Herlinde Koelbl, "Angela Merkel". € 50,– / 248 Seiten. Taschen-Verlag, Köln/L.A. 2021.
Foto: Taschen-Verlag

Ich glaube, dass wir immer wieder bereit sein müssen, Dinge zu beenden, um den Zauber des Anfangs zu spüren und Chancen wirklich zu nutzen. (...) Und wer weiß, was für mich nach dem Leben als Politikerin folgt? Es ist völlig offen", konstatierte in gewohnt klarer und überlegter Art und Weise Angela Merkel schon vor zwei Jahren. Nun, dieser Tage, in denen sich eine prägende Ära dem Ende zuneigt, erscheint ein bemerkenswertes Dokument einer langjährigen Beziehung zwischen Politik und Medien in Buchform. Trotz der gebotenen Distanz gelang es der Fotografin Herlinde Koelbl über Jahrzehnte hinweg, in ihren regelmäßigen Porträts so etwas wie Intimität und Nähe aufzubauen. Ganz im Gegensatz zu üblichen Usancen des offensiven Negativismus und der oberflächlichen Schnelllebigkeit der Zeit.

Zwischen 1991 und 2021 porträtierte Koelbl als freischaffende Künstlerin Angela Merkel in Bild und Wort. Während der alljährlichen Fotosessions geführte Gespräche ergeben erst ein stimmiges, außergewöhnliches Porträt der anfangs unscheinbaren, sich zunehmend verändernden, aber stets authentischen Person hinter der öffentlichen Politikerin. Die fast ausschließlich vor archaisch-weißem Hintergrund entstandenen Studien ergeben in Summe ein Langzeitprojekt, das über die Metamorphosen der abgelichteten Person hinaus auch die dramatischen Veränderungen der "freien Welt" dokumentiert. "Als Bundeskanzlerin muss ich mich oft fragen: Tue ich das Richtige? Tue ich etwas, weil es richtig ist, oder nur, weil es möglich ist?" Das Statement beschreibt Merkels Maxime ebenso wie das folgende: "Ich werde immer dafür werben, dass ein Kompromiss eine vernünftige Sache ist. (...) Ich habe sehr oft gesagt: Kompromisse sind Ergebnisse, bei denen die Vorteile unter dem Strich die Nachteile überwiegen." Politik mit Haltung, mit gesellschaftlicher Verantwortung und humanitärem Impetus wird in Koelbls Bildband klar.

Bleibt schlussendlich nur, an ein weiteres Zitat der scheidenden ersten Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland zu erinnern, die Hände zur Raute gefaltet: "Über die Frage meines Vermächtnisses müssen sich andere Gedanken machen." (Gregor Auenhammer, 24.11.2021)