Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist in Straßburg beheimatet.

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Ankara/Straßburg – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei am Dienstag wegen der willkürlichen Inhaftierung von mehr als 400 Richtern und Staatsanwälten nach dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 verurteilt. Einstimmig stellten die Richter fest, dass die Untersuchungshaft für die 427 Justizvertreter rechtswidrig war, und verurteilte Ankara zur Zahlung von Schadenersatz von 5.000 Euro an jeden Betroffenen.

Die Richter und Staatsanwälte waren wie tausende Kollegen nach dem Putschversuch vor fünf Jahren unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung festgenommen worden. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan wirft der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen vor, systematisch Militär, Polizei und Justiz unterwandert zu haben, um die Macht im Staat zu übernehmen.

Nicht zum ersten Mal

Die türkische Regierung ist bereits wiederholt vom EGMR für ihr Vorgehen gegen Oppositionelle, Journalisten und Beamte verurteilt worden. Erdoğan zeigte sich trotz der Urteile des Gerichts des Europarats jedoch uneinsichtig und wird deshalb regelmäßig von Partnerländern kritisiert.

Im Konflikt über die laut EGMR unrechtmäßige Inhaftierung des Bürgerrechtsaktivisten und Kulturmäzens Osman Kavala hatte Erdoğan Ende Oktober sogar gedroht, zehn Botschafter westlicher Staaten, darunter Deutschland und die USA, auszuweisen. Diese hatten zuvor Kavalas Freilassung gefordert. Erdoğan lenkte schließlich ein, nachdem die Botschafter seiner Aussage nach einen "Rückzieher" gemacht hatten. (APA, red, AFP, 23.11.2021)