Heinz Lederer, Sprecher der SPÖ-nahen Stiftungsräte, bei der Generalswahl im August 2021.

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Wien – "Mit Argusaugen" will Heinz Lederer auf journalistische Unabhängigkeit im ORF achten. Ab Dienstantritt des neuen ORF-Generals Roland Weißmann am 1. Jänner 2022 sei das die Richtschnur für dessen Tun an der Spitze des öffentlich-rechtlichen Medienkonzerns im Land, sagt der von der SPÖ entsandte ORF-Stiftungsrat im Gespräch mit dem STANDARD. Lederer fordert zudem einen Personalausschuss für das oberste ORF-Gremium – und transparente Leistungsvorgaben für das ORF-Management.

Kommende Woche tagt der Stiftungsrat zum letzten Mal mit Alexander Wrabetz als Generaldirektor des ORF – wie in den vergangenen 15 Jahren. Wrabetz' letzten Finanzplan, das ORF-Budget für das nächste Jahr, hat der Stiftungsrat schon bei einer Sondersitzung im Oktober über die Gebührenerhöhung beschlossen*. Sie kommt ab März, wenn die Medienbehörde Komm Austria und ihre Wirtschaftsprüfer die Anpassung für angemessen befinden. Um acht Prozent dürften sich die Gebühreneinnahmen von derzeit knapp 650 Millionen auf rund 690 Millionen im kommenden Jahr erhöhen. 2023, wenn die Erhöhung volle zwölf Monate wirksam ist, auf knapp 700 Millionen Euro – wenn die Zahlungsbereitschaft und die gesetzlichen Rahmenbedingungen gleich bleiben.

Aufmerksamkeit auf Weißmann und die Unabhängigkeit

2022 übernimmt Roland Weißmann die ORF-Generaldirektion mit einem durchgehend neuen Direktorium. Entscheidend für den Führungswechsel war die türkise Mehrheitsfraktion im Stiftungsrat. Weißmanns Wirken gilt Lederers besondere Aufmerksamkeit.

"Ich zweifle nicht an Weißmanns Worten", sagt Lederer im Gespräch mit dem STANDARD: "Aber Kontrolle ist besser, und dazu sind wir aufgerufen." "Richtschnur" für Weißmann sei journalistische Unabhängigkeit und Freiheit im ORF. Dafür sieht der Stiftungsrat potenzielle Prüfsteine – von der Covid-Politik der Regierung bis zu Comeback-Versuchen von Sebastian Kurz ins Kanzleramt mit dem bisherigen Medien(politik)beauftragten Gerald Fleischmann, mit Kurz als Referent in den Parlamentsklub gewechselt.

Würde die Unabhängigkeit verletzt, müsse Weißmann "mit härtestem Widerstand" von Stiftungsräten rechnen, sagt Lederer, "mit Sondersitzungen und öffentlichem Druck".

"Richtschnur" Programminnovationen

"Richtschnur" zwei für die neue Geschäftsführung sind aus Lederers Sicht Programminnovationen. Gespannt ist Lederer, wie Weißmanns – in seiner Generalsbewerbung versprochene – Programmoffensive für die jüngere ländliche Bevölkerung aussieht.

Eine neue Geschäftsführung, bestellt von ÖVP-nahen Stiftungsräten und ihrem Regierungspartner, den Grünen, zugerechneten Stiftungsräten, könnte nicht einfach "den – erfolgreichen – Status quo fortschreiben". Lederer war ohnehin "immer gegen die Ablöse". Nun erwarte er programmliche "Aufbruchsstimmung", von Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz "neue Formate" – "und dass bewährte Kräfte wie Sportchef Hans Peter Trost und der ORF-2- und Unterhaltungschef Alexander Hofer sowie ORF-3-Chef Peter Schöber ihren erfolgreichen Weg fortsetzen können".

Sonst sieht Lederer "schwarz" für die Entwicklung der Werbung – eine der beiden großen Einnahmequellen des ORF. Der ORF müsse schon jetzt "mit knappen Mitteln haushalten", die Erhöhung um acht Prozent sei knapp kalkuliert, knapper als die erwartete Inflation der nächsten Jahre.

Transformation zum ORF-Player

Radiodirektorin Ingrid Thurnher und Groiss-Horowitz müssten "den Transformationsprozess ins Digitale, zum ORF-Player schaffen". Für die Streamingplattform ORF On (Arbeitstitel ORF-Player) sieht Lederer politisch derzeit aber eher schwarz: Der ORF darf bisher keine Formate allein für das Web oder zuerst für das Web produzieren. Eine dafür nötige Digitalnovelle zum ORF-Gesetz, die dem ORF "digitale Beinfreiheit" verschafft, stoße auf harten Widerstand der Zeitungsverleger, hörte Lederer. Und der auch für Medien zuständige neue Bundeskanzler Alexander Schallenberg mache ihm da wenig Hoffnung auf eine rasche Gesetzesänderung.

Digitaler "Rückstau" in den Ländern

Damit gebe es aber geradezu einen "personellen Rückstau" gerade in den Bundesländerstudios, warnt Lederer: Insbesondere die Landesstudios hätten "im vollen Vertrauen" auf Fortschritte bei der Digitalnovelle und nach den Ankündigungen Weißmanns, er wolle jüngere Zielgruppen in den Ländern erreichen, in den vergangenen Monaten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Social Media ausgeschrieben und aufgenommen. Der Stiftungsrat nimmt in den Landesstudios "Frustrationen" wahr, die neuen Mitarbeiter könnten vorerst nicht nach ihren Qualifikationen eingesetzt werden.

Personalplanung gefordert

"Programm wird von Menschen gemacht", betont Lederer. Und einige hundert davon – 500 bis 600 – wird der ORF in den nächsten Jahren neu an Bord holen müssen. Denn in den nächsten Jahren geht rund ein Sechstel der knapp 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ORF (noch ohne Tochterunternehmen) in Pension.

Lederer fordert vor dem Hintergrund einen "Personalausschuss" für das oberste ORF-Gremium. Was soll der tun? "Personalplanung mit dem Generaldirektor" – der als Alleingeschäftsführer für alle Jobs im ORF unter den Direktoren zuständig ist. "Ich will mich nicht in Details einmischen", versichert der SPÖ-Vertreter im ORF-Stiftungsrat. Derzeit sieht er den ORF aber "im Blindflug, was das Personal und seine Entwicklung betrifft", etwa wo Trainees eingesetzt würden. Lederer verlangt vom nächsten ORF-General "eine klare Schwerpunktsetzung 2022", das er als "Jahr des Personals" sieht. Prekäre Arbeitsverhältnisse etwa von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin müssten zudem saniert werden.

"Bitte keine weißen Elefanten!"

Lederer: "Ich warne den neuen Generaldirektor, ein weiteres Sparpaket zu schnüren, das über alle Bereiche drüberschert". Er wehre sich aber nicht gegen "vernünftige Sparmaßnahmen". Lederer begrüßt die Abschaffung von Vizedirektorenjobs im ORF und sagt: "Bitte keine weißen Elefanten!" So nennt der ORF-Jargon Mitarbeiter, meist ehemalige Führungskräfte, für die gut dotierte Jobs mit überschaubarem Betätigungsfeld geschaffen werden.

Leistungen der Geschäftsführung evaluieren

Der neuen Geschäftsführung würde der rote Stiftungsrat transparente Leistungskriterien und konkrete Zielvorgaben in die Verträge verordnen. Lederer wollte darüber auch im sogenannten Vergütungsausschuss des Stiftungsrats mitreden, der die Verträge des Managements mitgestaltet, sagt er. Nach der Zustimmung der roten Räte zur Gebührenerhöhung im Oktober hätte Lederer eine Einladung in diesen Ausschuss erwartet – die freilich ausblieb, mit laut Lederer "windigen Ausreden" auf rechtliche und statutarische Bedingungen. Auch früher seien schon Stiftungsräte anderer Fraktionen in diesen Ausschuss eingeladen worden, erklärt er.

Der Vorsitzende widerspricht

Der Vorsitzende des Stiftungsrats, Norbert Steger, widerspricht der Darstellung Lederers. Er habe zunächst im Stiftungsrat gefragt, wer in den sogenannten Vergütungsausschuss soll, jedenfalls die Vorsitzendenden der Stiftungsratsausschüsse und ihre Stellvertreter vorgeschlagen, und ersucht, den Ausschuss nicht zu groß zu machen. Lederer habe sich da nicht gemeldet, der Stiftungsrat habe die Besetzung des Ausschusses dann einstimmig beschlossen.

An den regulären Ausschüssen des Stiftungsrats können auch Nichtmitglieder teilnehmen. Dieser Ausschuss sei aber, weil es um Vertragsdetails des ORF-Generals gehe, nicht mit den anderen Ausschüssen vergleichbar, erklärt Steger, warum er Lederers späteren Wunsch abgelehnt habe, am Vergütungsausschuss teilzunehmen. Er könne nicht gegen Beschlüsse des Stiftungsrats – über die Besetzung des Vergütungsausschusses – handeln, sagt der Vorsitzende. Siehe dazu: Neue Führung kommt den ORF billiger, sagt Vorsitzender des Stiftungsrats.

Was Lederer im Ausschuss wollte

Es gehe ihm nicht um Informationen über die konkreten Gehälter und Leistungen für das Management, sagt Lederer. Er wolle die Leistungen der Geschäftsführung "alle zwei Jahre evaluiert" wissen, "was wurde programmlich, kaufmännisch zustande gebracht". Lederer ist für "stärkere Incentivierung", für transparente und nachvollziehbare Erfolgskomponenten (die es vor 2016 schon ausgeprägter gab) und "gegen Geheimniskrämerei". (fid, 25.11.2021)