaten Schaden nahm.

Deutschland legt Gang zu

Trotz EU-Sanktionen wächst auch der Handel zwischen Belarus und Deutschland. So stiegen beispielsweise in den ersten drei Quartalen die belarussischen Ausfuhren in die Bundesrepublik um fast 51 Prozent auf mehr als 603 Millionen Euro. Gleichzeitig wuchsen laut Statistischem Bundesamt die deutschen Exporte in das osteuropäische Land um rund sechs Prozent auf knapp 1,1 Milliarden Euro. Allein im September nahmen die Ausfuhren um mehr als zwölf Prozent zu.

Noch etwas sticht ins Auge: Das belarussisch-polnische Handelsvolumen ist allein im ersten Halbjahr 2021 auf rund 2,5 Milliarden US-Dollar (2,22 Milliarden Euro) geklettert, der Import belarussischer Waren nach Polen erreichte einen Wert von 1,1 Milliarden Dollar. Die Zahlen stammen vom Hauptstatistikamt in Warschau.

Belarussisches BIP legte kräftig zu

Auch die belarussische Wirtschaft wächst – trotz Sanktionen: Laut Statistikamt Belstat ist das belarussische Bruttoinlandsprodukt bis August 2021 um 3,0 Prozent gestiegen. Grund seien vor allem höhere Ausfuhren in EU-Länder. Insgesamt soll das Import-Export-Volumen in den ersten acht Monaten 2021 um ganze 40 Prozent zugelegt haben.

Auch wenn der gesamte belarussische Außenhandel mit keinen imponierenden Zahlen aufwarten kann, zeigt die Rangfolge der belarussischen Handelspartner doch, welche EU-Länder von Handelssanktionen ebenfalls betroffen wären.

Stark engagiert

Die wichtigsten Handelspartner sind die Nicht-EU-Länder Russland, Ukraine und China. Direkt danach folgen schon die drei EU-Länder Deutschland, Polen und die Niederlande. Bei scharfen Sanktionen würden diese Länder ebenfalls starke Verluste machen. Zumal rund 150 deutsche und knapp 500 polnische Firmen in Belarus investiert haben und dort oft Joint Ventures betreiben.

Bisher betreffen die vier EU-Sanktionspakete gerade einmal 166 Personen im direkten Umfeld von Alexander Lukaschenko. Sie wurden mit einem Einreiseverbot für die EU belegt, ihre Bankkonten im EU-Ausland wurden eingefroren und der Zugang zu Krediten in der EU gesperrt.

Sanktionen "symbolisch"

Betroffen von den bisherigen Sanktionen sind auch 15 staatliche belarussische Unternehmen, die mit Erdölprodukten und Kalidüngemitteln handeln. Die konservative polnische Tageszeitung Rzeczpospolita bezeichnet die Sanktionen als "symbolisch" und vor allem "für die Öffentlichkeit bestimmt". Die EU wolle den Eindruck erwecken, dass sie sich für die Opposition und die Menschenrechte in Belarus engagiere. (Gabriele Lesser aus Warschau, 22.11.2021)