Die Preise für Wohnimmobilien bleiben in Österreich von der Entwicklung im übrigen Euroraum entkoppelt.

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Es war nicht das erste Mal in den vergangenen Monaten, dass die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) wegen der Überhitzung am Immobiliensektor eine Warnung ausspricht. Aber die Alarmglocken läuten immer lauter.

Am Mittwoch präsentierte OeNB-Chef Robert Holzmann mit seinen Experten den neuen Finanzstabilitätsbericht. Tenor dabei: Wenn die Banken nicht bald selbst den Kurs ändern, wird die Finanzaufsicht eingreifen müssen.

Doch wo genau liegt das Problem? Die Preise für Wohnimmobilien bleiben in Österreich von der Entwicklung im übrigen Euroraum entkoppelt. Seit dem Jahr 2010 haben sich die Preise verdoppelt, im Euroraum lag der Anstieg dagegen bei lediglich knapp über 30 Prozent. Noch problematischer: Die Experten der Nationalbank versuchen auch zu bewerten, wie sehr die Preise für Wohneigentum Hand in Hand mit der realwirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Haushaltseinkommen einhergehen.

Auch hier wird die Kluft in Österreich immer größer: Wohnimmobilien sind laut diesem Indikator um gut 30 Prozent überbewertet. "Es zeigt sich eine zunehmende Überhitzung am Markt", sagte Birgit Niessner, Chefökonomin der Notenbank am Mittwoch.

Außer für Menschen auf akuter Suche nach Eigentum wäre diese Entwicklung kein gröberes Problem. Allerdings wird ein immer größerer Teil der Hypotheken über Bankkredite finanziert. Fallen viele dieser Darlehen aus, belastet das die Stabilität der Banken. Das Volumen der Wohnbaukredite ist allein seit September 2020 um 6,8 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg war steiler als das Wachstum in der Eurozone. Österreichs Banken sind laut Nationalbank zudem noch einmal laxer geworden bei der Kreditvergabe.

Die Empfehlungen der Aufseher

Als Reaktion auf diese Entwicklung haben die österreichischen Finanzaufseher von der Aufsichtsbehörde FMA, der Nationalbank und dem Finanzministerium schon vor längerer Zeit eine Reihe an Empfehlungen abgegeben: So soll jeder Häuselbauer mindestens 20 Prozent Eigenkapital bei der Kreditaufnahme zur Verfügung haben. Die monatlichen Rückzahlungen sollen nicht mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens eines Haushalts ausmachen. Und die Laufzeiten der Darlehen sollen nicht länger als 35 Jahre sein.

Doch die Banken ignorieren diese Vorgaben zum Teil. Bei rund einem Fünftel der Hypothekennehmer machen die monatlichen Belastungen mehr aus als die 40 Prozent des Nettoeinkommens. Warum also agieren die Finanzaufseher nicht strenger und machen aus den Empfehlungen Vorgaben? Werden die Banken hier mit Samthandschuhen angefasst?

Bei der Nationalbank wird das verneint und argumentiert, dass zwar die Risiken durch die Kreditvergabe zunehmen, aber es noch keine Anzeichen für eine Blasenbildung gibt. Auf eine bevorstehende dramatische Preiskorrektur bei den Preisen für Wohnungen und Häuser gäbe es keinen Hinweis. Dazu kommt, dass die Arbeitslosenzahlen bisher stabil waren und die Zahl der Schuldner, die ihre Kredite nicht bedienen kann, niedrig ist. Im Juni 2021 waren gerade 1,9 Prozent der Kredite der Banken notleidend, dass heißt, dass Schuldner mehr als 90 Tage in Zahlungsverzug waren.

Die Aufsicht will die Entwicklung weiter beobachten und analysieren.

Gegenargument zu dieser kalmierenden Sicht: Dramatische Konjunktureinbrüche, die in einer höheren Arbeitslosenzahl resultieren und damit Schuldner in die Knie zwingen, sind selten vorhersehbar.

Nachteile für Bürger?

Wie wird diese Debatte unter Banken beurteilt? "Die Entwicklung der Immobilienpreise ist ohne Zweifel wild", sagt Stefan Selden, Bankenberater bei 720° Restructuring & Advisory. Zugleich würde jede Verschärfung der Regeln bei der Kreditvergabe dazu führen, dass sich Menschen weniger Wohneigentum leisten können. Das sei zumindest bei hohen Mieten ein Nachteil für Bürger.

Banken argumentieren seiner Meinung nach zudem nicht zu Unrecht, dass die Nichteinhaltung der 40-Prozent-Regel bei Einkommen oft nur zu Beginn einer Kreditaufnahme ein Problem ist. Mit der Zeit verdienen Haushalte tendenziell mehr Geld. Sie können sich dann auch die Kreditraten leichter leisten. Diese Aussage gilt freilich dann nicht, wenn Kredite variabel verzinst genommen werden, so Selden. In Österreich sind variable Darlehen noch immer beliebt.

Ein weiteres Argument aus der Bankenbranche lautet: Die Immobilienpreise werden zu einem großen Teil durch Finanzinvestoren angefacht, die Wohnungen als reine Wertanlage kaufen. Auch hier wäre die Politik aufgefordert, etwas zu tun. (András Szigetvari, 25.11.2021)