Politik und Frauenschutzzentren wollen weiter kooperieren und unterzeichneten einen Vertrag.

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Die Aktion "16 Tage gegen Gewalt" startet am Donnerstag.

28 Frauen wurden heuer in Österreich bereits ermordet, zeigte sich Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) am Dienstag alarmiert. Die vielen Gewaltdelikte der letzten Jahre mit Frauen als Opfern waren der Grund dafür, eine Studie in Auftrag zu geben, in der Mordversuche und Frauenmorde der letzten elf Jahre beleuchtet werden.

Raab gewährte am Dienstag erste Einblicke in den quantitativen Analyseteil der Studie, an der Studienautorin und Konfliktforscherin Birgitt Haller noch weiterarbeitet. Demnach gab es im Zeitraum 1. Jänner 2010 bis 31. Oktober 2020 in Österreich 319 Frauenmorde und 458 Mordversuche. Die meisten Frauen wurden 2019 ermordet – nämlich 43. Überwiegend sind die Täter männlich, in über 80 Prozent der Fälle standen sie dem Opfer nahe oder kannten die Familie. Das Alter der Täter ist niedrig, zum großen Teil waren sie unter 40. Die meisten Morde und Mordversuche gab es Wien, in 33 Prozent der Fälle hatte der Täter eine ausländische Staatsbürgerschaft.

Anlass für die Präsentation der Zahlen waren der am Dienstag im Innenministerium stattfindende Gewaltschutzgipfel und der Aktionszeitraum "16 Tage gegen Gewalt", der am Donnerstag startet. "Gewalt an Frauen ist immer noch traurige Realität, das zeigen aktuelle Fälle", verwies Raab auf die jüngsten Morde. Gewalt an Frauen und Kindern dürfe aber keinen Platz mehr haben, man müsse Täter mit voller Härte bestrafen und gleichzeitig in der Prävention besser werden. Dadurch, dass die Gewalt oft innerhalb der Familie stattfinde, habe die Politik die Schwierigkeit der Zugänglichkeit. Umso mehr müsse man stets ermutigen, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.

Mehr Zivilcourage

Zwar gebe es "keine Maßnahme", die Frauenmorde oder Gewalt an Frauen verhindern kann, aber man sei nicht machtlos. Raab forderte auch Zivilcourage der Bevölkerung ein. Immer wenn man Gewalt mitbekomme, müsse man aktiv werden.

Dem Gewaltschutzgipfel blickte Raab optimistisch entgegen. Man habe eine Plattform für Austausch und Vernetzung geschaffen. Dass der Bedarf dafür da ist, zeige das große Interesse. 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgen den Vorträgen von Expertinnen und Experten.

Raab hob auch die finanziellen Mittel für das Gewaltschutzpaket in Höhe von 24,6 Millionen Euro hervor. Das Geld wurde aufgewendet, um etwa Gewaltschutz- oder Kinderschutzzentren zu unterstützen. Man habe neue Beratungsstellen geschaffen und setze Schwerpunkte auf Formen von Gewalt, die "bisher nicht so stark im Fokus" waren. Als Beispiele nennt die Frauenministerin Cybergewalt, Zwangsheirat und weibliche Genitalverstümmelung.

Es sei wichtig, dass jede Frau wisse, dass sie Unterstützung bekommen kann. Auch daher seien Informationskampagnen umso zentraler, wie die aktuelle zu "16 Tagen gegen Gewalt".

Ausbau der Täterarbeit

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hob die Wichtigkeit der Täterarbeit hervor. Seit September seien 2.000 Gefährder der "wichtigen Täterarbeit zugeführt" worden. Instrumente wie das Betretungs-, aber auch das Annäherungsverbot würden helfen, dass die Polizei einschreiten kann.

Nehammer bedauerte, dass die Polizei noch immer "zu wenig involviert" sei. Er appellierte, den Notruf 133 zu wählen, wenn man sich in einer Gefahrensituation befinde. Dann könne rasch geholfen werden. Die Polizeibeamten hätten schließlich eine Ausbildung, um einzugreifen. Statt bisher 500 seien nun 800 Beamte professionell im Bereich Gewaltschutz ausgebildet. Heuer seien bereit 12.100 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen worden, das seien um 1.400 mehr als im letzten Jahr.

Dass die Unterstützung durch die Polizei aber nicht immer gelingt, zeigt der Fall einer Frau in Wien, die die Polizei im Frühsommer um Hilfe bat – und eine Strafe erhielt. Weil sie sich zu laut verhalten und Beamte angeschrien habe, sollte sie 200 Euro zahlen (DER STANDARD berichtete).

Marina Sorgo, Vorsitzende des Dachverbands Gewaltschutzzentren, betonte die Wichtigkeit der Kooperation zwischen Behörden, Einrichtungen und Betroffenen. Der Ausbau der Gewaltschutzzentren sei unabdingbar gewesen. An die Medien appellierte Sorgo, nicht zu berichten, dass Gewaltschutzzentren überlastet seien, das sei "kontraproduktiv" und würde Betroffenen womöglich vermitteln, "dass sie keine Hilfe bekommen". Sorgo, Raab und Nehammer unterzeichneten eine Kooperationsvereinbarung darüber, "dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen, um Frauen in Gewaltbeziehungen zu unterstützen". (rwh, 23.11.2021)