Nicht eine mehr: Seit 1999 ist der 25. November ein Gedenktag für Mädchen und Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Bis 10. Dezember finden die "16 Tage gegen Gewalt" statt. Die globale Kampagne "One Billion Rising" (Bild von einer Protestaktion 2019) setzt sich für ein Ende der Gewalt ein.

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Eine Frau stirbt nach heftiger Gewalteinwirkung und wird vor der Bezirkshauptmannschaft Villach abgelegt. Eine weitere wird in Innsbruck in ihrem Zuhause erstochen. Eine Dritte wird angefahren und reglos neben einer Straße im niederösterreichischen Großebersdorf entdeckt.

Das sind nur die Vorfälle seit Montag vergangener Woche. Es sind drei von 28 Frauen, die dieses Jahr getötet wurden. Seit dem Höchststand der vergangenen Jahre 2018, als laut polizeilicher Kriminalstatistik 41 Frauen ermordet wurden, ging die Zahl leicht zurück: 2019 auf 39, im Vorjahr auf 31. 2015 waren es 17 gewesen – eine Zahl, die derzeit in weiter Ferne scheint.

Welche Maßnahmen wurden im Kampf gegen Gewalt an Frauen gesetzt? Kommen sie bei Opfern an, steigt der Druck auf Täter? Waren es die falschen Schritte, oder wurde deren Wirkung nur nie evaluiert?

Jede Regierung der vergangenen Jahre brachte eigentlich ein Gewaltschutzpaket auf den Weg. Ein wesentlicher Bestandteil war oft eine Erhöhung der Strafen für Sexual- und Gewaltdelikte. Unter Rot-Schwarz wurde 2016 etwa die Strafdrohung für Körperverletzung verdoppelt. 2019 wurde unter Türkis-Blau die Mindeststrafe für Vergewaltigung von einem auf zwei Jahre erhöht, rückfälligen Gewalt- oder Sexualtätern drohten um die Hälfte erhöhte Strafen.

Abschreckung ungewiss

Was die Verschärfungen – und ob sie überhaupt etwas – gebracht haben, bleibt dabei im Dunkeln. "Aus der allgemeinen kriminologischen Forschung gibt es keinen empirischen Beleg für eine Abschreckungswirkung höherer Strafdrohungen", sagt Isabel Haider vom Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Wien. Eine Wirkung gebe es hingegen, wenn Täter tatsächlich entdeckt und bestraft werden. Jedoch sind die Verurteilungsraten bei Gewalt- und Sexualdelikten sehr niedrig.

Das zeigt sich etwa statistisch bei den Straftatbeständen sexuelle Belästigung oder Vergewaltigung, wo zwischen 2012 und 2019 nur 8,4 bzw. 13 Prozent der Anzeigen zu einer Verurteilung führten. Hinzu kommt, dass die Dunkelziffer insbesondere bei sexualisierter Gewalt hoch eingeschätzt wird. Die Beweislage ist schwierig, oft steht Aussage gegen Aussage. Die Pandemie hat sowohl kurz- als auch langfristig die Lage verschärft.

Neue Möglichkeiten

Durch die Corona-Krise wurden Frauen länger und nachhaltiger arbeitslos, eingeschränkte Bewegungsfreiheit im Lockdown stellt eine zusätzliche Bedrohung dar. Seit der Pandemie gibt es neue Hilfsangebote, wo Betroffene trotz Ausgangsbeschränkungen hinkönnen. In Frankreich wurden in Einkaufszentren Beratungsstellen eingerichtet und tausende Hotelbetten für sie reserviert. Versteckte Hilferufe wie "Maske 19" in Apotheken oder bestimmte Handzeichen in Videos sind auch außerhalb Frankreichs verbreitet. Zuletzt erschienen in Österreich Hinweise auf Milchpackungen oder Supermarktbelegen, an wen sich Betroffene von Gewalt wenden können.

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Was dies allerdings tatsächlich bringt, wissen wir noch nicht, sagt Birgitt Haller von Institut für Konfliktforschung. Solche Kampagnen werden vorwiegend von Gewaltschutzeinrichtungen und NGOs durchgeführt, "und die sind schon froh, dass sie Geld für eine Kampagne haben". Für Studien über den Nutzen reiche es nicht mehr. Dennoch sei es in jedem Fall sinnvoll, "alles, womit man unter Umständen jemanden erreicht, ist einen Versuch wert", sagt Haller. Letztlich müsse das Gegenüber der Hilfesuchenden aber gut geschult sein. "Nur weil man helfen will, ist das noch keine Qualifikation dafür, dass man das gut und unterstützend macht", sagt Haller.

Mehr Wissen nötig

Die Gelder für Gewaltschutz sind bekanntlich sehr begrenzt. Es sei daher heikel, dass man noch nicht wisse, in welche Maßnahmen in einer Notsituation wie jetzt dem Lockdown unbedingt investiert werden sollte. "In jedem Fall in umfassende Online-Angebote", fällt Haller ein, die braucht es in Zeiten des Lockdowns unbedingt.

Betroffene oder auch Täter mit Kampagnen gegen Gewalt zu erreichen ist nicht leicht. Ein blaues Auge, eine in der Ecke kauernde Frau vor einer Männerfaust. Solche plakativen Bilder bei Antigewaltkampagnen können dem Bewusstsein sogar schaden. Das zeigt eine Studie aus dem Jahr 2010. Bei der Zielgruppe Männer nimmt das Bewusstsein durch Kampagnen mit stereotypen Zuschreibungen sogar ab, erklärt Michaela Gosch, Geschäftsführerin der Frauenhäuser Steiermark. Wenn stereotype und besonders harte Bilder von Gewalt überhaupt jemanden erreichen, dann Frauen, die bereits ein feministisches Bewusstsein haben.

Was hingegen immer öfter in Kampagnen in den Vordergrund gerät, ist, Männer in die Pflicht zu nehmen. Der Werbespot der schottischen Polizei "Don't be that Guy" richtet sich explizit an Männer und fordert sie auf, ihr Verhalten zu reflektieren.

That Guy Scotland

Auch in Österreich startete das Sozialministerium diese Woche die Kampagne "Mann spricht's an". Damit wird zwar nicht direkt das eigene Verhalten der Männer adressiert, sondern dazu aufgerufen, einzuschreiten, wenn Freunde, Nachbarn oder Arbeitskollegen problematisch bis gewalttätig sind. Dennoch wird auch hier bereits erkannt, dass Gewalt gegen Frauen weit vor einem körperlichen Übergriff beginnen kann. (Beate Hausbichler, Noura Maan, 25.11.2021)