Viele Skigebiete, wie im Bild am Kitzsteinhorn, schildern Routen für Skitouren aus.

Foto: Thomas Neuhold

Als vor rund drei Jahrzehnten auf den heimischen Pisten die ersten Snowboarder auftauchten, reagierten die heimischen Liftbetreiber durch die Bank ablehnend. Die Freaks in den weiten Pullis und den Schlabberhosen passten so gar nicht ins Weltbild der konservativen Älpler. Die Boarder mit ihren weiten Radien bräuchten einfach zu viel Platz auf der Piste, argumentierte man die Ablehnung. Inzwischen ist das Snowboard olympisch, und es gibt kaum ein größeres Skigebiet, das ohne eigene Halfpipes und Funparks auskommt.

Als dann ein Jahrzehnt später vermehrt Skitourengeher begannen, die Skipisten zu nutzen, ein ähnliches Bild: Grantige Liftbetreiber verhängten Verbote, immer wieder wurde – medial aufgebauscht – von beinahe handgreiflichen Konflikten berichtet.

Konflikte

Wie bei den Snowboardern mit ihren weiten Schwüngen musste auch hier das Sicherheitsargument herhalten: Fellgeher langsam bergauf, Skifahrer schnell bergab, das führe zwangsläufig zu Unfällen. Der eigentliche Hintergedanke war freilich ein anderer: Die Tourengeher benutzten die ums teure Geld präparierten Pisten gratis – da könnte ja jeder kommen.

Wobei einige Tourenbegeisterte auch ihren Teil zum Konflikt beitrugen. Nachtabfahrten, während die Pistenraupen im Steilgelände an Seilwinden arbeiteten, führten an den gespannten Seilen zu vielen gefährlichen Situationen und zu Unfällen. Dazu kam die Rücksichtslosigkeit mancher Tourengeher gegenüber den Liftbetreibern. War am Abend die Piste frisch hergerichtet, wurde mit großer Lust abgefahren. Die dabei entstandenen Spuren, Furchen und Buckel froren in der Nacht, die eigentlich frisch präparierte Piste war am Morgen für die zahlenden Gäste öfters so gut wie unbefahrbar.

Schneemangel

Von Ausnahmen wie beispielsweise dem Salzburger Untersberg abgesehen, wo sich Alpinfahrer und Tourengeher seit Jahrzehnten die Piste in friedlicher Koexistenz teilen, ist der Boom relativ jung. Noch 1994 schrieb der Salzburger Journalist Clemens M. Hutter – einer der publizistischen Wegbereiter des modernen Skibergsteigens – in einem Tourenführer über das 1586 Meter hohe Wieserhörndl im Flachgauer Skigebiet Gaißau-Hintersee: Die Tour sei "trotz des Liftbetriebs immer noch lohnend". Heute sind in der Gaißau oft mehr Touren- als Alpinski zu sehen.

Dass die Piste generell für die Tourencommunity stark an Attraktivität gewonnen hat, hat viele Gründe. Ein gewisser Liftfrust gehört ebenso dazu wie der Risikoaspekt, also im gesicherten Skiraum "auf Tour" zu sein. Spektakuläre Tourenrennen wie die Mountain-Attack in Saalbach-Hinterglemm steigerten die Attraktivität – 2026 werden die Tourenrennen olympisch.

Der Klimawandel bzw. der Schneemangel ist aber wohl der Hauptgrund: Wo vor 30 Jahren die Tourensaison noch Mitte November begonnen hat, ist heute bis weit in den Dezember hinein braune Wiese; viele Tourenbegeisterte weichen also auf Kunstschneepisten aus.

Zahlungskräftiges Klientel

Und die Konflikte mit den Liftbetreibern? Diese haben sich inzwischen fast überall gelegt. Innovativere Liftgesellschaften haben rasch erkannt, dass die Pistengeher eigentlich ein zahlungskräftiges Klientel darstellen. Sie konsumieren auf den Skihütten, sie bezahlen Parkgebühren und vor allem: Viele von ihnen gehen an und ab weiterhin pisteln.

Dazu kommt: Viele der Pistengeher sind Einheimische, die nach der Arbeit noch ein paar Hundert Höhenmeter machen wollen; den Nachbar aus dem Ort kann auch der mürrischste Liftwart schlecht vertreiben. Und so begann man Schritt für Schritt Routen zu markieren, fallweise werden inzwischen sogar extra Schneewälle aufgeschüttet, um Abfahrer und Aufsteiger "baulich" zu trennen.

Infrastrukturbeitrag

Mancherorts bedurfte es allerdings einer Moderation durch die alpinen Vereine: Die Liftgesellschaften mussten ins Boot geholt werden, Regeln wurden formuliert, gemeinsam wurden Routen und Sperrzeiten festgelegt.

Und auch die Pistengeher mussten dazulernen. Sie haben mehrheitlich akzeptiert, dass sie nicht überall und zu jeder Zeit hinkönnen und einen Infrastrukturbeitrag zu leisten haben. Ein Beispiel: In Gastein kostet die Jahreskarte für diesen Winter 140, die Tageskarte 14 Euro.

Zehn Empfehlungen

In Österreich gibt es zwischen 600.000 und 800.000 – mehr oder weniger – aktive Skitourengeher. Die Zahlen beruhen auf Schätzungen nach den Verkaufszahlen des Sportartikelhandels. Ein guter Teil davon ist im freien Gelände nur auf Modetouren und sonst mehrheitlich auf der Piste anzutreffen.

Pistensperren wie hier im Pongauer Werfenweng sind unbedingt und ausnahmslos zu beachten.
Foto: Thomas Neuhold

Dass das Nebeneinander mit den Alpinskifahrern inzwischen weitgehend reibungslos funktioniert, ist nicht nur den Bemühungen der Seilbahnwirtschaft zu verdanken, sondern auch zuvorderst den alpinen Vereinen. Sie haben in Abstimmung mit allen Beteiligten zu den bekannten Fis-Pistenregeln zehn "Empfehlungen" für Pistengeher ausgearbeitet, die die friedliche Koexistenz deutlich erleichtern und helfen, Unfälle zu vermeiden:

· Warnhinweise sowie lokale Regelungen beachten.

· Der Sperre einer Piste oder eines Pistenteils Folge leisten. Beim Einsatz von Pistengeräten – insbesondere mit Seilwinden – oder bei Lawinensprengungen kann es zu lebensgefährlichen Situationen kommen.

· Nur am Pistenrand und hintereinander aufsteigen.

· Die Piste nur an übersichtlichen Stellen und mit genügend Abstand zueinander queren.

· Frisch präparierte Pisten nur im Randbereich befahren. Über Nacht festgefrorene Spuren können die Pistenqualität stark beeinträchtigen.

· Bis 22.30 Uhr oder einer anderen vom Seilbahnunternehmen festgelegten Uhrzeit die Pisten verlassen.

· Sichtbar machen. Bei Dunkelheit oder schlechter Sicht Stirnlampe und reflektierende Kleidung verwenden.

· Bei besonders für Pistentouren gewidmeten Pisten nur diese benützen.

· Hunde nicht auf Pisten mitnehmen.

· Ausgewiesene Parkplätze benützen und allfällige Parkgebühren entrichten.

Viele dieser – hier vom Kuratorium für alpine Sicherheit übernommenen – Empfehlungen mögen selbstverständlich klingen. Sie zeigen aber deutlich auf, welches Konfliktpotenzial den Pistentouren einst innewohnte.

Leitsystem für Tirol

Weit über dieses Regelwerk hinausgehend hat das Land Tirol aktuell ein eigenes Pistentouren-Handbuch herausgegeben. Darin werden neben dem eigens für Tirol entwickelten Pistentouren-Leitsystem auch technische Details rund um die Einrichtung von neuen Anstiegswegen behandelt. Besonderes Augenmerk wird rechtlichen Fragen rund um die Haftung im Fall eines Unfalls geschenkt. Heuer sind es bereits 13 Tiroler Skigebiete, die nach den Leitlinien des Handbuchs auf ein Leitsystem setzen. (Thomas Neuhold, 25.11.2021)