Herzlichen Glückwunsch! Sie sind beim schönsten Auto dieser Ausgabe angekommen. Lassen wir also die SUVs hinter uns und konzentrieren uns aufs Wesentliche – auf Geschwindigkeit.

Ein wunderschönes Auto – wären da nicht die beiden Kameralöcher vorne drin.
Foto: Andreas Riedmann

Sportwagen zu elektrifizieren bietet sich an. In erster Linie, weil die Übersetzung beim Beschleunigen quasi nicht vorhanden ist. Hier wartet man nicht drauf, dass der Motor endlich seine Leistung abruft. Sie ist sofort da. Wie ein Lichtschalter.

Das muss gelernt sein, sage ich Ihnen. Vor allem beim Audi RS e-tron GT, der von null auf 100 in 3,3 Sekunden beschleunigt. Wer da auf die Idee kommt, aus der Ortschaft herauszubeschleunigen, kann sich bei fehlender Erfahrung schnell im Straßengraben wiederfinden. Das ist pure Kraft. Zum Glück arbeiten die Systeme so gut dagegen, dass der Audi in der Regel die Straße nicht verlässt.

Foto: Andreas Riedmann

Aber die Beschleunigung ist nicht das Einzige, was beeindruckt. Der e-tron GT ist ein wahnsinnig dynamisches Auto. Wenn man die für das RS-Modell vorgesehenen Wolframcarbid-Bremsen hinter (oder besser gesagt unter) sich weiß, fährt man gleich viel selbstbewusster. Und die Lenkung ist präzise wie ein türkischer Barbier mit der Rasierklinge. Ich musste des Öfteren den PMG einsetzen.

Mehr Ufo als Auto

Was der PMG ist, fragen Sie? Das ist der Pollerhof’sche Mittelkonsolengriff. Der kommt zum Einsatz, wenn man enge Rechtskurven (vielleicht etwas zu) schnell nimmt und für mehr Stabilität die rechte Hand an der rechten Seite der Mittelkonsole festkrallt. Zeugt übrigens von zu niedrigen Seitenwangen in den Sitzenauflagen.

Foto: Andreas Riedmann

Aber gehen wir weg vom Fahrerischen, immerhin macht der e-tron GT auch optisch viel her. In Sachen Eleganz dürfte hier wohl nur der Porsche Taycan an die Klasse des Ingolstädters heranreichen. Die dynamischen Linien, die mehr als angsteinflößende Front und unser Paket mit den wunderschönen Felgen und dem kemoragrauen Anstrich – eine Augenweide. Wenn da nicht die unschönen zwei Kameralöcher vorn wären.

Grafik: Der Standard
Foto: Andreas Riedmann

Man kann sich sicher sein, einige neugierige Blicke zu bekommen. Alles schreit hier nach sündhaft teurem Sportwagen – nur der eigentliche Schrei, der bleibt aus. Wie in Mode gekommen, verbreitet der e-tron GT lediglich ein "Ich bin da"-Geräusch. Innendrin klingt das dann mehr wie ein Ufo als ein Auto. Geschmackssache.

Dass der e-tron GT wirklich so GT (nämlich Gran Turismo) ist, darf aber bezweifelt werden. Die angegebene Reichweite von rund 450 Kilometern erreicht man höchstens im dauerhaften Eco-Modus, der nicht nur die Spitzengeschwindigkeit, sondern auch die Beschleunigungsenergie massiv drosselt. Dafür ist definitiv mehr Platz als gedacht. Alltagstauglich ist er, wohl aber nicht für das Geldbörserl.

Aber ich möchte Ihnen nicht weiter Flausen in den Kopf setzen. Auf der nächsten Seite geht es weiter mit E-Autos, die man sich eventuell irgendwann leisten können wird. Vergessen Sie das beim e-tron GT ganz schnell wieder. Das wird eh nix. (Thorben Pollerhof, 28.11.2021)