Der Solar Orbiter muss bei seinem einzigen Swing-by-Manöver an der Erde durch Zonen mit erhöhtem Weltraumschrott-Aufkommen.
Illustr.: ESA/ATG medialab

Reisen von der Erde ins innere Sonnensystem sind technisch ausgesprochen anspruchsvoll. Deshalb dauert auch der Flug der Weltraumsonde Solar Orbiter der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) zu ihrem Zielorbit um die Sonne gut dreieinhalb Jahre. Gestartet ist sie am 10. Februar 2020 mit einer Atlas-V-Trägerrakete in Cape Canaveral, Florida. Um die anvisierte Umlaufbahn zu erreichen, muss der Solar Orbiter während der aktuellen Transferphase bei Erde und Venus Schwung holen. Insgesamt acht Swing-by-Manöver absolviert die Sonde an der Venus (zwei hat sie schon hinter sich), eines an unserem Heimatplaneten.

Dieser Fly-by soll am kommenden Samstag stattfinden – und er ist nicht ganz ungefährlich, denn der Instrumententräger kommt der Erde ziemlich nahe: Wenn der Solar Orbiter der Erde in der Gegend von Nordafrika und den Kanarischen Inseln am nächsten kommt, wird der Abstand nur 460 Kilometer betragen. Das bedeutet, dass die Sonde eine Zone mit erhöhtem Weltraummüllaufkommen durchqueren muss – ein Risiko, wie das Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mitteilte. Das IWF ist an zwei der insgesamt zehn wissenschaftlichen Instrumente an Bord beteiligt.

Video: Die Reise des Solar Orbiter zur Sonne.
European Space Agency, ESA

Im Notfall Flugbahn ändern

Im Bereich zwischen 400 und 800 Kilometern über dem Erdboden befindet sich eine große Anzahl von Objekten, vor allem Hightech-Abfall aus früheren Weltraummissionen, die die Erde wie Geschosse umrunden. "Solar Orbiter muss verschiedene Regionen durchqueren, in denen sich Weltraummüll angesammelt hat", sagt IWF-Forscher Michael Steindorfer, der an der SLR-Station am Observatorium Lustbühel tätig ist. "Die Gefahr eines Zusammenstoßes ist gering, dennoch wird die Situation sehr genau beobachtet, um die Flugbahn der Sonde im Notfall ändern zu können", so Steindorfer.

Die im Rahmen der Mission gesammelten Daten sollen helfen, das Magnetfeld der Sonne, Sonneneruptionen und das u. a. davon bestimmte Weltraumwetter und dessen Auswirkungen auf die Erde besser zu verstehen und unseren Planeten davor zu schützen. "Hauptziel der Mission ist es, mehr über die Heliosphäre zu erfahren und herauszufinden, wie unser Stern diese riesige Plasmablase, in der unser Sonnensystem eingebettet ist, erzeugt und moduliert", erläuterte die Grazer IWF-Gruppenleiterin Rumi Nakamura.

Erdmagnetfeld im Visier

"Der Vorbeiflug an der Erde bietet eine einzigartige Gelegenheit, das Magnetfeld der Erde zu untersuchen", freute sich die Plasmaphysikerin. Das Erdmagnetfeld ist die Schnittstelle unserer Atmosphäre mit dem Sonnenwind. "Diese geladenen Teilchen, die ständig von der Sonne ausgestoßen werden, können nicht nur in das Magnetfeld eindringen und Polarlichter auf unserem Himmel entfachen, sondern auch Atome aus unserer Atmosphäre können ins Weltall entweichen", erklärte Nakamura. Die Grazer IWF-Direktorin Christiane Helling zeigte sich überzeugt, dass die Mission viel Potenzial in sich birgt: "Die Untersuchung der Heliosphäre unseres Sonnensystems schafft auch Grundlagen für unsere Forschungen an extrasolaren Planeten", hielt die Astrophysikerin und Exoplanetenforscherin fest.

An zwei der zehn wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Solar Orbiter ist das Institut für Weltraumforschung beteiligt (gelbe Kreise).

Die Abkürzungen stehen für:
+ MAG: Magnetometer
+ RPW: Radio and Plasma Waves
+ EPD: Energetic Particle Detector
+ SWA: Solar Wind Analyser
+ EUI: Extreme Ultraviolet Imager
+ Metis: Coronagraph
+ PHI: Polarimetric and Helioseismic + Imager
+ SoloHI: Heliospheric Imager
+ SPICE: Spectral Imaging of the Coronal Environment
+ STIX: X-ray Spectrometer/Telescope
Illustr.: ESA/ATG media lab

Das IWF ist beim Solar Orbiter am Radiowelleninstrument RPW und am Magnetometer MAG beteiligt: RPW wird während des Erdvorbeiflugs eingeschaltet sein. "Das bevorstehende Manöver bietet eine gute Gelegenheit, um die Software-Updates der letzten Wochen zu testen," erklärte IWF-Gruppenleiter Manfred Steller. Die Beteiligung des IWF an Solar Orbiter wurde von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert.

In 168 Tagen einmal um die Sonne

Neben dem IWF sind weitere österreichische Institutionen an der Mission beteiligt: Die Universität Graz zeichnet für die wissenschaftliche Softwareentwicklung des Röntgenteleskop Stix an Bord des Solar Orbiter verantwortlich, für die Thermalisolation des Satelliten war die Wiener Weltraumfirma Ruag Space zuständig.

Die operative Umlaufbahn von Solar Orbiter wird ein elliptischer Orbit sein, auf dem sich die Sonde der Sonne in regelmäßigen Abständen bis auf 42 Millionen Kilometer nähert und dann wieder bis 135 Millionen Kilometer von ihr entfernt. Die Bahnneigung wird eine bessere Sicht auf die Pole und somit erste Nahaufnahmen von noch nie zuvor gesehenen Sonnenregionen ermöglichen. Die Dauer für einen Umlauf um die Sonne wird 168 Tage betragen. (red, APA, 25.11.2021)