Edelsüße Weine sind hierzulande aus der Mode gekommen. Erstaunlich, weil es doch sonst gar nicht süß genug sein kann. Nach dem Weinskandal, als Weißweine billig auffrisiert wurden, standen süße Weine wohl unter Generalverdacht. Lediglich Spätlesen vermochten den heimischen Gaumen noch begeistern – zuweilen behäbig und alkohollastig.

Im Gegensatz dazu zeigen sich edelsüße Trockenbeerenauslesen von einer geradezu grazilen Leichtigkeit. So auch Heidi Schröcks Ruster Ausbruch "Auf den Flügeln der Morgenröte": Furmint- und Welschriesling-Trauben werden nach langer Reife am Stock vom Edelschimmel Botrytis cinerea befallen.

Die Pilzsporen perforieren die Beerenhaut, die Flüssigkeit verdunstet – übrig bleibt konzentrierter Zucker, Säure, Extrakt. Die Rosinen werden händisch gelesen und in kleinen Holzfässern vergoren.

Was auf der Maische eklig aussieht, entwickelt sich zu einer raren Köstlichkeit. Heidi Schröck ist eine Meisterin des Ruster Ausbruchs: Süße wird bei ihr von ausgeprägter Säure flankiert, Honig mit Zesten mariniert, Reife mit Temperament versehen. Für lange, kalte Winternächte. (Christina Fieber, RONDO, 27.11.2021)