Viele Touristen möchten in Wien einmal in ein Traditionskaffeehaus gehen.

Foto: Robert Newald

Gerald Bayer
Café Restaurant Ulrich

"Was es in letzter Zeit ganz oft gibt bei uns: Tinder-Dates, bei denen beide vorher nicht wussten, wie der andere genau aussieht. Das merkt man relativ schnell. Wenn eine Person schon dasitzt und die zweite kommt und sagt: ‚Ich habe reserviert.‘ Und ich sage: ‚Da drüben sitzt die Dame oder der Herr.‘ Dann sagen die: ‚An welchem Tisch genau?‘ Weil die nicht sicher wissen, wer es ist. Das gibt es öfter. Dann sitzen die da kurz. Wir haben schon ein paar Mal den Fall gehabt, dass die Dame oder der Herr einfach gleich aufsteht und verschwindet. Dann sitzt die zweite Person mit Getränk da. Das gibt es bei uns öfter. Irgendwie sind wir ein Magnet für Tinder-Dates."

René Kachlir
Zum Scharfen René am Schwarzenbergplatz

"Einmal war ein Gast bei mir und wollte ein scharfes Chili ausprobieren. Ich habe ihn noch gewarnt, dass er an seine Grenzen stoßen wird. Gesagt, getan, hat er das Chilipulver zwischen Daumen und Zeigefinger aufgetragen – wie man es mit Salz bei einem Tequila macht. Ich dachte, er wird das doch nicht abschlecken. Es kam noch um einiges schlimmer: Der Gast hat sich das durch die Nase gezogen, die Augen verdreht und ist weggegangen. Ich dachte noch: Hoffentlich haut’s ihn jetzt nicht um! Aber es ist ihm Gott sei Dank nichts passiert. Bitte auf keinen Fall nachmachen!"

Nikolaus Weidinger
Café Weidinger

"Einige kommen einmal, weil sie das Café gesehen haben wollen und wie ein braver Tourist oder ein braver Sightseer einfach was abhaken. Wie viele Leute waren schon zweimal auf dem Eiffelturm? Einmal auf den Eiffelturm genügt, und offensichtlich genügt es, einmal in ein Wiener Traditionskaffeehaus zu gehen. Viele junge Leute mit elektronischen Medien sind vorinformiert. Sie sehen etwas in einem Medium, weil ein Gast, der vorher im Lokal war, seine Speise oder sein Getränk fotografiert. Dann gibt es Leute, die einfach, obwohl sie Deutsch könnten, ein Bild auf ihrem Handy zeigen. Das ist dann eine Melange. Oder ein Apfelstrudel. Die leben in einer optischen Beziehung zu Gegenständen. Und wollen das, was sie vorher gesehen haben, in natura haben. Es geht darum, das Erlebnis, das sie haben, nicht mit physisch anwesenden Personen, sondern mit virtuellen Personen zu teilen."

Berndt Querfeld
Café Landtmann

"Vor ein paar Jahren saß ich im Büro. Wir haben eigentlich Kaffeeköchinnen gesucht. Eine junge Frau war da, um sich zu vorstellen, und wurde in mein Büro geschickt. Ich habe sie einen Zettel ausfüllen lassen, mit Namen, Adresse, Geburtsdatum usw. Das hat sie alles ausgefüllt. Ich habe sie gefragt: ,Was haben Sie gelernt?‘ Sie hat geantwortet: ,Ich habe gerade fertig studiert.‘ Jus oder so was in die Richtung war das. Und ich habe sie gefragt: ,Fühlen Sie sich nicht ein bisschen überqualifiziert?‘ Sie hat geantwortet: ,Nein, wieso?‘ Ich sagte: ,Als Kaffeeköchin weiß ich ja nicht, ob das so angepasst ist an Ihre Ausbildung.‘ Und sie meinte: ,Wieso Kaffeeköchin? Ich will meine Sponsion bei Ihnen reservieren.‘ Da hatten wir schon eine Viertel-, halbe Stunde miteinander gesprochen. Es war lustig, weil ich in eine und sie in die andere Richtung gesprochen hat. Aber es kam dann zur Sponsionsfeier, und sie musste nicht Kaffee kochen." (Ana Grujic, RONDO exklusiv, 20.12.2021)