Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sieht bereits eine Wirkung der getroffenen Maßnahmen – "die Dynamik dürfte sich leicht einbremsen".

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Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) beharrt darauf, dass der Corona-Lockdown für Geimpfte am 13. Dezember endet. Mit einem Zielwert bei der Infektionsentwicklung wollte er das am Mittwoch nach dem Ministerrat nicht verknüpfen. Auch an den offenen Schulen will die türkis-grüne Bundesregierung nicht rütteln. Beschlossen wurde in der Regierungssitzung die Bestellung neuer Corona-Medikamente von Pfizer und Merck, die Anfang kommenden Jahres eintreffen sollen. Laut Experten und Expertinnen des Covid-Prognose-Konsortiums zeichnet sich bei den Neuinfektionen eine beginnende "Stagnierung auf hohem Niveau" ab. Wegen der zeitlichen Verzögerung rechnen die Experten aber mit weiter steigenden Spitalszahlen.

Der Gesundheitsminister unterstrich zuvor, dass der Lockdown für alle als "Ultima Ratio" notwendig geworden sei, um die Spitäler – speziell die Intensivstationen – und das Gesundheitspersonal zu entlasten. Die neueste Prognose der Experten "lässt ein kleines bisschen Hoffnung zu", meinte er: "Die Maßnahmen der letzten Tage zeigen Wirkung, die Dynamik der Infektionen dürfte sich leicht einbremsen."

Kontaktreduktion um 30 Prozent

Einen Zielwert bei den Neuinfektionen, den man zur Aufhebung des Lockdowns erreichen müsse, wollte Mückstein allerdings nicht nennen. Er verwies lediglich darauf, dass laut Experten eine Kontaktreduktion um 30 Prozent erreicht werden müsse, damit die Positivtestungen zurückgehen. Klar sei, dass für Ungeimpfte die Einschränkungen auch nach den 20 Tagen weitergehen. "Meine Aufgabe als Gesundheitsminister ist es, dass die intensivmedizinische Versorgung aller Menschen in Österreich gesichert ist", wiederholte er mehrmals während der Pressekonferenz.

Zuversicht verströmte der Minister bezüglich der Behebung der Mängel bei den Testkapazitäten. Das sei zwar Landessache, man unterstütze die Bundesländer aber aus dem Gesundheitsressort. Besserung versprach er für kommende Woche.

Corona-Medikamente bestellt

Zudem habe man nun Medikamente bestellt, die sich derzeit in Zulassung befinden und die "sehr hoffnungsfroh stimmen", so Mückstein. Von Molnupiravir von Merck & Co (MSD) will man insgesamt 80.000 Therapiezyklen zu je 612 Euro beschaffen, von Paxlovid von Pfizer 270.000 Zyklen (hier gibt es noch keinen Preis). Insgesamt sind im Budget 50 Millionen Euro für diese Beschaffungen vorgesehen. Sie werden über den entsprechenden EU-Mechanismus, zum größeren Teil aber bilateral abgewickelt. Sollte es teurer werden, kann auf den Covid-19-Krisenfonds des Finanzministeriums zugegriffen werden.

Die Impfung könnten diese Medikamente nicht ersetzen, für chronisch Kranke und Risikopatienten seien sie aber sehr wichtig, so Mückstein. Was man dafür noch finden müsse, seien entsprechende ambulante Settings. Die Präparate müssen nämlich zwischen dem dritten und fünften Tag eingenommen werden. Ins Spital kämen die Patienten jedoch meist erst am sechsten Tag.

Raab befürwortet offene Schulen

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) verteidigte in der Pressekonferenz das Offenhalten der Schulen als den "richtigen Weg". Man müsse langfristig auch auf die Psyche und das Wohlbefinden der Kinder achten. "Ich bin da auch zu 100 Prozent im Einklang mit dem Bildungsminister." Zudem gebe es Sicherheitsvorkehrungen, und man habe in den Schulen ein großartiges Testsystem aufgebaut und leiste damit einen Beitrag, das Infektionsgeschehen zu erkennen.

Raab und Mückstein riefen erneut zum Impfen auf. Am Dienstag seien es 99.966 Impfungen gewesen, davon rund 11.000 Erststiche. Das sei "gut, aber nicht gut genug", deshalb denke man in Richtung Impfpflicht weiter. Mückstein verwies auf die nun beginnenden umfassenden Beratungen. Wichtig sei, "dass wir das in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess besprechen".

Neuinfektionen stagnieren "auf hohem Niveau"

Bei den Neuinfektionen sehen die Experten eine beginnende Stagnation auf hohem Niveau. Ein weiterer Rückgang sei aber dringend notwendig, um das Geschehen in den Griff zu bekommen.

Die Expertinnen und Experten nehmen in ihrer wöchentlichen Vorschau an, dass die Sieben-Tage-Inzidenz nicht mehr signifikant steigen wird. Am Mittwoch lag sie bei 1.108. In der laufenden Kalenderwoche 47 "ist ein Höhepunkt der vierten Epidemiewelle ... wahrscheinlich", heißt es in der Expertise des Progonosekonsortiums.

Auch Abwasseranalysen und Mobilitätsdaten deuteten auf eine Stagnation des Infektionsgeschehens hin, heißt es dort. Das Prognosekonsortium gibt dabei zu bedenken: "Aufgrund der hohen Belastung bzw. teilweiser Überlastung von Testinfrastruktur, Meldesystem und Kontaktpersonenverfolgung sind die aktuell gemeldeten Inzidenzen jedoch mit Unsicherheit behaftet. Entsprechend muss diese Prognose im Falle erheblicher Nachmeldungen in den nächsten Tagen neu evaluiert werden."

Anstieg der Spitalszahlen erwartet

Indes geht das Prognosekonsortium von einem weiter steigendem Bedarf an Spitalsbetten vor allem auf Intensivstationen (ICUs) aus. Grund dafür ist der "Zeitverzug zwischen Infektionserwerb und Hospitalisierung". Deshalb sei "in den nächsten 14 Tagen noch nicht mit einer Entspannung in den Spitälern zu rechnen und ein weiterer Anstieg des ICU-Belags wahrscheinlich". Dieser könnte dann in der ersten Dezemberwoche "abflachen bzw. leicht zurückgehen", deutet das Prognosekonsortium an, warnt jedoch vor vorzeitigem Aufatmen der Verantwortungsträger: Die mögliche Abflachung erfolge "auf sehr hohem, teilweise systemkritischem Belagsniveau von über 600 belegten Intensivbetten". (APA, red, 24.11.2021)