Mehr Unterricht zu Hause würde das Infektionsgeschehen bremsen, sagen Experten.

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Klassen sollen künftig bundesweit ab dem zweiten Corona-Infektionsfall für mindestens fünf Tage ins Distance-Learning geschickt werden. Darauf haben sich Bildungs- und Gesundheitsministerium verständigt, hieß es gegenüber der APA. Allerdings muss dies auch noch mit den Ländern akkordiert werden. Damit würden die Schulen beziehungsweise Schulbehörden de facto Teile der Aufgaben der Gesundheitsbehörden in diesem Bereich übernehmen.

In den vergangenen Wochen hatten vor allem Lehrervertreter und Direktoren wiederholt beklagt, dass vor allem in Salzburg und Oberösterreich immer wieder Schüler trotz Kontakts mit infizierten Klassenkameraden nicht oder erst verspätet abgesondert wurden und weiter den Unterricht besuchten. Zuletzt forderten sie deshalb, die Entscheidung über eine Quarantäne selbst treffen zu dürfen und erst im Nachhinein durch die Gesundheitsbehörde absegnen zu lassen.

Fünf Tage täglich testen

Bisher lief das Nachhauseschicken der Kinder über die jeweiligen Quarantäne- beziehungsweise Kontaktpersonenregeln, die von den Gesundheitsbehörden der Länder verhängt wurden. Diese hätten eigentlich nach ähnlichen Direktiven vorgehen sollen – also Quarantäne ab mehreren Fällen in einer Klasse. Da das Contact-Tracing in mehreren Bundesländern aber de facto zusammengebrochen ist, wurde dies oft nicht eingehalten. Salzburg etwa schickte ab Anfang November nur infizierte Kinder nach Hause.

Künftig soll die Regel lauten: Sollte in einer Klasse ein Infektionsfall auftreten, muss nur das betroffene Kind daheimbleiben. Für alle anderen Kinder läuft der Unterricht weiter, sie müssen aber fünf Tage lang täglich testen.

Ab dem zweiten Fall in der Klasse wechselt die gesamte Klasse nach Rücksprache mit der jeweiligen Bildungsdirektion ins Distance-Learning. Dort verbleiben die Kinder in der Regel für fünf Tage. Anschließend muss ein Test absolviert werden – wenn möglich, ein PCR-Test. Dann können die (negativ getesteten) Kinder wieder zurück in den Präsenzunterricht.

"Schule übernimmt Aufgabe der Gesundheitsbehörden"

Bisher schickten die Gesundheitsbehörden die Kinder also in Quarantäne (oder auch nicht), wodurch sich bei entsprechenden Fallzahlen in einer Klasse Distance-Learning ergeben konnte. Künftig soll die Schule in Absprache mit der Bildungsbehörde direkt das Distance-Learning verordnen können. Die Maßnahme muss noch mit den Ländern abgestimmt werden, betonte man im Gesundheitsministerium gegenüber der APA. Dazu sollen noch am Dienstag Gespräche stattfinden – die Länder hatten allerdings bereits am Montag solch eine Regelung eingefordert.

"Das ist eine vorsichtige Maßnahme, die der aktuellen Infektionslage angepasst ist, um weitere Ausbreitungen in der Klasse zu verhindern", so Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in einer Stellungnahme. "Die Schule übernimmt hier einmal mehr die Aufgabe der Gesundheitsbehörden, die diese derzeit nicht wahrnehmen."

Kinder derzeit hochgefährdet

Kinder und Jugendliche sind im derzeitigen Infektionsgeschehen eine hochgefährdete Gruppe, das zeigt ein Blick auf das Dashboard der Ages. Bei den Fünf- bis 14-Jährigen liegt die Inzidenz derzeit bei 2.277 (Stand 21. November) und ist somit weit höher als in allen anderen Altersgruppen.

Auch die Zahl der positiven Testungen an Schulen nimmt zu. In der vergangenen Woche wurden 5.437 positive PCR-Ergebnisse registriert, das waren deutlich mehr als in der Woche davor mit 3.500. Dementsprechend gestiegen ist auch die Zahl der Corona-bedingten Schul- beziehungsweise Klassenschließungen: So waren mit Stand Montag 16 der rund 6.000 Schulen wegen gehäufter Corona-Infektionen zu (Woche davor: vier), dazu kamen noch 492 der insgesamt rund 58.000 Klassen (Woche davor: 159).

Ruf nach Distance-Learning

Die Initiative war von den Landesbildungsreferenten ausgegangen. Eltern, die ihre Kinder angesichts des Infektionsrisikos freiwillig zu Hause betreuen, sollen wieder Anspruch auf Sonderbetreuungszeit und die Arbeitgeber Anspruch auf Entgeltfortzahlung bekommen.

Direktoren- und Lehrervertreter hatten mehr Autonomie gefordert und wollten die Möglichkeit bekommen, direkt am Schulstandort über das Schließen von Klassen beziehungsweise die Umstellung auf Distance-Learning zu entscheiden. Die Lehrergewerkschafter an den Pflichtschulen und den AHS sprachen sich grundsätzlich für offene Schulen aus. Gleichzeitig verlangten sie aber, dass die komplette Umstellung auf Distance-Learning auch auf Schulebene möglich sein müsse. Das Schließen von Klassen wiederum sollte ebenfalls entweder auf Schulebene (AHS) oder durch die Bildungsdirektion (Pflichtschule) mit nachträglicher Genehmigung durch die Gesundheitsbehörde erfolgen können.

Die Schüler beklagen mangelnde Kommunikation und Chaos, sind sich aber über Maßnahmen uneinig. Wir haben mit Schülervertreterinnen Mati Randow und Carina Reithmaier gesprochen.
DER STANDARD

Appell, Schulen zu schließen

Distance-Learning ist auch im Sinne der Wissenschafter Erich Gornik (TU Wien), Hanns-Christoph Nägerl (Uni Innsbruck), Norbert J. Mauser, Peter A. Markowich (beide Uni Wien) und Robert Elsässer (Uni Salzburg), die sich mit einem Brief an Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) gewandt hatten. Ein Lockdown sei nur effizient, wenn er auch Schulschließungen inkludiert, argumentierten sie. Das habe die Vergangenheit gezeigt. Im März 2020 seien die Infektionszahlen nach zehn Tagen gesunken, als es "Homeoffice für alle" gegeben habe.

Die Wissenschafter sagen voraus, dass die Schulen in den kommenden Tagen massiv für Ansteckungen sorgen werden, die dann über Haushalte weiterverteilt werden. "So ungern wir (auch als Eltern) zu Distance-Teaching drängen, so unvermeidlich ist es nun", heißt es. Nur in begründeten Einzelfällen seien die Schulen für Betreuung offen zu halten. Ordne man das Distance-Learning nicht gleich an, werde man es in einer Woche tun müssen. (APA, rwh, 23.11.2021)