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Swetlana Tichanowskaja, die im litauischen Exil lebende Anführerin der belarussischen Demokratiebewegung, warb in Wien an der Seite von Bundeskanzler Alexander Schallenberg und Außenminister Michael Linhart dafür, den direkten Dialog mit dem Regime in Minsk auf Eis zu legen.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Wenn Belarus derzeit nicht aus den Schlagzeilen kommt, dann liegt das vor allem an der Migrationskrise im Westen des autoritär regierten Landes. Erst am Montag hat Berlin die Forderung von Machthaber Alexander Lukaschenko zur Aufnahme von 2.000 an der Grenze zu Polen festsitzenden Migranten zurückgewiesen. Lukaschenko seinerseits kritisiert, dass die EU Gespräche über die Aufnahme der Menschen verweigere.

Der Konflikt dauert also an. Doch seit die EU damit beschäftigt ist, ihre Haltung zu den tausenden Migrantinnen und Migranten zu klären, die von Lukaschenko ins Land gelockt wurden und an der Grenze zu Polen, Litauen und Lettland stehen, ist die Situation der belarussischen Demokratiebewegung selbst weitgehend aus dem Blickfeld geraten.

Auf diese Zivilgesellschaft aufmerksam zu machen, deren führende Persönlichkeiten entweder im Exil leben oder in den Kerkern des Regimes sitzen, war eines der Ziele einer internationalen Belarus-Konferenz, die am Montag in Wien abgehalten wurde. Wegen der hohen Corona-Infektionszahlen in Österreich fand die Veranstaltung vorwiegend online statt.

Persönlich nach Wien gekommen war Swetlana Tichanowskaja, die bei der umstrittenen Präsidentschaftswahl im August 2020 gegen Lukaschenko angetreten war und danach ins Exil nach Litauen gedrängt wurde. Lukaschenko wird seither von der EU nicht mehr als rechtmäßiger Präsident anerkannt.

Kein Dialog mit Regime

Die Menschen in Belarus "verdienen es, ihre Führung in fairen Wahlen selbst zu wählen", bekräftigte sie einmal mehr auf der Pressekonferenz mit Österreichs Bundeskanzler Alexander Schallenberg, Außenminister Michael Linhart (beide ÖVP) und dem EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik, Olivér Várhelyi.

Nur der Dialog könne die aktuelle Krise lösen, so Tichanowskaja: "Aber wenn ich von Dialog spreche, dann meine ich nicht einen Dialog zwischen dem Westen und dem belarussischen Regime." Ein echter Dialog müsse mit und zwischen den Menschen in Belarus stattfinden – und dies sei erst möglich, wenn alle politischen Gefangenen wieder frei seien und die Gewalt ein Ende habe.

Angesprochen auf die Telefonate, die die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vorige Woche mit Lukaschenko geführt hatte, um nach Lösungen für die aktuelle humanitäre Krise zu suchen, reagierte sie zurückhaltend: "Es wurde uns versichert, dass die Gespräche nur den Menschen an der Grenze helfen und kein Anzeichen für eine Legitimierung des Regimes sein sollten", sagte Tichanowskaja. Dennoch hätten sie auf viele in ihrem Land "seltsam" gewirkt: "Ich will nur daran erinnern, dass die Menschen in den Gefängnissen ebenso wenig sterben sollten wie jene an der Grenze."

Training in Wien

Bundeskanzler Schallenberg kritisierte einmal mehr Lukaschenkos "zynischen Missbrauch von Migranten als Waffe" und begrüßte die jüngsten Sanktionen der EU. An Tichanowskaja gewandt bekräftigte er zugleich seine Unterstützung für ein freies und demokratisches Belarus.

In dieselbe Kerbe schlug Außenminister Linhart. Er kündigte zudem ein Trainingsprogramm für 15 junge Menschen aus der belarussischen Diaspora an, die in den Bereichen Diplomatie, Recht und Rechtsstaatlichkeit ausgebildet werden sollen. Organisiert wird das Programm Linhart zufolge von der Diplomatischen Akademie in Wien.

Online zugeschaltet waren unter anderem die Außenminister des EU-Vorsitzlandes Slowenien, Polens, Deutschlands und der Slowakei sowie Eva-Maria Liimets, die Außenministerin Estlands. "Es ist völlig inakzeptabel, dass Migranten als politisches Werkzeug eingesetzt werden", betonte auch sie nach der Konferenz im Gespräch mit dem STANDARD. Als Vertreterin des einzigen baltischen Staates, der keine Grenze mit Belarus hat, drückte sie dabei explizit ihre Solidarität mit dessen direkten Nachbarn aus.

"Estland hat als eines der ersten Länder Litauen seine Hilfe angeboten. Seither haben wir die Nachbarn politisch unterstützt, aber auch physisch durch die Entsendung von Polizeieinheiten", so Liimets. Auch sie appellierte aber daran, den breiteren Kontext der Zukunft von Belarus im Auge zu behalten – "trotz der aktuellen Krise an der Grenze". (Gerald Schubert, 22.11.2021)