Der Booster-Stich steht hoch im Kurs, er macht das Gros der Impfungen aus. Doch auch mehr Erststiche sind wichtig.

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Vier Monate muss man mindestens warten, bis man sich die Booster-Impfung holen kann. Das Nationale Impfgremium (NIG) empfiehlt den dritten Stich nach sechs Monaten. Wien hat sich aber vor zwei Wochen dazu entschieden, den Booster bereits nach vier Monaten für alle anzubieten, nicht nur für Risikogruppen. Seit Freitag ist dieses verkürzte Intervall bundesweit möglich. Das sorgt bei den Impfwilligen allerdings für Verwirrung, auch weil manche weggeschickt wurden. DER STANDARD hat nachgefragt.

Frage: Wann wird der dritte Stich fällig?

Antwort: Dazu gab es zuletzt unterschiedliche Informationen. Dass das verwirrend ist, bestätigt auch Christoph Steininger, Virologe an der Med-Uni Wien. Er betont: "Man kann sich den Stich auf jeden Fall nach vier Monaten holen. Die Daten zeigen ganz klar, dass dadurch die Immunität deutlich gesteigert wird gegenüber der zweiten Impfung." Dass zuletzt nicht alle impfenden Ärzte dem vorgezogenen dritten Stich zugestimmt haben, liegt daran, dass dieser vom NIG nur für bestimmte Gruppen empfohlen war. Die Haftung liegt aber bei den impfenden Ärzten. Und, so Steininger: "Für Ärzte gilt immer das, was Impfpläne empfehlen, nicht, was Politiker sagen." Dieses Problem sollte aber demnächst gelöst sein. Das NIG hat bereits getagt, die angepassten Impfempfehlungen wurden Montagabend publiziert. Für alle mit Astra Zeneca Geimpften war ein Booster schon jetzt nach vier Monaten empfohlen, aber auch für alle anderen, so sie nicht einer Risikogruppe angehören, ist der dritte Stich nach vier Monaten möglich, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mitteilt.

Frage: Die dritte Impfung nach vier Monaten ist ein Off-Label-Use. Was genau bedeutet das?

Antwort: Dabei handelt es sich vor allem um die Frage der Haftung. In den Zulassungsstudien wird ein bestimmtes Impfschema untersucht, dieses wird bei den entsprechenden Behörden eingereicht. Wird dieses Schema zugelassen, ist die Anwendung on label. Weicht man von diesem Schema ab – was in der Medizin öfter vorkommt, nicht nur bei der Covid-Impfung –, ist es eine Off-Label-Anwendung. Die Haftung für eventuelle Probleme liegt dann beim Arzt, der die Anwendung vornimmt. Empfiehlt das NIG eine Off-Label-Anwendung, übernimmt der Staat die Haftung.

Frage: Kann man zu viel impfen? Wie sieht es für Genesene aus?

Antwort: "Nein, man kann nicht überimpfen", betont Steininger. Für ihn ist der dritte Stich nach vier Monaten bei Erwachsenen kein Problem, wobei sich Risikopatientinnen und -patienten unbedingt den Booster rasch holen sollten. "Es gibt keine messbaren negativen Auswirkungen und auch keine weiteren Nebenwirkungen. Aber es kann natürlich zu Impfreaktionen kommen." Selbst ein vierter Stich ist für ihn aufgrund der bisherigen Erkenntnisse kein Problem. Diese Frage stellen sich derzeit einige Genesene. Laut aktualisierten Empfehlungen des NIG sollen sich Genesene, die danach zwei Impfungen bekommen haben, sechs bis neun Monate nach der zweiten Impfung den Booster holen. Haben sie den zweiten Stich noch nicht, sollte dieser bis zu sechs Monate nach dem Erststich erfolgen, dann ganz normal der Drittstich. Kam es zu einer Infektion zwischen den ersten beiden Stichen, sollte die zweite Impfung vier Wochen nach Genesung erfolgen, die dritte sechs bis neun Monate später. Kommt es nach zwei Impfungen zu einer Durchbruchsinfektion, soll die Impfung, gemäß dem normalen Impfschema, kurz vor Ende der 180 Tage nach Genesung erfolgen bzw. sechs bis neun Monate nach dem Zweitstich. Ein wichtiger Hinweis: Die dritte Impfung gilt erst 120 Tage nach dem Zweitstich für den grünen Pass.

Frage: Israel soll schon Vorbereitungen für den vierten Stich treffen. Wird der kommen?

Antwort: "Es ist nicht überraschend, dass wir einen vierten Stich brauchen werden. Ich finde es gut, wenn bereits darüber nachgedacht wird, damit das auch logistisch gut funktioniert", betont Steininger. Daten, wie lange der Schutz nach dem Boosten tatsächlich ausreicht, gibt es noch keine. Aber der Virologe geht davon aus, dass nach sechs bis zwölf Monaten ein weiterer Stich nötig wird. Das sieht auch Biontech-Chef Ugur Sahin so. Er rechnet in Zukunft mit einer jährlichen Auffrischung, ähnlich wie bei der Influenza.

Frage: Soll man zwei mRNA-Vakzine mischen?

Antwort: Immer wieder ist die Rede von Kreuzimpfungen, also dem Wechsel des Impfstoffes für den Booster. Das empfiehlt das NIG bereits für alle, die zuerst das Vakzin von Astra Zeneca erhalten haben. Für diese Gruppe wird nach dem Vektorimpfstoff nur noch ein mRNA-Impfstoff verwendet. Manche haben bereits bei der zweiten Impfung gewechselt. Jenen, die Johnson & Johnson bekommen haben, wird ab vier Wochen nach der Impfung eine Auffrischung mit einem mRNA-Vakzin empfohlen. Ein Wechsel zwischen zwei mRNA-Vakzinen ist vom NIG nicht empfohlen, und auch Steininger sieht keine Notwendigkeit für so einen Off-Label-Use: "Es gibt nur ganz wenige Daten dazu. Eine sehr kleine Studie zeigt einen minimal besseren Immunschutz beim Wechsel von Biontech/Pfizer auf Moderna. Aber die ist aufgrund ihrer Größe nicht aussagekräftig. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass eine Kreuzimpfung schädlich ist, es gibt keine Anzeichen dafür. Aber man kann sich hier ruhig an die Empfehlungen des NIG halten." Einzig für Personen unter 30 empfiehlt das NIG den Wechsel auf Biontech/ Pfizer, wenn diese zuletzt Moderna erhalten haben, da hier das Risiko für eine Herzmuskelentzündung etwas geringer ist.

Frage: Um den Jahreswechsel herum soll ein Totimpfstoff kommen. Hat der Vorteile?

Antwort: Nein, eher nicht. Einige Menschen vertrauen dieser Jahrzehnte erprobten Impftechnik mehr als der neuen mRNA-Technologie. Doch Steininger gibt zu bedenken: "Das sind sogenannte Sub-Unit-Impfstoffe. Das bedeutet, die Proteine werden nicht von den eigenen Zellen hergestellt wie bei den mRNA-Vakzinen. Sie werden im Reagenzglas von anderen Zellen erzeugt, etwa von Insektenzellen. Diese müssen dann aufgereinigt werden. Diese Methode wird seit Jahrzehnten angewendet und funktioniert unterschiedlich gut. Ob sie besser ist, wissen wir aber derzeit nicht, wir kennen die Daten dazu noch nicht. Die Technologie wird aber wahrscheinlich nicht besser verträglich sein, im Idealfall hat sie eine ähnlich hohe Wirksamkeit wie ein mRNA-Vakzin. Das ist aber sicher kein Grund, dass man auf diesen Impfstoff wartet." (Pia Kruckenhauser, 23.11.2021)