Viele Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energien sind in Österreich auf Halt, weil das entsprechende Gesetz, das die Förderung auf neue Beine stellt, noch immer nicht in Kraft getreten ist.

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Das Ziel ist klar und wird von nahezu allen politischen Kräften im Land mitgetragen: 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen bis 2030 – bilanziell zumindest, weil es etwa im Winter selbst bei ehrgeizigstem Ausbau erneuerbarer Energien ohne Importe nicht gehen wird. Wie das Ziel aber erreicht werden soll, ist alles andere als klar.

Wer dachte, dass mit der Verabschiedung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) im heurigen Sommer eine große Hürde genommen worden und der Weg somit frei wäre für den forcierten Ausbau von Wind- und Solarenergie, muss sich eines Besseren belehren lassen. Entgegen den Erwartungen vieler Ökostromanbieter und Versprechungen von politischer Seite ist das EAG noch immer nicht in Kraft getreten.

Zwischen zwei Stühlen

"Die Branche sitzt zwischen zwei Stühlen: Das alte Ökostromgesetz ist ausgelaufen, das EAG noch nicht in Kraft. Nichts geht im Moment", bringt es Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), im Gespräch mit dem STANDARD auf den Punkt.

Warum das so ist? Das liegt zum einen an beihilfenrechtlichen Problemen, die die EU-Kommission insbesondere in Sachen Windkraftförderung beanstandet. Für Windkraftanlagen, so sieht es das EAG vor, sollen bis mindestens 2024 auf Antrag Marktprämien gewährt werden, während andere Technologien im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen gefördert werden sollen. Das sei "insofern beachtlich, als Mitgliedsstaaten gemäß Art 4 der RL 2018/2001 ('RED II') erneuerbare Elektrizität auf offene, transparente, wettbewerbsfördernde, nichtdiskriminierende und kosteneffiziente Weise fördern sollen", merkten Bernd Rajal, Benjamin Schlatter und Arian Paul Farahmand von Schönherr Rechtsanwälte in einem schriftlichen Kommentar schon im Frühjahr an.

Innerkoalitionärer Zwist

Vom Ausschreibungsprinzip sollte demnach nur in Ausnahmefällen abgegangen werden. Etwa dann, wenn Ausschreibungsverfahren nicht zu einer effizienten Preisbildung führten. Was als administrative Marktprämie tituliert werde, sei in Wirklichkeit nichts anderes als die Fortschreibung des Einspeisetarifs, sagen Kritiker. Dass so etwas in Brüssel nicht durchgehen werde, hätte man wissen können. Warnende Stimmen habe es gegeben.

Zum anderen hat der Stau an Projekten, die auf Finanzierung warten, auch mit innerkoalitionärem Zwist zu tun. Insgesamt sind an die 25 Verordnungen ausständig, die das EAG präzisieren sollen. Einige können erst auf Grundlage eines endgültig beschlossenen Gesetzes nach grünem Licht aus Brüssel verabschiedet werden. Andere, die nicht den beihilfenrechtlichen Teil betreffen, hätten hingegen schon längst vorgelegt werden können. Das betrifft zum Beispiel die Investitionsprämie, die als Teil des EAG bereits in Kraft gesetzt wurde.

Groll im Energiebeirat

Wie jedes Jahr im Herbst ist vergangene Woche der Energiebeirat zusammengetreten, ein knapp 30-köpfiges Gremium, in dem die Sozialpartner, Ministerialbeamte sowie die Energiesprecher der Parteien vertreten sind. Erwartet wurde, dass dabei auch die längst überfälligen Verordnungen vorgelegt werden. Aber nichts dergleichen geschah. "Offensichtlich können sich Türkis und Grün auf keine Verordnung einigen", mutmaßt Alois Schroll, Energiesprecher der SPÖ. "Es ist ein Skandal, dass koalitionärer Streit auf dem Rücken der Erneuerbaren-Branche ausgetragen wird." Das Ziel von 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen sei damit noch schwerer zu erreichen.

Photovoltaik soll bis zum Jahr 2030 zusätzlich elf Terawattstunden Strom liefern und damit den Löwenanteil des notwendigen Zuwachses tragen.
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"Wir leiden extrem unter dieser Unsicherheit", sagt Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Photovoltaik Austria. "200 Megawatt liegen allein bei Dach-PV auf Eis, Freiflächen-PV ist ein eigenes Kapitel."

Dabei ist der Nachholbedarf enorm, wenn die Energiewende gelingen soll. Bis zum Jahr 2030 müsste, so die außer Streit gestellten Berechnungen, die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien unter Beachtung strenger ökologischer Kriterien um 27 Terrawattstunden (TWh) gesteigert werden. 11 TWh davon sollte und müsste laut einer Potentialabschätzung die Photovoltaik stemmen, 10 TWh die Windkraft beisteuern, 5 TWh die (Klein)Wasserkraft und 1 TWh die Biomasse.

EAG zurück ins Parlament?

Prechtl-Grundnig vom Dachverband Erneuerbare Energie befürchtet, dass sich der Stau an Projekten bis weit in das Jahr 2022 hineinziehen wird. Ein novelliertes EAG müsste wieder zurück ins Parlament. Eine Abkürzung über einen Initiativantrag sei möglich, aber auch da müsste erst wieder eine Zweidrittelmehrheit gefunden werden. (Günther Strobl, 24.11.2021)