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Polnische Soldaten an der Grenze zu Belarus. Was dort genau passiert, ist unklar, weil in der Region der Ausnahmezustand ausgerufen wurde und fast niemand dort hindarf.

Foto: Reuters

Czeremsza – Mit Steinen und Ästen beworfen und mit Laserstrahlen geblendet – so wurden polnische Grenzbeamte offiziellen Angaben zufolge am Samstag kurz vor Mitternacht von etwa 100 Migranten attackiert, als diese von Belarus aus ins Land und damit in die EU gelangen wollten. Vergeblich zwar, doch es zeigt, dass die Krise an der polnisch-belarussischen Grenze noch nicht ausgestanden ist.

Insgesamt, so der polnische Grenzschutz, habe es am Samstag 208 Versuche gegeben, von Belarus nach Polen zu gelangen – etwas mehr als noch am Freitag, aber weit weniger als die rund 500 Versuche Mitte der vergangenen Woche. Immer noch würden "aggressive Ausländer" von belarussischen Soldaten zur Grenze gebracht, heißt es weiter. Ob all das stimmt, kann nicht überprüft werden. Polen hat im Grenzgebiet den Ausnahmezustand ausgerufen und lässt kaum jemanden dort hinein.

Camp aufgelöst

Am Donnerstag hatte die belarussische Regierung ein Migrantencamp nahe der Grenze aufgelöst und damit begonnen, einige in den Irak zurückzufliegen. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, als Vergeltung für Sanktionen gezielt Migranten einfliegen zu lassen, um sie dann weiter nach Polen oder ins Baltikum einzuschleusen. Die belarussische Regierung weist dies zurück.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki reiste am Sonntag durch die baltischen Staaten, um mit ihnen die kritische Lage an den Grenzen zu besprechen. Am Sonntagmorgen war er in Estland, danach folgten Litauen und Lettland. Dabei erklärte er, dass Polen bereit wäre, die Rückführung der Migranten auch selbst zu finanzieren. Entsprechende diplomatische Bemühungen gebe es bereits.

Menschenrechtsverletzungen an der Grenze

Von der litauischen Grenze hatten Beamte der europäischen Grenzschutzagentur Frontex zuletzt 23 sogenannte "serious incident reports" gesendet. Jene, die von möglichen Menschenrechtsverletzungen handeln, landen auf dem Tisch von Jonas Grimheden. Seit Juni ist er der oberste Menschenrechtsbeamte bei der Behörde und offiziell die unabhängige Instanz, wenn es um Grundrechte geht.

Kritikern zum Trotz pocht er auf ebendiese Unabhängigkeit. "Ich wurde in einem sehr fordernden Auswahlverfahren durch das Managementboard von Frontex aufgenommen", schreibt Grimheden in einer Stellungnahme an den STANDARD: "Ich kann zudem vollkommen unabhängig meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswählen und entscheide, wohin ich sie schicke."

Mit Angestellten meint er vor allem die 40 geplanten Grundrechtsbeamten, von denen vorerst einmal 20 im Dienst sind. In den kommenden Monaten sollen dann alle Planstellen gefüllt sein: "Obwohl ich bereits angemerkt habe, dass 40 Personen nicht reichen werden, um unser Mandat zu erfüllen", schreibt Grimheden.

"Grundlegender Optimist"

Die problematischsten Missionen für Frontex sieht er "eindeutig in Litauen und in den anderen Staaten entlang der belarussischen Grenze". Er fügt aber hinzu, dass er ebenso "große Probleme in Griechenland und den Nachbarstaaten" orte. Selbst Grimheden, der sich selbst als "grundlegenden Optimisten" bezeichnet, sieht keine Verbesserung in Sachen Grundrechte an den europäischen Grenzen.

Zwar helfe sein Büro auf der einen Seite, um doch noch eine Lösung herbeizuführen, doch müssten seiner Meinung nach "auch die politischen Akteure ihre Anstrengungen verstärken, um grundlegende Werte zu bewahren – auf nationaler und europäischer Ebene". (bbl, ksh, Reuters, 21.11.2021)