Rachensprays und Kaugummis werden angeboten, die vor dem Coronavirus schützen sollen. Medikamente sind das aber nicht.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Immer wieder ist von Rachensprays die Rede, die vor Corona schützen sollen. Aussendungen mit der Überschrift "Mundspray-Wirkung auch bei Delta-Variante wissenschaftlich bestätigt" klingen vielversprechend und lassen hoffen. Zuletzt wurde etwa ein Mundspray eines Tiroler Unternehmens untersucht. Doch was genau hat man da angeschaut?

Studienleiter Wilfried Posch vom Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck erklärt: "Wir haben mit verschiedenen Sprays und unter anderem auch diesem Produkt, die antivirale Substanzen enthalten, unterschiedliche Experimente durchgeführt. Toxizitätstests etwa, die zeigen, wie die Produkte für menschliche Zellen und Gewebe verträglich sind." Passiert ist das an einem dreidimensionalen Zellkulturmodell einer Lunge, mit von gesunden Menschen gespendetem Zellmaterial, das zu einem Lungenmodell kultiviert wurde. Das ist deutlich realitätsnäher als Tests in Petrischalen. Die Zellen erzeugen sogar Schleim.

Untersuchen kann man, wie gut aufgesprühte Substanzen Viren, die auf die Schleimhaut gelangen, abwehren können und, wenn es zu einer Infektion kommen sollte, wie stark diese ist. Es handelt sich bei den Sprays um generell antivirale Substanzen, die auch gegen Covid-19 eingesetzt werden können.

In Tests für den Mundspray Salopur eines Tiroler Unternehmens etwa hat sich gezeigt, dass dieser den Rachenraum auch gegen die Delta-Variante von Sars-CoV-2 desinfizieren kann. Man erhofft sich durch flächendeckende Anwendung eine deutliche Verringerung der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus. Posch betont aber: "Das sind reine Laborergebnisse. Jetzt soll noch genauer evaluiert werden, wie alltagstauglich solche antiviralen Substanzen sind und ob man sie auch klinisch verwenden könnte."

Kauen gegen das Virus?

Auch ein zuletzt medial präsenter "Anti-Corona-Kaugummi" soll so funktionieren. Statt über einen Spray verteilen sich die antiviralen Substanzen über den Speichel, der beim Kauen entsteht, im gesamten Mund-Rachen-Raum. Solche Mittel gibt es in Apotheken, sie sind auch nicht neu. Schon seit mehreren Jahren wird so eine Rachendesinfektion gegen Erkältungen angeboten. Meist handelt es sich dabei um Kosmetikprodukte, nicht um Medizinprodukte oder gar geprüfte Arzneiprodukte.

Experten sehen diese Medikamente skeptisch. Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck kennt keine klinischen Studien, die so eine Wirkung beweisen würden. Solange aber garantiert ist, dass keine schädlichen Inhaltsstoffe enthalten sind, schaden die Mittel wohl auch nicht, so die Virologin.

Nicht als Arzneimittel zugelassen

Auch Pharmakologe Markus Zeitlinger von der Med-Uni Wien sieht die Mittel skeptisch. Er betont: "Keines dieser Produkte ist als Arzneimittel zugelassen oder meines Wissens auch nur bei der EMA als Arzneistoff in Evaluierung. Man muss hier auch sehr vorsichtig sein, weil für Medizinprodukte nicht die gleichen Standards gelten wie für Arzneimittel."

Die Wirkung von Medizinprodukten darf nämlich per se nur eine physikalische sein, etwa eine Desinfektions- oder Barrierefunktion. Zeitlinger: "Es ist leicht, im Reagenzglas etwas zu zeigen, das muss aber nicht unbedingt klinisch relevant sein. Einige Sprays haben in klinischen Studien sogar gewisse Effekte. Ich würde mich aber eher auf eine FFP2-Maske verlassen als auf einen Spray." Wie ein Kaugummi das Epithel in Nase und Lunge schützen soll, ist dem Experten schleierhaft, so ein Produkt ersetze die Maske sicher nicht. Er rät bei solchen Maßnahmen dazu, den gesunden Hausverstand zu nutzen.

Diese Wirkweise bestätigt übrigens auch Wilfried Posch, der die Untersuchung des Tiroler Mundsprays geleitet hat: "Das Produkt kann eine Impfung definitiv nicht ersetzen. Diese Rachendesinfektion ist als zusätzlicher Schutz gedacht, den man einsprühen kann, bevor man sich in eine größere Menschenmenge begibt oder wenn keine Maske getragen wird." (Pia Kruckenhauser, 23.11.2021)