Gabriel Felbermayr und Martin Kocher bei der Präsentation des wirtschaftlichen Ausblicks am Dienstag.

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Von einem dramatischen Absturz der Wirtschaft wie im vergangenen November gibt es zumindest aktuell keine Spur. Es besteht sogar die nicht ganz unbegründete Hoffnung, dass die Folgen des aktuellen Lockdowns glimpflicher sein werden als im Vorjahr. Denn immerhin ist schon ein Großteil der Bevölkerung geimpft, es wird eifrig geboostet, noch will niemand die Wintersaison ganz verlorengeben, und zumindest die Regierung verspricht, das Land in drei Wochen wieder aufzusperren. So weit die guten Nachrichten.

Die schlechte lautet, dass sich der aktuelle Lockdown bereits in der Wirtschaftsentwicklung bemerkbar zu machen beginnt.

Zunächst ein Blick auf den Arbeitsmarkt: Laut den aktuellen Zahlen gibt es derzeit 350.668 Menschen, die beim AMS arbeitslos gemeldet sind. Das sind um 6.267 Betroffene mehr als noch vor einer Woche.

In diesen Zahlen ist auch ein saisonaler Effekt enthalten: Die Arbeitslosigkeit beginnt in Österreich nach dem Sommer immer zu steigen. Landwirtschaftliche Betriebe gehen in den Winterschlaf, auch im Bausektor ist meist weniger los.

Arbeitsmarktexperten rechnen jedoch durch den Lockdown, wenig überraschend, mit einem stetigen Anstieg der Jobsuchenden.

AMS-Chef Johannes Kopf erwartet etwa, dass durch den Lockdown 20.000 bis 30.000 Menschen zusätzlich arbeitslos sein werden, wie er im STANDARD-Gespräch sagt. Dieser Effekt werde vor allem Anfang Dezember zu sehen sein, weil dann viele Menschen in der Tourismusindustrie ihren Job hätten antreten sollen – was ja nicht geht. Sollten diese Werte halten, wäre der Schock am Arbeitsmarkt deutlich geringer als im vergangenen Jahr. Ähnlich dürfte auch die Zahl der Menschen in Kurzarbeit rapide ansteigen – und zwar von 80.000 auf 300.000 bis 400.000 Betroffene. Immer gilt es mitzubedenken: Sollte die Wintersaison doch verloren sein, werden die Zahlen weit höher ausfallen.

Auch Konjunktur leidet

Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, der Bewegungsfreiheit und der Unternehmen machen sich auch in den Konjunkturdaten bemerkbar. Die Wirtschaftsleistung Österreichs lag in der vergangenen Woche laut einer Schätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) um 1,63 Prozentpunkte unter dem Wert einer Durchschnittswoche von 2019, in der Woche davor betrug das Minus rund einen Prozentpunkt.

Damit werden die Auswirkungen der 2G-Regel sichtbar: In der Vorwoche gab es ja Zutritt zu Gastronomie und Hotellerie nur noch für Geimpfte und Genesene. Die Einführung der 2G-Regel hat vor allem in den davon betroffenen Bereichen zu einem Rückgang der privaten Ausgaben geführt, im Handel, wo die Regeln theoretisch auch galten, aber nicht kontrolliert wurde, ist kaum ein Effekt bemerkbar.

Ablesbar ist das für die Wifo-Forscher am Rückgang der Kreditkartenabrechnungen. Auch die Zahl der Passagierankünfte am Flughafen Wien nahm ab, der österreichische Güterverkehr auf Straße, Schiene und an Flughäfen stagnierte.

Der aktuelle Lockdown kann erst ab der kommenden Woche analysiert werden.

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) trat unterdessen mit Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Dienstag vor die Presse, um noch einmal zu betonen, dass Unternehmen und Arbeitnehmern Hilfsinstrumente wie Kurzarbeit offen stehen. "Niemand wird alleingelassen in dieser Situation", betonte Kocher.

Neben der Kurzarbeit hat die Regierung auch andere Hilfsinstrumente aktiviert, etwa den Ausfallsbonus, der Ausfälle ab einem Umsatzrückgang von 40 Prozent ersetzt. Der Ersatz fällt je nach Branche unterschiedlich hoch aus, maximal werden 40 Prozent der Verluste erstattet.

Wifo-Chef Felbermayr lobte die Hilfen – und zwar vor allem im Vergleich zu dem im vergangenen Jahr gewährten Umsatzersatz: Das System sei modifiziert worden, es gebe nun branchenspezifische Lösungen, nicht alles werde ersetzt, dadurch seien die Hilfen günstiger für den Staat. Und dass nicht alle Verluste ersetzt werden?

Anreize müssen bleiben

"Man muss ja auch Anreize haben, dass Unternehmen möglichst viel tun, damit sie Umsatzeinbußen kompensieren, dort, wo es geht, durch Take-away oder Click and Collect. Und das tun die Betriebe ja auch. Wenn zu großzügig geholfen wird, geht dieser Anreiz verloren." Nachsatz Felbermayr: Eine Evaluierung der Hilfen aus dem vergangenen Jahr sei immer noch ausständig.

So eine kritische Auseinandersetzung mit Sinn und Grenzen der Hilfen gab es im vergangenen Jahr nicht, da wurden die Rettungsmaßnahmen von den Spitzen der Forschungsinstitute für absolut richtig erklärt.

Während Unternehmen den Ausfallsbonus erhalten, wird es für Arbeitslose keine Extra-Unterstützung geben. Das rechtfertigt Felbermayr. Für Menschen, die ihre Stelle verlieren, sei eine Absicherung über die Arbeitslosenversicherung gegeben, eine solche gibt es für Unternehmen nicht, "die sind ja nicht versichert", so Felbermayr. (András Szigetvari, 23.11.2021)