Römisch drei im Aelium: Christoph Vogler macht die Küche, Elena Ramseder den Wein, Christoph Essl den Service (von links).

Foto: Gerhard Wasserbauer

St. Pölten hat es nicht leicht. Die Landeshauptstadt ist dank prächtiger Schnellstraße einfach zu gut an die Wachau angebunden, wo es nicht nur schön ist und extrem guten Wein gibt, sondern auch mehrere der besseren Lokale des Landes.

Man muss sich also nicht wundern, dass die Wichtigen es bislang vorziehen, sich für die wichtigen Formen der Nahrungsaufnahme eben dorthin zu verfügen. Wobei – dem Vernehmen nach soll es auch am Wagram die eine oder andere Adresse geben, die von den Chauffeuren seit Jahren im Schlaf gefunden wird.

St. Pöltens Regierungsviertel ist eher nicht so super gealtert, dafür gibt es jetzt, kaum 35 Jahre nach der Verhauptstadtung, ein Restaurant mit dem Potenzial, den Ort auch auf den Landkarten der Gourmetguides entsprechend prominent zu verorten. Es ist halt ein bisserl schade, dass die klassischen Gourmetbibeln in der Zwischenzeit die digitale Revolution etwas verschlafen haben und ihren Nimbus zunehmend nur noch bei den Gastronomen selbst – und bei der älteren Generation ausspielen können.

Fein geschliffene Kreationen

Dem neuen Aelium darf das egal sein, es wird sein Publikum auch so finden. Die Betreiber sind Elena Ramseder, Christoph Vogler und Christoph Essl. Sie kennen sich aus der Hofmeisterei Hirtzberger in Weißenkirchen, die von Erwin Windhaber in der Küche und Elena Ramseders Ehemann Hartmuth im Service zu einem Paradebetrieb der Wachau geformt wurde.

Klassisch im durchaus französischen Sinn gehen es die drei auch in St. Pölten an. Das Restaurant wendet sich mit französischen Fenstern, mit eleganter Tischwäsche und nobel gedeckten Farben ganz eindeutig an den gut gepolsterten Gast. Elena Ramseders Weinkarte mag nicht ganz so ausufernd sein wie in der Hofmeisterei, verdammt gut sortiert und vollgepackt mit feinsinnig ausgesuchten Überraschungen ist sie allemal.

Die Speisekarte teilt sich in zwei Menüs, aus denen nach Laune querbestellt werden darf – à la carte geht ebenso. Wie in der Hofmeisterei hat sich auch hier die Überzeugung durchgesetzt, dass wirklich guter Fisch im Regelfall halt leider aus dem Meer kommt – auch wenn für die Nationalreligiösen unter den Gästen selbstredend der eine oder andere Saibling aus heimischer Teichwirtschaft bereitgehalten wird.

Die Küche zeigt in diesen ersten Wochen schon bemerkenswert fein geschliffene Kreationen. Roh mariniertes Rind, auf Radicchio-Chiffonade mit knuspriger Chorizo und ein Dressing mit fermentiertem Knoblauch gebettet, ist zart und zimmerwarm – so kommt die Pracht des Fleisches ideal zur Geltung und die Umami-Dichte des Beiwerks darf ihren Schub am Gaumen voll rausorgeln.

Die Küche zeigt in diesen ersten Wochen schon bemerkenswert fein geschliffene Kreationen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Gebeizter Kalmar kann es auch, seidig zart, mit einer köstlich sauren Marinade, die den Appetit anregt und an nasskalten Tagen wie diesen geradezu belebende Kraft entwickelt. Der straff gespannte, gereifte Weiße aus der Bairrada von Dirk van der Niepoort, den Elena Ramseder dazu einschenkt, macht aber mindestens so viel Spaß.

Die Kraft der Klassik

Barbarie-Ente wird ideal saftig und knusprig, dazu gibt es knackiges Spitzkraut, Kerbelknolle und einen dichten (aber keineswegs schweren) Jus, der mit Rotkrautsaft unterfüttert wird. Beim Kalbsrücken, nicht minder klassisch gebraten, lehnt sich Küchenchef Vogler weiter hinaus – die Kombination mit geschmorter Banane, Essigschalotten und Maroni in Sherryjus funktioniert aber extrem gut – und GV Smaragd 2008 von FX Pichler stellt sich der Wucht dieser Aromen mit jugendlicher Kraft entgegen.

Nicht alles gelingt einstweilen so überzeugend – beim geschmorten Fenchel (einer der vegetarischen Vorspeisen) etwa wird die Salsa aus sizilianischer Orange einen Tick zu süß und marmeladig. Das ändert aber nichts an der Vorfreude, mit der man Geschäftsessen in St. Pölten ab sofort entgegenblicken darf. (Severin Corti, RONDO, 26.11.2021)

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