Die Empfehlungsliste variiert bei den verschiedenen Nutzern, viele Titel tauchen aber bei fast allen immer wieder auf.

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Der harte Lockdown in Österreich sowie die weltweit steigenden Infektionszahlen kennen viele Verlierer – aber auch so manchen Gewinner. Gute Geschäfte mit der Impfskepsis macht etwa Amazon, dessen Vorschläge bei den Suchbegriffen "Impfung" oder "Corona" vor allem Bücher mit Verschwörungsinhalten liefern.

Interessante Empfehlungen

Als erster Treffer wird etwa beim Suchwort "Impfung" das Werk "Virus Wahn: Wie die Medizinindustrie ständig Seuchen erfindet und auf Kosten der Allgemeinheit Milliardenprofite macht" empfohlen. Darunter "Impfschaden durch Corona Impfung 2022: Neueste Daten, Zahlen, Fakten und Beweise". In diesem Tenor geht es weiter. Oft wird mit dem Wort Fakten geworben – sogar beim Buch "Die Impf-Illusion". Nur bei "Corona-Impfungen aus spiritueller Sicht" wird weniger über Fakten als vielmehr über die "Auswirkungen auf Seele und Geist" gesprochen.

Beim zweiten sehr beliebten Suchwort "Corona" spricht "Covid 1984" von der "neuen Weltordnung" – auch hier wird "evidenzbasiert" erörtert und über die Fragen diskutiert, ob das Coronavirus aus einem Labor stammt oder ob es überhaupt eine Pandemie gibt. Auch hier finden sich Werke wie "Corona: Covid 19 ist kein Zufall, sondern ein Teil des Plans". Es scheint tatsächlich so, als würde es kaum sachliche Literatur zu dem Thema geben.

Seit 2019 gab es mehrere Artikel zu der Frage, wie sich der Amazon-Algorithmus beeinflussen lässt, wenn man zum Beispiel koordinierte Bewertungen abgibt und so ein Buch in die prominenten Empfehlungen hievt. Dadurch verkauft sich das Buch auch besser und bleibt meist an dieser guten Platzierung. Eine Datenauswertung von netzpolitik.org im Vorjahr ergab, dass "die Empfehlungen von Amazon selbst solche Kunden auf Verschwörungsinhalte leiten können, die gar nicht danach suchen". Laut der Website zählen zu diesen Inhalten nicht nur medizinische Desinformation, sondern auch antisemitische Hetzliteratur und andere rechtsextreme Verschwörungserzählungen.

Eine Vorsortierung oder Gewichtung wird allein automatisiert vorgenommen. Amazon hat sich in mehreren Statements davon freigesprochen, hier eingreifen zu wollen. "Wir sind uns bewusst, dass in unserem Store kontrovers diskutierte Titel erhältlich sind und es unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wo die Grenze zum Schutz der Meinungsfreiheit zu ziehen ist", sagt ein Amazon-Sprecher in einer Aussendung. Es würden nur solche Inhalte offline genommen, die gegen die Richtlinien des Unternehmens verstoßen. Eine bestimmte Meinung bevorzugt zu behandeln sei nicht im Interesse von Amazon.

Kodex ohne Zähne

So wird Amazon also auch weiterhin fragwürdige Literatur nicht aus dem Sortiment nehmen oder durch Moderation nach unten reihen. Rechtlich kann die EU dagegen aktuell nicht vorgehen. Die Kommission arbeitet jedoch derzeit an einer Erweiterung des Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation. Das freiwillige Regelwerk will dann Onlinehändler mit in die Verantwortung nehmen, sich aktiv gegen Desinformation zu engagieren. Wie zahnlos der Kodex aber heute schon ist, zeigen die zahlreichen Falschmeldungen auf Facebook. Der Konzern dahinter, Meta, hat den Kodex zwar unterzeichnet, wirklich gelebt werden die Inhalte allerdings weiterhin nicht. (red, 23.11.2021)