Gemessen am damaligen und heutigen Lohn eines Arbeiters ist ein Einkauf heute deutlich günstiger als vor vierzig Jahren.

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Fast zwanzig Jahre nach Einführung des Euro ist der Satz noch nicht in Vergessenheit geraten. "Um soundso viel Schilling hätte ich mir das nicht gekauft." Freilich: Je länger die Vorgängerwährung Alltagsbegleiterin war, desto tiefer brannte sich ihr Wert ins Zahlengedächtnis ein. Wirklich angemessen ist der Vergleich aber nicht mehr, denn auf einem jahrzehntealten Preisniveau zu verharren ignoriert die Tatsache, dass seither auch die Einkommen gestiegen sind.

Weil also die nackten Beträge auf alten Preisschildern umso verzerrter ausfallen, je weiter man in die Zeit zurückreist, hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) für einen langjährigen Vergleich der Einkaufskosten mit der Arbeitszeit einen überspannenden Indikator gefunden. Berücksichtigt werden dabei 75 Produkte und Dienstleistungen in vier Kategorien.

Vorbild Big-Mac-Index

Die Methode funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie der Big-Mac-Index: Um Kaufkraftunterschiede zwischen Volkswirtschaften zu überbrücken, werden dafür die Arbeitsminuten errechnet, die im jeweiligen Land nötig sind, um sich einen Burger kaufen zu können. Für den vorliegenden Vergleich werden die Preise nicht räumlich, sondern zeitlich seit 1980 in Zehnjahresschritten gegenübergestellt.

Das Verfahren hat natürlich seine Grenzen; schon weil eine Minute Arbeitszeit nicht in jedem Job gleich viel harte Währung bringt. Dazu später mehr. Aber auch produktseitig fällt ein seriöser Vergleich oft schwer. Beim Big-Mac-Index wurde der Burger gewählt, weil er weltweit eines der am ehesten in ähnlicher und gleichbleibender Qualität verfügbare Konsumprodukt ist.

Bei einem zeitlichen Vergleich ergeben sich hingegen schon wegen des technischen Fortschritts Schwierigkeiten: Ein noch vor 20 oder 30 Jahren gekaufter Computer lässt sich mit einem zeitgenössischen Gerät kaum in Relation setzen – denn heute liefert jedes Billigprodukt mit integriertem Chip stärkere Rechnerkapazitäten als frühere High-End-Produkte.

Durchwegs weniger Arbeit nötig

Einfacher ist hingegen der Vergleich einer Packung Nudeln, einer Tafel Schokolade oder einer Flasche Milch. Diese Lebensmittel waren auch vor Jahrzehnten in ähnlicher Beschaffenheit verfügbar. Und hier zeigt sich, dass der für den täglichen Einkauf nötige Arbeitsaufwand durchwegs gesunken ist.

Für 500 Gramm Teigwaren musste man 1980 noch 10:18 Minuten arbeiten, 2020 nur mehr fünf Minuten. Ein Liter Milch kostete 1980 umgerechnet 7:54 Minuten Arbeitszeit, vergangenes Jahr reichten 3:30 Minuten. Eine Tafel Schokolade bedurfte vor vierzig Jahren eines Aufwands von 6:06 Minuten Tagwerk, während 2020 bloß 3:18 Minuten genügten.

Unsere animierte Visualisierung zeigt, wie viel Zeit jeweils notwendig war, um gegebene Einheiten ausgewählter Produkte zu erarbeiten. Jeder Punkt, der sich nach rechts bewegt, entspricht einer Einheit, über die Balken rechts und die mitlaufende Zeitachse lässt sich ersehen, wie sich die Menge in den verschiedenen Jahren kumuliert.

Tatsächlich gibt es von den 29 Produkten der Kategorien Lebensmittel und Nahrungsmittel nur ein einziges, das heute kaufkraftbereinigt teurer ist als 1980: die Semmel. Ein industriell hergestelltes Exemplar des heimischen Standardgebäcks konnte vor vierzig Jahren in 1:06 Minuten erarbeitet werden, 2020 wurden 1:18 Minuten veranschlagt. Im Schnitt aber kosteten Lebensmittel vergangenes Jahr nur 56,5 Prozent ihres damaligen Preises. Für einen Supermarkteinkauf musste man also vor vierzig Jahren noch knapp doppelt so lange arbeiten.

Nur Dienstleistungspreise stiegen

Auch die Energiepreise sanken arbeitszeitbereinigt etwa um die Hälfte. Ein Liter Superbenzin verschlang 1980 noch 7:36 Minuten, zuletzt 3:24 Minuten. Hundert Kilowattstunden Strom sanken von zwei Stunden Arbeitszeit auf 54 Minuten, hundert Kilowattstunden Gas von 38 auf 19 Minuten.

Die dritte große Produktgruppe fasst das Wifo als "Waren" zusammen. Darin befinden sich von Damenstrümpfen über eine Bohrmaschine bis zu einer Packung Toilettenpapier alle Arten materieller Ver- oder Gebrauchsgüter. Diese Alltagsgegenstände verbilligten sich über die Jahrzehnte noch stärker als Lebensmittel und Energie. Um jeweils eine Mengeneinheit der 22 Bedarfsartikel zu erarbeiten, waren 2020 im Durchschnitt nur rund 39 Prozent der Arbeitszeit notwendig, die man noch 1980 aufwenden musste.

Die letzte Gattung gruppiert Dienstleistungen. Sie stechen aus dem allgemeinen Preisrückgang heraus. Vor allem Handwerkerservices verteuerten sich empfindlich. Einen Gas-Wasser-Installateur oder einen Kfz-Mechaniker für eine Stunde zu beauftragen machte 1980 noch 279 beziehungsweise 287 Arbeitsminuten erforderlich. 2020 brauchte es hingegen schon eine Arbeitszeit von 433 beziehungsweise 383 Minuten.

Recht ähnlich blieb das Preisniveau über Jahrzehnte in der Gastronomie. Dagegen sanken die Kosten für eine Woche Übernachtung in einem günstigen Appartement im Ausland von rund 32 auf rund 25 Arbeitsstunden. Kurios war die Preisentwicklung des Pakettarifs in Österreich: 1980 waren laut Wifo 18:36 Minuten nötig, um die Versandkosten zu erarbeiten; bis 2020 verteuerten sie sich auf 24:24 Minuten, um 2020 wieder bei genau 18:36 Minuten anzukommen.

Mit dem folgenden Rechner können Sie Produkte und Dienstleistungen selbst gegenüberstellen, um zu sehen, wie sich der zum Erarbeiten nötige Zeitaufwand im Lauf der Jahrzehnte verändert hat.

Der Grund für die Verbilligung der meisten Waren ist ihr Massencharakter. Die Fertigung von Gebrauchsgegenständen wurde immer stärker in Niedriglohnländer verlagert, ein guter Teil der dadurch reduzierten Kosten wurde auch an die Endverbraucher weitergegeben. Doch auch regional hergestellte Nahrungsmittel entstammen heute viel öfter der industriellen Fließbandproduktion als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Diese Art der Senkung von Aufwandskosten sei bei Dienstleistungen wie einem Installateurservice nicht oder kaum möglich, sagt Wifo-Ökonom Josef Baumgartner. Zudem komme bei diesen personalintensiven Tätigkeiten eine Steigerung der Abgaben und Steuern auf die Löhne der Fachleute hinzu. Dieser Aspekt wiege bei einem Vergleich wie dem vorliegenden sogar besonders schwer: Die Konsumenten müssen die Ausgaben mit ihrem Nettoeinkommen bestreiten; bezahlen müssen sie aber die Bruttopersonalkosten des Dienstleisters oder Produzenten auf der Gegenseite.

Einkommen ist nicht gleich Einkommen

Beim Arbeitszeitvergleich sollten auch und vor allem die sekundengenauen Angaben nicht immer wörtlich genommen werden. Denn wie eingangs erwähnt, können die Werte unmöglich für alle Einkommensbezieher gleich gelten – der Unterschied zwischen einem Gehalt und dem anderen kann schließlich ein Vielfaches betragen.

Um eine möglichst verlässliche Vergleichsbasis zu gewährleisten, hat das Wifo für jedes gegebene Jahr das durchschnittliche Vollzeitnettoeinkommen eines Industriearbeiters herangezogen. Doch selbst das macht die Referenzgröße nicht unproblematisch, wie Baumgartner ausführt. Industrielöhne liegen nämlich in der Regel schon seit Jahrzehnten über dem volkswirtschaftlichen Mittel.

Auch die strukturellen Änderungen in der modernen Arbeitswelt werden in der Industrie nur unzureichend abgebildet: darunter etwa die stärkere Erwerbsbeteiligung der Frauen; höhere Teilzeit- und Geringfügigkeitsquoten; aber auch der in anderen Bereichen immer höhere Anteil an Personal mit Hochschulqualifikation. (Sebastian Kienzl, Robin Kohrs, Moritz Leidinger, Michael Matzenberger, 27.11.2021)