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Susanna Bonaséwicz wäre gerne gekommen. Als Kultfigur unter den Synchronsprechern war sie zur ComicCon in Wien kommendes Wochenende eingeladen. Bonaséwicz wird von Fans glühend verehrt, weil sie seit 1977 die Stimme von Prinzessin Leia aus "Star Wars" ist. Und nicht nur das. Junge und ältere Menschen, die fremdsprachige Filme und Fernsehen in deutscher Synchronisation sehen, kennen sie als Bibi Blocksberg, Isabelle Huppert, Isabella Rossellini, Sissy Spacek und viele andere mehr, vor allem aber als unverkennbare Stimme von Fran Fine in "Die Nanny".

STANDARD: Erstkontakt mit Prinzessin Leia hatten Sie tatsächlich 1977. Eine Beziehung mit Höhen und Tiefen oder Liebe auf den ersten Blick?

Bonaséwicz: Es war eine Beziehung, die sich zu Höhen emporgearbeitet hat. 1977 war ich mit der Schauspielschule fertig und wollte natürlich auf der Bühne Shakespeare und Molière spielen. Mit Science-Fiction hatte ich wirklich nicht viel im Sinn. Die Liebe kam mit der Begeisterung der Fans. Ich wusste nicht, dass es eine so große "Star Wars"-Community gibt, die diese Filme so heiß und innig liebt. Danach sah ich die Filme alle noch einmal, heute sehe ich Prinzessin Leia mit anderen Augen.

L. R.

STANDARD: "The Voice" waren Sie bei "Die Nanny", ein krasser Gegensatz zum Original. Haben Sie sie jemals getroffen?

Bonaséwicz: Nein, leider nicht. Ich hätte sie gerne kennengelernt.

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STANDARD: Isabelle Huppert, Isabella Rosselini, Bibi Blocksberg, Sissy Spacek, Daryl Hannah, Tilda Swinton, Joan Allen, Bridget Jones, Sally Field, Angela Bassett, Elizabeth Perkins, Kristin Scott-Thomas, Jamie Lee Curtis – Ihre Personenliste ist unendlich lang. Können Sie sich mit einer Figur besonders identifizieren?

Bonaséwicz: Das kann ich so nicht sagen. Fran Drescher habe ich wirklich geliebt, obwohl ich zu Beginn sicher war, ich sei eine Fehlbesetzung. Ich wurde immer als Prinzessin besetzt und habe immer die zarten, hübschen, kleinen Mädchen gesprochen. Als man mir sagte, ich solle Fran Drescher sprechen, konnte ich es gar nicht glauben. Ich fühlte mich sehr unwohl, weil ich es mir nicht zutraute. Aber die Regisseurin sagte: "Komm, wir machen eine Folge fertig, und wenn du dann immer noch denkst, du bist fehlbesetzt, kannst du absagen." Wir nahmen auf, ich hörte es mir an und dachte selbst: Na ja, so schlecht war das nicht. Ich habe die Rolle geliebt, weil sie so gegen meine Natur war.

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STANDARD: Wie verändert sich das Business?

Bonaséwicz: Das hat sich sehr geändert. Früher konnten wir uns die Filme vorher ansehen, bekamen Dialogbücher zu lesen und nahmen gemeinsam auf. Heute muss alles schnell gehen. Aus Zeit- und Kostengründen werden Synchronsprecher nur mehr für Takes gebucht, die sie dann alleine sprechen.

STANDARD: Es bräuchte ein gemeinsames Auftreten.

Bonaséwicz: Eigentlich schon. Wir würden viel mehr erreichen, wenn wir gemeinsam bei Auftraggebern, Streamingdiensten, Redaktionen sagen würden: Nö, so geht’s nicht. Wir arbeiten nicht unter diesem Preis. Es herrscht ganz viel Angst in unserer Branche – Angst, dann nicht mehr beschäftigt zu werden.

STANDARD: Ein Trend, der sich fortsetzt?

Bonaséwicz: Das ist ein Trend, der sich fortsetzt. Es gibt noch einen anderen Trend, über den ich viel nachdenke. Über Start-ups, die Originalstimmen digitalisieren. Das heißt, dass Sie in Zukunft George Clooney digitalisiert in allen Sprachen reden hören. Im Moment ist das noch unfertig, weil der Ausdruck der Emotion noch fehlt. Aber das macht mir Sorge. Wenn alle Berufe wegrationalisiert werden, was machen die Menschen dann?

STANDARD: Welche Bedeutung hat die Feststimme – also eine Figur, die Sie und nur Sie sprechen?

Bonaséwicz: Das hat sich auch sehr geändert und mit Geld und mit Schnelligkeit zu tun, dass ein Film sofort fertig werden muss, obwohl der bekannte Sprecher gerade anderswo verpflichtet ist. Unlängst sah ich einen Film im Fernsehen, ich kannte keine einzige Stimme. Es war eine sehr schlechte Synchronisation, ich war sehr enttäuscht.

STANDARD: Was unterscheidet den guten vom schlechten Synchronsprecher?

Bonaséwicz: Man weiß es, wenn man im Kino oder vor dem Fernseher sitzt und dem- oder derjenigen die Rolle nicht abnimmt. Der gute Synchronsprecher verstellt seine Stimme nicht, sondern er spielt die Rolle. Deshalb ist es wichtig, dass Schauspieler am Werk sind, die in eine Rolle schlüpfen.

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STANDARD: Woher kommt dieses Qualitätsproblem?

Bonaséwicz: Das liegt an den Auftraggebern, an den Verleihern. Wobei diese in Deutschland sogar noch darauf achten, dass Feststimmen genommen werden, obwohl sie teurer sind. Bei Streamingdiensten ist das nicht der Fall, weil sie denken, das merkt sowieso keiner. Streamingplattformen möchten ihren Film, ihre Serie zeitgleich überall auf der Welt rausbringen. Was sie dabei ganz oft vergessen, ist, dass es eine gewisse Zeit braucht, um eine gute Synchronisation zu erstellen. Die haben wir aber nicht, und deshalb sind ganz viele Synchronisationen sehr schlecht.

STANDARD: Lässt die Nutzung synchronisierter Fassungen im Streamingzeitalter nach?

Bonaséwicz: Das glaube ich nicht. Zumindest in Deutschland ist es so, dass der Großteil der Bevölkerung tatsächlich immer noch synchronisiert schaut. Es mag bei jungen Zusehern so sein, dass sie englische Serien schauen, aber andere Sprachen werden gerne synchronisiert geschaut. Untertitel sind dann nicht die allerbeste Alternative. Abgesehen davon, dass sie sehr verkürzt den Dialog wiedergeben.

STANDARD: Viele geben an, sie würden nur Originalfassungen schauen. Glauben Sie das?

Bonaséwicz: Ich könnte mir vorstellen, dass der eine oder andere da ein wenig schummelt. Ich schaue lieber eine gute Synchronisation, weil ich den Film, die Bilder sehen möchte. Kinofilme sind nicht dazu gemacht, dass man unten Schriften liest. (Doris Priesching, 23.11.2021)