Organisiert wie ein Konzern, stramm geführt und auf Effizienz bedacht – an ein Ordensspital würde man erst beim zweiten Hinsehen denken, wenn man einen der rund ein Dutzend Standorte der Vinzenz-Gruppe betritt. Seit Covid-19 eine Pandemie geworden ist, hat sich vieles verändert, auch in den Ordensspitälern.
"In der jetzt vierten Welle gehen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Teil über ihre psychischen und physischen Grenzen", sagt Michael Heinisch, Geschäftsführer der Vinzenz-Gruppe, im Gespräch mit dem STANDARD. "Wir hoffen, dass der Lockdown zu einer Entspannung in den Krankenhäusern führt. Wir verfügen über ein ausgezeichnetes Gesundheitswesen – gemeinsam müssen wir darauf achten, es nicht zu überfordern."
"Shareholder Value zu eindimensional"
Heinisch hat vor 20 Jahren bei der Vinzenz-Gruppe angedockt. Der gebürtige Tiroler hatte zuvor Erfahrung beim Managementzentrum St. Gallen gesammelt, später in der Industrie, wo er Leiter des Controllings bei einer Tochter der früheren VA Tech war.
"Shareholder Value war mir immer zu eindimensional. Die Werte, die der Orden hat, sind viel interessanter", sagt Heinisch.
Hinter der Vinzenz-Gruppe, zu der in Wien etwa das Orthopädische Spital Speising, die Krankenhäuser Göttlicher Heiland, St. Josef und Barmherzige Schwestern gehören und in Oberösterreich unter anderem das Ordensklinikum Linz der Barmherzigen Schwestern oder das Krankenhaus St. Josef in Braunau, steht seit 2010 die "Sankt Vinzenz gemeinnützige Privatstiftung der Barmherzigen Schwestern". Die Vinzenz-Gruppe Krankenhausmanagement und Beteiligungs GmbH mit ihrem Chef Heinisch ist die Holdinggesellschaft, an der alle Standorte hängen.
Jeder Standort eine eigene GmbH
Im Gegensatz zu anderen Organisationsformen im Spitalswesen ist jeder Standort der Vinzenz-Gruppe eine eigene GmbH mit eigener Geschäftsführung. "Die trifft Entscheidungen vor Ort, kann schnell agieren, trägt aber auch die Verantwortung dafür", sagt Heinisch. Das habe sich nicht zuletzt während Corona bewährt, als dezentrale Entscheidungen jeden Tag notwendig waren. Einige der Maßnahmen würden die Pandemie wohl überdauern, weil sie sich bewährt haben. Dazu gehöre eine gewisse Rigidität bei der Besuchersteuerung.
"Wir haben gelernt, dass ein Krankenhaus ein Hochsicherheitsort ist, wo Menschen geschützt werden müssen. Durch Corona ist uns das besonders bewusst geworden", sagt Heinisch. Es gelte, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen, nicht ungebremst Besucher zuzulassen, für Patienten lebensnotwendige Besuche aber schon.
Das erste Krankenhaus hat der Orden der Barmherzigen Schwestern 1832 in Wien aufgesperrt. Damals wütete die Cholera. Das Kaiserhaus bekam Wind von Ordensschwestern in Zams (Tirol), denen der Ruf als gute Pflegerinnen vorauseilte. Drei davon machten sich mit der Kutsche auf nach Wien. Sie bekamen von den Habsburgern ein Haus in der Gumpendorfer Straße (6. Bezirk) mit dem Auftrag zur Verfügung gestellt, ein Krankenhaus daraus zu machen.
900 Millionen Euro Umsatz
Aus damals 14 Betten sind inzwischen rund 3.000 Betten geworden. An die 10.000 Beschäftigte betreuen mehr als 160.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr. Der Umsatz in allen Einrichtungen zusammengenommen dürfte nach 855 Millionen Euro im Vorjahr heuer auf voraussichtlich 901 Millionen Euro steigen.
Heinisch sieht ein gutes Miteinander von Ordensspitälern, auf die etwa 15 bis 16 Prozent der Krankenhausbetten in Österreich entfallen, und städtischen bzw. Landeskrankenhäusern, die etwa 80 Prozent der Bettenkapazität stellen. Vier bis fünf Prozent entfallen auf Privatkrankenhäuser, die Privatversicherte betreuen. Während Corona sei man noch näher gerückt.
Digitale Tools für Patienten zu Hause
Der laufende Betrieb der Vinzenz-Einrichtungen wird von der Stadt Wien bzw. dem Land Oberösterreich finanziert, auch gibt es anteilsmäßig Geld für Investitionen. Fast an jedem Standort steht derzeit ein Kran, es wird saniert und modernisiert.
Ein besonderes Augenmerk legt man bei der Vinzenz-Gruppe auf Digitalisierung. "In Zukunft werden immer weniger Patienten ins Krankenhaus kommen", glaubt Heinisch. Digitale Tools würden bei Ferndiagnostik und -behandlung helfen. Darauf bereite man sich vor. (Günther Strobl, 23.11.2021)