Bei dem islamistischen Terroranschlag im November 2020 starben vier Menschen, zahlreiche weitere wurden verletzt. Der Attentäter wurde von der Polizei erschossen.

Foto: Christian Fischer

Wien – Als ein Islamist im November letzten Jahres mordend durch die Wiener Innenstadt zog, erschoss er insgesamt vier Menschen. Darunter eine Kunststudentin, die an diesem Abend in einem Lokal als Kellnerin arbeitete. Die Mutter des Terroropfers reichte vor einigen Monaten Klage gegen die Republik ein. Sie wirft den Behörden vor, dass diese den Anschlag hätten verhindern können, hätten sie im Vorfeld korrekt gehandelt. Es geht vor allem um jene Versäumnisse der Sicherheitsbehörden, die auch die von Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes geleitete Untersuchungskommission aufarbeitete.

Demnach hätte der Verfassungsschutz bestimmte Informationen über den Attentäter schneller verarbeiten und richtig einordnen müssen – etwa ein internationales Jihadistentreffen im Sommer vor dem Anschlag und einen kurz danach erfolgten (gescheiterten) Versuch eines Waffenkaufs, von dem die Behörden Kenntnis erlangten.

Keine Einigung bisher

Lange hatte man auf Opferseite die Hoffnung, sich mit der Republik außergerichtlich einigen zu können. Es geht um Schmerzensgeld, Bestattungskosten und eine Haftung für künftige Schadenersatzansprüche in der Höhe von 120.000 Euro. Zu einer Einigung kam es jedoch nicht, und so fand vergangenen Mai ein erster Verhandlungstag statt. Dort wurden vor allem Formalia abgehandelt, der Prozess wurde vertagt – auf diesen Montag.

Doch der zweite Verhandlungstag wird nicht wie geplant stattfinden, wie das Landesgericht für Zivilrechtssachen nun bestätigt. Der Prozess sei vorerst auf unbestimmte Zeit unterbrochen, der Termin wurde abberaumt, und es gibt derzeit auch keinen neuen. Es könnte also noch Monate dauern, bis es zur nächsten Verhandlung kommt. Der Grund sei, dass weitere Gespräche geführt würden. Hintergrund ist ein Schriftsatz, den die Finanzprokuratur einbrachte – er liegt dem STANDARD vor. Darin argumentiert die Anwältin der Republik, dass sich durch die Einrichtung des allgemeinen Opferfonds die Sachlage wesentlich geändert habe.

Zur Erinnerung: Ende September gab die Regierung bekannt, dass nun doch ein Fonds für jene eingerichtet werden soll, die beim Anschlag verletzt wurden oder einen Angehörigen verloren. Er soll die Opfer über die Ansprüche nach dem Verbrechensopfergesetz hinaus entschädigen. Ein solcher wurde bereits kurz nach dem Anschlag angekündigt, danach war aber lang nichts mehr über die Pläne zu erfahren. Die Opferschutzeinrichtung Weißer Ring verwaltet nun den Topf in der Höhe von 2,2 Millionen Euro.

Republik sieht Verantwortung erfüllt

Mit dem Fonds komme die Republik "ihrer – über eine rechtliche Verpflichtung hinausgehende – Verantwortung gegenüber den unschuldigen Opfern des verabscheuungswürdigen Terroranschlags nach", schreibt die Finanzprokuratur. Die Ansprüche der Klägerin könnten durch den Fonds "vollständig befriedigt werden", wird ausgeführt – wobei die Bemessung der Zahlungen auf Grundlage eines Gutachtens zu erfolgen habe. Es fehle nun an "rechtlichem Interesse an der Fortführung des Amtshaftungsverfahrens".

Norbert Wess, Anwalt der Klägerin, sagte bereits nach Verkündung des Fonds, dass er die Frage nach der Amtshaftung vorerst von dem Fonds nicht berührt sehe.

Zudem ergäben sich immer mehr Hinweise darauf, dass die Behörden entsprechende Erkenntnisse zum späteren Attentäter an die Staatsanwaltschaft hätten berichten müssen, wie es sinngemäß in einem Vorbringen der Klägerin heißt. Darunter etwa die Tatsache, dass der Attentäter mitunter in einer Wohnung zugegen war, die von den Behörden beobachtet wurde und in der einschlägige Treffen stattfanden. (Vanessa Gaigg, 21. 11. 2021)